Diesen Beitrag habe ich ursprünglich am 13. Mai bei Carta veröffentlicht. Vorratsdatenspeicherung: Das Ermittlungsvakuum in den Köpfen Wie Sicherheitsbehörden und -politiker Sachargumente ignorieren Der Glaube an die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung hat esoterische Züge. Rational ist er nicht zu erklären, und Gegenbeweise werden ignoriert. Stattdessen werden Kritiker mit Totschlagargumenten bedacht. Die Rechtfertigungsstrategien dieser Vorratsdatenspeicherungs-Gläubigen ähneln der von Anhängern der Homöopathie oder anderen Nichtwissenschaften. Die Innenpolitischen Sprecher von CDU/CSU in Bund und Ländern verabschiedeten auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag, dem 9. Mai 2014, eine „Erfurter Erklärung“. Darin fordern sie „eine bundesgesetzliche Grundlage für die Vorratsdatenspeicherung“. Ohne Vorratsdatenspeicherung könnten Ermittler derzeit schwere Straftaten nicht aufklären, heißt es. Sie postulieren eine Schutzlücke; Datenschutz drohe zum Täterschutz zu werden. Und weiter: „Insbesondere Täter, die im Bereich der Internetkriminalität agieren oder die die Verbreitung und den Konsum von Kinderpornografie ermöglichen, dürfen nicht länger im Dunkelfeld dieses gegenwärtigen Ermittlungsvakuums untertauchen.“ Auch die Innenminister SPD-geführter Länder bestehen auf der Vorratsdatenspeicherung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger beispielsweise behauptete in einem Interview mit heute.de: „Der Wegfall der Mindestspeicherfrist hat zu einer gravierenden Schutzlücke im Kampf gegen Kinderpornografie, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie bei der Bekämpfung von Terrorismus geführt.“ Für diese Behauptungen bleiben sie jedoch Beweise schuldig. Dabei sind im Fall der Vorratsdatenspeicherung die Voraussetzungen für eine systematische Untersuchung optimal. In Deutschland bestand in der Vergangenheit schon einmal eine gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung. Am 01.01.2008 trat ein entsprechendes Gesetz in Kraft, welches bis zum 02.03.2010 galt, nachdem die Regelung vom Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt wurde. Im Vergleich zu Ermittlungs- und Verurteilungszahlen der Vor- bzw. Folgejahre sollte es möglich sein, die Erfolgsbilanz, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung zu analysieren. Doch solche Zahlen liegen gar nicht vor. Mit einer kleinen Anfrage erkundigten wir Piraten im Landtag Nordrhein-Westfalens uns bei der Landesregierung, wie viele Anfragen es für den Datenpool der Vorratsdatenspeicherung im Zeitraum zwischen dem 01.01.2008 und dem 02.03.2010 gab, aufgrund welcher Straftatbestände diese vorgenommen wurden, und welchen Anteil sie am Ermittlungserfolg jeweils hatten. Die Antwort ist vielsagend nichtssagend: Solche Daten liegen nicht vor. Innenminister Jäger kann nur allgemein argumentieren und verweist ansonsten vage auf Statistiken des Bundesjustizamtes. Tatsächlich ist die Aufklärungsrate von schweren Verbrechen, dokumentiertem Kindesmissbrauch sowie der Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ überdurchschnittlich hoch. In den Jahren, in denen die Vorratsdatenspeicherung in Kraft war, ist kein Anstieg der Aufklärungsraten schwerer Straftaten feststellbar. Ein Absinken oder gar ein Einbruch in diesen Quoten nach dem 02.03.2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen. Im Tatbereich „Besitz/Verschaffung von Kinderpornographie gemäß § 184b Abs. 2 und 4 StGB“ (Titel 14330 der polizeilichen Kriminalstatistik) lag die Aufklärungsquote 2007 unmittelbar vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung bei 93,1%. Die Quote veränderte sich anschließend kaum. 2008 lag sie bei 94,2%, 2009 bei 93,5%, 2010 bei 87,2%. Nach dem Wegfall der Vorratsdatenspeicherung gibt es keinen Einbruch in der Aufklärungsrate: 2011 wurden 90,6% der Fälle aufgeklärt, 2012 wiederum 91,8%. Es werden also jedes Jahr rund 9 von 10 Fällen aufgeklärt. Eine Auswirkung der Vorratsdatenspeicherung auf die Zahlen kann man nicht feststellen. Eine Schutzlücke gibt es … Weiterlesen →