Daniel Schwerd zu Vorratsdatenspeicherung als Verstoß gegen EU-Grundrecht

 

Unser 1. Redner: Daniel Schwerd

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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd:

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer auf der Tribüne und am Stream! 2006 trat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Sie fordert, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Vorrat gespeichert werden muss, wann Sie mit wem telefonieren, wo Sie sich dabei aufhalten, und wann Sie welche Internetseiten besuchen. Warum will man diese Daten speichern? Ganz einfach. Sie könnten ja irgendwann einmal kriminell werden, vielleicht sind Sie sogar ein heimlicher Terrorist. Für diesen Fall möchte der Staat gern schon einmal Ihre Daten haben, und nicht nur diese, sondern alle Daten, von allen Einwohnern dieses Landes. Dieses diene selbstverständlich unser aller Sicherheit.

Fragen Sie sich, was mit der Unschuldsvermutung ist? Nun, auf die müssen wir leider verzichten. Die Vorratsdatenspeicherung ist anlasslos. Sie können so unauffällig sein wie Sie wollen, Ihre Existenz ist Anlass genug, Ihr Kommunikationsverhalten aufzuzeichnen. Sie finden, eine solche Maßnahme ist Ausdruck staatlichen Misstrauens? Richtig! Wer Kommunikations- und Bewegungsdaten jedes Bürgers zur Strafverfolgung auf Vorrat speichern will, der hält auch jeden Bürger für einen potenziellen Terroristen.

(Beifall von den PIRATEN)

Gibt es denn gar keine Hoffnung? Doch, die gibt es, aber sie kommt nicht aus der Politik, sondern von den Gerichten. Im Jahr 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die damals in Deutschland geltende Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig. Kurz darauf riefen die Verfassungsgerichtshöfe von Irland und Österreich wegen schwerer Bedenken zur Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie den Europäischen Gerichtshof an. Am 12. Dezember 2013 hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs die Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung bestätigt. Er hält die Richtlinie für nicht vereinbar mit der EU-Grundrechtecharta. Man kann es kaum deutlicher formulieren. Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen unsere Grundrechte. Anlasslose Massenüberwachung ist immer ein Angriff auf unsere Demokratie.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe Innenpolitiker von Union und SPD, was brauchen Sie denn noch, um zu merken, dass die Vorratsdatenspeicherung eine hochgradig freiheitsfeindliche Maßnahme ist? Erkennen Sie nicht, dass der Einstieg in die Totalüberwachung mehr schadet als nützt? Können Sie nicht erkennen, dass eine Maßnahme wie die Vorratsdatenspeicherung skrupellosen und freiheitsfeindlichen Regimen in den Hände spielt? Begreifen Sie nicht, dass es keinen Unterschied macht, ob wir anlasslos und massenhaft von der NSA oder anlasslos und massenhaft von unserem eigenen Staat überwacht werden? Wie können Sie die Praktiken der NSA kritisieren, aber gleichzeitig anlasslose Totalüberwachung fordern?

(Beifall von den PIRATEN)

Vor allem aber: Wieso ignorieren Sie sämtliche Stimmen aus Wissenschaft und Praxis, die der Vorratsdatenspeicherung weitgehende Wirkungslosigkeit attestieren? Ein Beispiel: Aus der USA kam eine Regierungskommission zur Bewertung der US-Version der Vorratsdatenspeicherung gerade erst zu folgendem Ergebnis: Wir haben nicht einen einzigen Fall der Bedrohung der Vereinigten Staaten identifiziert, bei dem die Überwachung von Telefon-Metadaten einen konkreten Unterschied bei der Aufklärung gemacht hätte. Wir wissen zwei Dinge: Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in unsere Grundrechte und zudem weitgehend wirkungslos. Wieso klammern sich unsere Sicherheitspolitiker dann trotzdem so versessen an die Vorratsdatenspeicherung? Sascha Lobo hat für dieses irrationale Verhalten einen schönen Begriff gefunden: Sicherheitsesoterik! Das passt.

(Beifall von den PIRATEN)

Offensichtlich können oder wollen unsere Sicherheitspolitiker die Realität nicht mehr wahrnehmen. Die Vorratsdatenspeicherung ist für sie zu einem Glaubensbekenntnis geworden. Fakten können dem nichts mehr anhaben. Es müssen erst Verfassungsgerichte einschreiten, um freiheitsfeindliche Vorhaben unserer Regierungen zu verhindern. Vom Flugsicherheitsgesetz bis zur Vorratsdatenspeicherung haben die Sicherheitsesoteriker unserer sogenannten Volksparteien inzwischen eine ansehnliche Liste verfassungsfeindlicher Gesetzesvorhaben aufgehäuft. Kein Grundrechtsartikel, der nicht noch durch irgendwelche paranoiden Maßnahmen angegriffen worden wäre.

Wir Piraten sind uns sicher: Auch die aktuelle EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wird vom EU-Gerichtshof kassiert. Denn eins ist klar: Die anlasslose Totalüberwachung der Bevölkerung darf in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich würde mir wünschen, dass Politiker solche Gesetze gar nicht erst beschließen. Ich bitte Sie: Lassen Sie nicht die Gerichte das erledigen, wofür wir eigentlich gewählt worden sind!

(Beifall von den PIRATEN)

Stimmen Sie mit uns gegen die Vorratsdatenspeicherung und gegen den Einstieg in eine anlasslose Massenüberwachung. Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Geyer das Wort.

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Veröffentlicht unter Kultur- und Medien (A12), Reden

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