Gestern Abend bin ich auf Twitter in eine unangenehme Diskussion verwickelt worden. Diese hat mich so getroffen, dass ich mit mir meinem Twitter-Account eine kurze Auszeit verordnet hatte. Ausgelöst wurde die Diskussion durch einen Tweet von Christopher Lauer, in der er eine NPD-Kandidatin mit dem Begriff „adipös“ abwerten wollte. Davon empfanden sich andere Menschen angegriffen, die nicht den Normalgewichtidealen entsprechen. Die Verwendung dieses Begriffs in einer angreifend gemeinten Verwendung legitimiere es, Menschen allgemein so zu beleidigen. Dieses Problem sehe ich ganz genauso. Das Wiederholen von strukturellen und gruppenbezogenen Diskriminierungen verletzt Leute auch dann, wenn es in einem anderen Kontext geschehen soll. Für mich persönlich gibt es allerdings eine Ausnahme: Ich habe Verständnis, wenn man Nazis auf jede Art und Weise beleidigt, die sie trifft, und die den Taten, die diese Nazis tun, angemessen sind. Und ich möchte kurz erläutern, warum ich das so sehe. Die Pflicht eines jeden Demokraten und Antifaschisten ist es, sich Nazis in den Weg zu stellen. Sie aufzuhalten, ihre Demonstrationen zu stören, sie zu demaskieren und die Verbreitung ihres Giftes zu stoppen. Ich kann Menschen nicht verurteilen, die sich in der Erfüllung dieser Aufgabe nicht so verhalten wie man selbst es tun würde. Ich kann Menschen nicht verurteilen, die dabei „über die Stränge schlagen“ (solange sie nicht jedes Maß verlieren). Das dadurch Dritte beleidigt werden, tut mir sehr leid. Bei den Menschen, die dadurch angegriffen sind, ohne Nazis zu sein, möchte ich mich ganz herzlich entschuldigen. Insofern habe ich verstanden, dass diese aus dem Zusammenhang gerissene Aussage schädlich und dumm war. Ich finde die Diskussion darüber, wie man Nazis politisch korrekt beleidigt, abträglich. Wichtiger ist es für mich, sich tatsächlich und wirksam Nazis entgegen zu stellen. Die Idee, Nazis emanzipatorisch gegenüberzutreten ist naiv – mit Nazis diskutieren ist zwecklos, man kann sie nicht überzeugen. Und politisch korrektes Beleidigen trifft sie nicht. Das wollte ich in dieser Diskussion (offenbar erfolglos) darstellen, wo ich die „politisch inkorrekte Beleidigung“ mit diesem Tweet beispielhaft auf die Spitze treiben wollte (und offensichtlich darüber hinaus getrieben habe). Wenn sich antifaschistisch eingestellte Menschen gegenseitig dafür angreifen, auf welche Weise sie das tun, schwächt das den Widerstand insgesamt. Ich bitte die Antifaschisten: Verurteilt nicht die Menschen, die in der Verwirklichung der gleichen Ziele wie ihr zu Maßnahmen greifen, die ihr selbst nicht verwenden würdet. Ich möchte keines der möglichen Instrumente im Kampf gegen Nazis aus der Hand legen. Ich möchte niemanden verurteilen, der aus eigener Betroffenheit heraus unangemessen reagiert. Wichtiger ist der gemeinsame Kampf. Über Differenzen in den Methoden kann man sich sicher auch austauschen – in geeignetem Rahmen, mit kühlem Kopfe, wenn niemand gerade in einer Ecke steht und der Solidarität bedarf. Als jüdischer Mensch sehe ich mich permanent Angriffen ausgesetzt, und stehe ständig in einer Verteidigungssituation. Die Angriffe kommen von verschiedenen Seiten, auch aus meiner eigenen Partei, und nehmen dabei keine Rücksicht darauf, was angemessen oder politisch korrekt ist. Ich fühle mich dabei durchaus oft sehr isoliert. Sicher reagiere ich darauf nicht immer angemessen, ich kann mich nicht davon freisprechen, auch mal … Weiterlesen →