Fraktionssitzung vom 31.7.2012

Fraktionssitzung – das Wichtigste in Kürze

In der heutigen Sitzung hat die Fraktion entschieden, die Idee eines Sommerfestes auf das nächste Jahr zu vertagen. Der Plan, zeitnah in der Landtagskantine eine möglichst „piratige“ Feier zu veranstalten, ist nicht umsetzbar.

Am 20. und 21. August werden Vertreter der Fraktion für Interviews mit überregionalen Medien nach Berlin reisen.

Eine Grundsatzentscheidung zur Anschaffung von Servern ist gefällt. Jetzt wird Kai Schmalenbach zwischen den konkurrierenden Angeboten auswählen.

Jens Ballerstädt hat ein Konzept vorgestellt, um Liquid Democracy an Schulen in NRW vorzustellen bzw. einzuführen. Zu diesem Zweck hält er es für sinnvoll, einen Verein mit einem MdL als Schirmherr zu gründen.

Die Fraktion hat einstimmig beschlossen, den Aufruf des Bündnisses demokratisches Dortmund unter www.dortmund-nazifrei.de zu unterstützen.

Zur Info: Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage gegen die Nichtzulassung der Piratenpartei an der Kommunalwahl in Dortmund angenommen.

Das Protokoll der Fraktionssitzung in voller Länge: https://wiki.piratenfraktion-nrw.de/wiki/Protokoll:Fraktionssitzung/2012-07-31

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PM: Kampfdrohnen

MdL Herrmann entsetzt über
Kriegsspielzeugpläne der Bundeswehr

Das Verteidigungsministerium bekommt für seine Pläne, Kampfdrohnen anzuschaffen, laut Medienberichten „wohlwollende Zustimmung“. Eine Haltung, die für Frank Herrmann völlig unverständlich ist. Der Abgeordnete der Piratenfraktion im Landtag NRW stellt klar: „Mit Kampfdrohnen wird der Krieg endgültig zum Videospiel. Weder die Befehlsgeber noch die ausführenden Soldaten gehen ein Risiko für ihr eigenes Leben ein. Sie sind möglicherweise tausende Kilometer vom Einsatzort entfernt. Die Gefahr, dass die Hemmschwelle für den Einsatz von tödlichen Waffen sinkt, ist sehr groß.“

Die Entwicklung und der Einsatz von Kampfdrohnen leite eine Wende von der Landesverteidigung hin zu neuen Angriffskriegen ein, erklärt Herrmann. „Wer Kampfdrohnen gut heißt, ignoriert völlig, dass sie eine reine Angriffswaffe sind. Sie dienen dazu, Einsätze gegen Ziele am Boden mittels Bomben oder Raketen auszuführen.“ Die ehemalige Verteidigungsarmee Bundeswehr werde damit endgültig zu einer Angriffsarmee. „Die Vorgaben des Grundgesetzes in Artikel 87a scheinen den anderen Parteien völlig egal zu sein“, meint Herrmann.

2.949 Menschen kamen seit 2004 bei Drohnenangriffen allein in Pakistan ums Leben, meldet die Webseite pakistanbodycount.org. Häufig sterben auch Zivilisten beim Einsatz solcher Waffensysteme. Angesichts solcher Berichte entsetzt Herrmann ein Statement des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD im Bundestag, Reiner Arnold, gegenüber der „Frankfurter Rundschau“: „Das ist ein Waffensystem, dem die Zukunft gehört.“ Bisher hatten sich die Regierungen Europas zu den immer häufiger werdenden Einsätzen von Kampfdrohnen durch die US-Regierung in Schweigen gehüllt. Herrmann: „Wer Kampfdrohnen nutzt, vollstreckt präventiv Todesurteile, ohne dass die Opfer jemals vor ein Gericht gestellt wurden.“

Verantwortlich für diese Pressemitteilung: Piratenfraktion im Landtag NRW, Pressesprecher Ingo Schneider, presse [ at ] piratenfraktion-nrw.de/Foto: Anastasia Smanyuk
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PM: Staatstrojaner

MdL Schwerd: Jäger missbraucht NSU-Opfer für Schnüffelprogramm

Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:
„Die rot-grüne Landesregierung will den Staatstrojaner durchsetzen und missbraucht dafür die Mordopfer der Chemnitzer Terrorzelle.“

Diese Verbindung zwischen Rechtsterrorismus und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) bewertet Schwerd als „offensichtlich konstruiert und frei aus der Luft gegriffen“. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage Schwerds, die heute in der Drucksache 16/425 veröffentlicht wird, bestätigt seine Auffassung. Darin kann NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) keinerlei Anhaltspunkte dafür liefern, dass eine der NSU-Taten mit der Online-Durchsuchung verhinderbar oder zumindest aufklärbar gewesen wäre.

Die NRW-Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz der TKÜ zu schaffen. Dabei hat schon 2008 das Bundesverfassungsgericht solchen Staatstrojanern enge Grenzen gesetzt: Online-Durchsuchungen dürfen nur zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib und Leben o. ä. eingesetzt werden. Das Gericht erklärte das entsprechende Gesetz der damaligen schwarz-gelben Landesregierung für verfassungswidrig.

„Ich finde es schäbig, Mordopfer zu missbrauchen, um den Staatstrojaner zu begründen“, meint Schwerd. „Der Ruf nach mehr Überwachung der Bürger wird mittlerweile reflexartig bei allen möglichen Straftaten erhoben, ohne dass sich nachweisen lässt, dadurch mehr Sicherheit zu erreichen.“

Die Frage, warum man dieses Instrument ausgerechnet dem Verfassungsschutz in die Hand geben will, der über keine Befugnisse zur Abwehr solcher Gefahren verfügt, konnte Innenminister Jäger ebenfalls nicht überzeugend beantworten. „Der Hinweis, dass der Verfassungsschutz diese Informationen dann mit der Polizei teilen will, ist nicht überzeugend“, so Schwerd.

Zwei weitere Fragen drängen sich Schwerd auf: Hat sich der Verfassungsschutz etwa durch das Schreddern von NSU-Akten nach Bekanntwerden der Affäre qualifiziert, ein derartiges Abhörinstrument zu erhalten? Und ist nicht gerade der Verfassungsschutz dadurch aufgefallen, trotz V-Leuten und Überwachung der Szene von den Terrorakten der Gruppe keinerlei Ahnung gehabt zu haben?

Minister Jäger kann auf Nachfrage keine Maßnahmen nennen, wodurch der Staatstrojaner auf die Überwachung von Telekommunikation an der Quelle begrenzt bleibt: Er gibt keine Hinweise darauf, wie private Daten auf den Computern geschützt werden können. „Selbst ausgewiesene IT-Experten und Bürgerrechtler melden Zweifel an der technischen Umsetzbarkeit an. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Schnüffelprogramm in Einklang mit den vom Verfassungsgericht aufgezeigten Grenzen gebracht werden kann“, so Schwerd.

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Piratenfraktion im Landtag NRW, Pressesprecher Ingo Schneider, presse [ at ] piratenfraktion-nrw.de
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PM: KiTa-Finanzierung

MdL Stein: Landesregierung verschleiert unzureichende KiTa-Finanzierung

MdL Robert Stein, Piratenfraktion, ist besorgt über die unzureichende Finanzierung der Kindertageseinrichtungen in NRW. Er wirft der rot-grünen Landesregierung vor, die Menschen über die Notwendigkeit weiterer Zuwendungen – etwa für Bastelmaterialien etc. – im Rahmen der Kinderbetreuung zu täuschen.

Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage Steins, die heute unter der Drucksachennummer 16/441 veröffentlicht wird, geht hervor, dass KiTas ausschließlich als Essensgeld gesonderte Bargeldbeträge erheben dürfen. Die gängige Praxis sieht aber anders aus: „Auch für Bastelmaterialien, Spielgeräte und Ähnliches müssen Eltern zusammenlegen. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf die mangelhafte Ausstattung der entsprechenden Einrichtungen“, erklärt Stein. „Es ist verantwortungslos, den Menschen, insbesondere den Eltern, vorzugaukeln, dass die Finanzierung der Kinderbetreuung gesichert sei. Im Gegenzug sehen sich aber die KiTas gezwungen, zusätzlich zum monatlichen einkommensabhängigen Beitrag Bargeld von den Eltern einzusammeln, um den täglichen Betrieb der Einrichtungen sicherzustellen. Dies ist eine nicht zu akzeptierende Belastung für breite Schichten in unserer Bevölkerung.“

Stein hofft weiterhin, dass die rot-grüne Regierung ihre mangelhafte Finanzierung der kommunalen Träger endlich eingesteht und nachbessert. Es nütze nichts, die Augen vor dieser Tatsache zu verschließen. Mit Blick auf Skandinavien wird klar: Andere Staaten haben bereits die Wichtigkeit der frühestmöglichen Förderung erkannt, die nur über eine sichere finanzielle Ausstattung hinreichend sicher gestellt ist. Stein: „NRW darf hier keine weitere Zeit verlieren.“

Die Drucksache: http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-441.pdf

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Verkehrswende gestalten: Fraktionstreffen zur Verkehrspolitik vom 25. Juli 2012

Am Mittwoch vergangener Woche haben wir ein erstes ganztägiges Fraktionstreffen zur Verkehrspolitik im Landtag abgehalten. Die aus Kreativ-, Diskussions- und Workshop-Abschnitten bestehende Veranstaltung bezog auch mehr als ein Dutzend beratende Gäste mit ein. Viele von ihnen sind in den entsprechenden Arbeitskreisen der Piratenpartei aktiv. Das Schwerpunktthema des Treffens war der fahrscheinfreie ÖPNV im Kontext des Verkehrswandels.

Von der Vision eine Verkehrswende selbst zu gestalten, leiteten wir kurz- und mittelfristige Handlungsempfehlungen ab. Wir stehen am Anfang eines ambitionierten Projekts, sind motiviert und überzeugt von der Notwendigkeit der aktiven Neugestaltung der Verkehrspolitik. Wir in der Fraktion freuen uns, dabei mit vielen engagierten Sachkennern zusammenarbeiten zu können.

Das Protokoll und unser kleines Fazit aus dem ersten Treffen möchten wir allen Interessierten hier als PDF bereitstellen. Wir möchten voraussichtlich in den Herbstferien ein weiteres – eventuell deutlich größeres – Arbeitstreffen zu dem Thema und anderen Sachverhalten rund um die Gestaltung der Verkehrswende einrichten, zwischenzeitlich die aufgeworfenen Fragen klären und weiter Informationen sammeln.

PDF: Fraktionstreffen Verkehrswende 20120725: Protokoll und Ergebnisse

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Einblick in AO-SF Gutachten für Eltern in Bochum und Herne

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Kleine Anfrage 296

Einblick in AO-SF Gutachten für Eltern in Bochum und Herne

In Bochum und Herne wurde von der kommunalen Schulaufsicht angeordnet, Eltern von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf, Einsicht in die erstellten Gutachten zu geben. Während es bislang üblich war, in einem beratenden Gespräch gemeinsam mit den Eltern, die beste Lösung für ein Kind zu finden, wird den Eltern nun zusätzlich Einblick in das Gutachten gewährt. Diese Gutachten enthalten neben den Informationen zur Lernentwicklung und zum Leistungsstand des Kindes auch Angaben zum Sozial- und Arbeitsverhalten. Nicht selten enthalten sind auch Angaben zu den Lebensbedingungen des Kindes. Da hier die familiären Hintergründe und sich daraus ergebende Erschwernisse geschildert werden, ist es bei der derzeitigen Vorgehensweise nicht mehr möglich, gerade im letztgenannten Bereich konkrete und oftmals wichtige Angaben zu machen, da sie eben nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern betreffen und von Eltern als verletzend empfunden werden können. Die Gutachten AO-SF beinhalten zusätzlich häufig Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, anderer psychologischer Dienste und/oder des Jugendamtes. Die Einsichtnahme der Eltern in die Gutachten ist bei der Unterstützung und Förderung von Schülern und deren Familien nicht immer hilfreich.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Gibt es diese Verfahrensweise, außer in Bochum und Herne, auch in anderen Städten in NRW?

2. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass durch diese Einsichtnahme, Kriterien für eine Fördermaßnahmenempfehlung nicht deutlich dargestellt werden?

3. Handeln die verantwortlichen Schulaufsichtsbeamten hier mit Billigung dieser Verfahrensweise durch das Schulministerium?

4. Ist es im Sinne der Landesregierung, dass Eltern flächendeckend in NRW Einsicht in die Gutachten nach AO-SF erhalten?

5. Sieht die Landesregierung sinnvolle alternative Vorgehensweisen der Information und Beteiligung von Eltern, ohne die direkte Einsichtnahme in das Gutachten?

Monika Pieper

Antwort

Die Ministerin für Schule und Weiterbildung

hat die Kleine Anfrage 296 mit Schreiben vom 29. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

In Bochum und Herne wurde von der kommunalen Schulaufsicht angeordnet, Eltern von Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf, Einsicht in die erstellten Gutachten zu geben. Während es bislang üblich war, in einem beratenden Gespräch ge-meinsam mit den Eltern, die beste Lösung für ein Kind zu finden, wird den Eltern nun zusätz-lich Einblick in das Gutachten gewährt. Diese Gutachten enthalten neben den Informationen zur Lernentwicklung und zum Leistungsstand des Kindes auch Angaben zum Sozial- und Arbeitsverhalten. Nicht selten enthalten sind auch Angaben zu den Lebensbedingungen des Kindes. Da hier die familiären Hintergründe und sich daraus ergebende Erschwernisse ge-schildert werden, ist es bei der derzeitigen Vorgehensweise nicht mehr möglich, gerade im letztgenannten Bereich konkrete und oftmals wichtige Angaben zu machen, da sie eben nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern betreffen und von Eltern als verletzend empfun-den werden können. Die Gutachten AO-SF beinhalten zusätzlich häufig Stellungnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, anderer psychologischer Dienste und/oder des Jugendam-tes. Die Einsichtnahme der Eltern in die Gutachten ist bei der Unterstützung und Förderung von Schülern und deren Familien nicht immer hilfreich.

Vorbemerkung der Landesregierung

Auskunfts- und Einsichtsrechte der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler sind in §120 Absatz 7 Schulgesetz gesetzlich normiert.

§ 12 Absatz 6 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsverordnung gemäß § 52 SchulG vom 25. April 2005 – AO-SF) konkretisiert diese gesetzliche Grundlage wie folgt:

„Die Schulaufsichtsbehörde gibt den Eltern auf Wunsch Einsicht in das Gutachten sowie die Unterlagen, auf denen es beruht.”

Dem Wunsch der Eltern nachzukommen zielt darauf, eine selbstverständliche Offenheit und Transparenz gegenüber den Erziehungsberechtigten zu praktizieren. Auch gehört es zur professionellen Beratung, die Eltern über ihre rechtlichen Möglichkeiten zu informieren.

Grundsätzlich und auch schulfachlich wird ein offener und transparenter Umgang mit dem pädagogischen Gutachteninhalt nicht als hinderlich für die Unterstützung und Förderung der Schülerinnen und Schüler eingeschätzt, da die Eltern sehr wichtige Partner für ein erfolgrei-ches Umsetzen der konkreten Fördermaßnahmen im Zusammenspiel aller am schulischen Erziehungsprozess Beteiligten sind.

1. Gibt es diese Verfahrensweise, außer in Bochum und Herne, auch in anderen Städten in NRW?

3. Handeln die verantwortlichen Schulaufsichtsbeamten hier mit Billigung dieser Verfahrensweise durch das Schulministerium?

Die Fragen 1 und 3 werden gemeinsam beantwortet.

Die Gewährung von Einsicht in die für eine behördliche Entscheidung maßgeblichen Unter-lagen ist ein tragender Grundsatz, der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt und in § 12 Abs. 6 AO-SF Niederschlag gefunden hat. Damit eine Bürgerin oder ein Bürger die Entscheidung überprüfen kann, muss sie/ er feststellen können, von welchen Grundlagen die Behörde ausgegangen ist. Im Verfahren auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes ist das Gutachten die zentrale Entscheidungsgrundlage. Es ist daher nur folgerichtig, wenn § 12 Abs. 6 AO-SF ausdrücklich feststellt, dass den Eltern auf Wunsch Einsicht in das Gut-achten und in die Unterlagen, auf die es beruht, gewährt. Das kann auch durch Überlassung einer Kopie geschehen.

Die Landesregierung geht davon aus, dass diese gesetzlichen Vorgaben landesweit umge-setzt werden.

Eine Nachfrage in den Bezirksregierungen ergab, dass bezüglich der Verfahrensweise ge-mäß § 12 Absatz 6 AO-SF keine Probleme bekannt sind. In einigen Schulämtern wird das erstellte Pädagogische Gutachten den Eltern im Zuge der Entscheidung über den festgestell-ten sonderpädagogischen Förderbedarf grundsätzlich zugeschickt, was den rechtlichen Grundlagen (§ 12 Absatz 6) entspricht.

2. Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass durch diese Einsichtnahme, Kriterien für eine Fördermaßnahmenempfehlung nicht deutlich dargestellt werden?

Die Landesregierung sieht grundsätzlich keine Gefahr, dass durch den Anspruch auf Ein-sichtnahme der Eltern in diese erstellten Pädagogischen Gutachten Förderempfehlungen beeinträchtigt werden.

Die in VV 12.12 zu § 12 AO-SF dargestellten Informationsbereiche des Pädagogischen Gut-achtens sehen Aussagen zum Lebensumfeld, also eine sogenannte systemorientierte Kind-Umfeld Analyse vor, die professionell dokumentiert sein soll. Das Pädagogische Gutachten bildet im beratenden Gespräch mit den Eltern die Grundlage für die empfohlenen konkreten Fördermaßnahmen.

4. Ist es im Sinne der Landesregierung, dass Eltern flächendeckend in NRW Einsicht in die Gutachten nach AO-SF erhalten?

§ 12 Absatz 6 der AO-SF regelt nach Ansicht der Landesregierung den Umgang mit den Pädagogischen Gutachten bislang rechtlich zufriedenstellend, um dem Anspruch der Erzie-hungsberechtigten auf Transparenz nachzukommen und eine vertrauensvolle Zusammenar-beit zu entwickeln, zu fördern und zu pflegen.

5. Sieht die Landesregierung sinnvolle alternative Vorgehensweisen der Informati-on und Beteiligung von Eltern, ohne die direkte Einsichtnahme in das Gutachten?

Nein.

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Burnout-Syndrom bei Lehrern

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Kleine Anfrage 297

Burnout-Syndrom bei Lehrern

Viele Lehrer klagen über immer schwierigere Schüler, immer mehr Verwaltungsaufwand und weitere zusätzliche Belastungen. Durch die steigenden Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen kommt es zunehmend häufig zu langfristigen Erkrankungen bei Lehrern. Die Anzahl von Burnout- Fällen nimmt scheinbar deutlich zu. Die Umstellung auf ein inklusives Schulsystem wird vor allem in der Übergangsphase zu einer weiteren Belastung der Kollegien führen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie hoch ist die Zahl der Lehrer, die in Nordrhein-Westfalen aktuell an einem Burnout Syndrom erkrankt sind? (Bitte nach Schulformen aufgegliedert)

2. Wie hoch war die Anzahl der Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich?

3. Wie wird der durch langfristige Erkrankungen entstehende Unterrichtsausfall kompensiert?

4. Welche Präventionsmaßnahmen sind vorgesehen um weitere Erkrankungen in Zukunft zu vermeiden?

5. Wie schätzt die Landesregierung die Mehrbelastung ein, die durch die Einführung eines inklusiven Schulsystems für die Lehrer entsteht?

Monika Pieper

 Antwort

Die Ministerin für Schule und Weiterbildung

hat die Kleine Anfrage 297 mit Schreiben vom 29. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Viele Lehrer klagen über immer schwierigere Schüler, immer mehr Verwaltungsaufwand und weitere zusätzliche Belastungen. Durch die steigenden Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen kommt es zunehmend häufig zu langfristigen Erkrankungen bei Lehrern. Die Anzahl von Burnout- Fällen nimmt scheinbar deutlich zu. Die Umstellung auf ein inklusives Schulsystem wird vor allem in der Übergangsphase zu einer weiteren Belastung der Kollegien führen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Erhaltung und Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten ist der Landesregierung ein sehr wichtiges Anliegen. Die Schulen werden in vielfältiger Weise bei der Förderung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Lehrkräfte unterstützt. Zahlreiche Institutionen, wie z.B. der überbetriebliche arbeitsmedizinische und sicherheits-technische Dienst, der schulpsychologische Dienst, die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen oder die kommunalen Schulträger engagieren sich für den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und die Gesundheitsförderung der Lehrkräfte. Langfristige Erkrankungen von Lehrkräften werden von der Schulaufsicht im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX in den Blick genommen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

1. Wie hoch ist die Zahl der Lehrer, die in Nordrhein-Westfalen aktuell an einem Burnout Syndrom erkrankt sind? (Bitte nach Schulformen aufgegliedert)

2. Wie hoch war die Anzahl der Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich?

Der Landesregierung liegen keine statistischen Angaben zu den Ursachen krankheitsbedingter Fehlzeiten von Beschäftigten vor.

3. Wie wird der durch langfristige Erkrankungen entstehende Unterrichtsausfall kompensiert?

Ein vorrangiges Ziel der Landesregierung ist es, Unterrichtsausfall auch bei langfristigen Er-krankungen von Lehrkräften zu verhindern. Hierzu stehen im Wesentlichen folgende Instru-mente zur Verfügung:

Für alle Schulformen werden mit dem Programm „Flexible Mittel für den Vertretungsunter-richt” aktuell im Rahmen der vorläufigen Haushalts- und Wirtschaftsführung 45,862 Mio. EUR bis voraussichtlich Ende November 2012 zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wird ins-besondere bei längerfristigen Erkrankungen der befristete Einsatz von Vertretungslehrkräften ermöglicht.

Darüber hinaus gibt es für die Grundschulen zusätzlich eine Vertretungsreserve im Umfang von 900 Stellen. Grundschulen können bei dem jeweils zuständigen Schulamt Lehrkräfte aus dieser Vertretungsreserve anfordern.

Ferner stehen den Schulen 4.000 Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Mit diesen Stellen erhalten die Schulen zusätzliches Potenzial, um ihre schulinternen Vertretungskon-zepte zu optimieren und damit den vorgesehenen Unterricht sowie differenzierte Förderan-gebote zu realisieren.

4. Welche Präventionsmaßnahmen sind vorgesehen, um weitere Erkrankungen in Zukunft zu vermeiden?

Im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX sind im konkreten Einzelfall dienstrechtliche oder schulorganisatorische Präventionsmaß-nahmen vorgesehen. Dienstrechtliche Maßnahmen sind beispielsweise die gestufte Wieder-eingliederung in den Berufsalltag, Teilzeiten, Abordnungen oder Versetzungen. Bei den schulorganisatorischen Maßnahmen kommen zum Beispiel Veränderungen des Stunden-plans, Entscheidungen über eine Klassenleitung, Vereinbarungen zu Freistunden oder über den Umfang außerunterrichtlicher Verpflichtungen in Betracht.

Im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes können die an den Schulen durchgeführ-ten Gefährdungsbeurteilungen der Arbeitsplätze gemäß § 5 ArbSchG Anknüpfungspunkte für Maßnahmen sein. Insbesondere bei der regelmäßigen Ermittlung der Gefährdungspoten-ziale der Arbeitsplätze, der Veranlassung der Gefahrenbeseitigung und der Dokumentation von Tätigkeiten steht der überbetriebliche arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische

Dienst umfänglich zur fachlichen Unterstützung der Schulleitungen bereit. Ergänzend dazu wird an den Schulen im Regierungsbezirk Düsseldorf schrittweise eine Erhebung der psycho-sozialen Belastungen der Lehrkräfte durchgeführt, um insoweit zusätzliche Erkennt-nisse über Probleme und Maßnahmemöglichkeiten zu gewinnen. Hierzu wird der sog. COP-SOQ-Fragebogen (Copenhagen psycho-social questionnaire) eingesetzt, der von der unab-hängigen Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin weiterentwickelt wurde, die die Erhebung im Auftrag des Landes durchführt. Es ist beabsichtigt, diese auf weitere Bezirksregierungen auszudehnen.

Die Landesregierung fördert die Gesundheit von Lehrkräften auch über die schulpsychologi-schen Dienste, die es in allen Kreisen und kreisfreien Städten gibt, sowie über das Landes-programm „Bildung und Gesundheit”. Das ist das gemeinsame Programm der Landesregie-rung Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung, der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, des BKK Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, der AOK (AOK Rheinland/Hamburg und AOK Westfalen-Lippe) und der BARMER zur Förderung der integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen und Schu-len.

5. Wie schätzt die Landesregierung die Mehrbelastung ein, die durch die Einfüh-rung eines inklusiven Schulsystems für die Lehrer entsteht?

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist für die Bundesrepublik – und somit auch für die Länder – eine große Aufgabe für alle gesellschaftlichen Bereiche, selbstver-ständlich auch für den schulischen Bereich. Der Weg zu einem inklusiven Schulsystem ist ein langfristiger, mehrjähriger Prozess, der schrittweise, sorgsam, zielgerichtet und nachhal-tig, aber konsequent gegangen wird. Somit handelt es sich nicht um eine technokratische „Einführung”. Der Begriff „Einführung” suggeriert, dass dann in einem zeitlichen Zusammen-hang “Vollzug bzw. Umsetzung” erfolgt und somit die Aufgabe abgeschlossen ist.

Der Weg zu einem inklusiven Schulsystem baut in Nordrhein-Westfalen auf einer langjähri-gen Erfahrungstradition des Gemeinsamen Unterrichts auf und wird nun konsequent weiter entwickelt. Mittlerweile werden in Nordrhein-Westfalen in der Primarstufe und in der Sekun-darstufe I rund 20 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem För-derbedarf integrativ unterrichtet. Folglich hat eine entsprechende Anzahl an Lehrkräften bereits – in unterschiedlichem Ausmaß – Erfahrung mit dem gemeinsamen Lernen. Durch Fort-bildung und andere Unterstützungsmaßnahmen wird dieser Prozess begleitet.

Es liegen keine konkreten Erkenntnisse oder Daten vor, inwieweit ein „inklusives Schulsys-tem” Mehrbelastung und in diesem Zusammenhang Anzeichen von „Burnout-Syndrom” ent-stehen lässt. Hingegen gibt es eine Vielzahl an Erfahrungsberichten von Lehrkräften, die nach anfänglicher Skepsis das Unterrichten im Gemeinsamen Unterricht als gewinnbringend empfinden.

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Wahlkampfnachlese – eine Anfrage der Giordano-Bruno-Stiftung zur Gretchenfrage

Hallo zusammen,

am 05. Juli erreichte mich eine Email von Philipp Möller, dem Pressereferenten der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung GBS über den Requesttracker der Piratenpartei NRW.
Herr Möller hat sich dankenswerterweise damit einverstanden erklärt, dass ich ihm öffentlich in meinem Blog antworte.
Er nahm in seiner Mail Bezug auf ein Telefoninterview, dass ich während des Wahlkampfs Herrn Christoph Schmidt von der katholischen Nachrichtenagentur KNA gegeben habe:

Mailtext P. Möller:

 … Hallo nach NRW,
soeben lese ich folgendes Interview: Link zur KNA

“KNA: Haben Kirche und Religion überhaupt einen Wert für die Piraten?

Paul: … Viele Werte und Ideale der Aufklärung, die unsere heutige Freiheit begründen, entwickelten sich jahrhundertelang unter dem Dach der christlichen Religion.”

Nun möchte ich mich nicht in den evtl. “Shitstorm” einreihen, muss aber doch auf einen kurzen Text unserer FAQs hinweisen:

Link zu Leitbild-Seite der GBS

“7. Sind die Religionen nicht doch notwendig für die Wertebildung?
Es ist eine historisch unumstößliche Tatsache, dass die fundamentalen Rechte, die wir in modernen Rechtsstaaten genießen, überwiegend nicht den Religionen entstammen, sondern in einem erbitterten Emanzipationskampf gegen die Machtansprüche der Religionen durchgesetzt werden mussten. Viele Werte wie etwa Rationalität, individuelle Selbstbestimmung oder Demokratie, die uns heute selbstverständlich erscheinen, wurden bereits im antiken Griechenland und Rom entwickelt, verschwanden aber mit der Machtübernahme des Christentums fast ein Jahrtausend von der Bildfläche. Es bedurfte schon der Renaissance, einer Zeit, in der die antiken Schriften wieder entdeckt wurden, damit sich in Europa langsam wieder die Idee der individuellen Freiheit entfalten konnte.

Auch in der Neuzeit waren es vorwiegend religionskritische Menschen, die die Werteentwicklung (etwa die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Idee der sozialen Gerechtigkeit, die Gewährung von Meinungs- und Pressefreiheit, die Anerkennung sexueller Selbstbestimmungsrechte etc.) voranbrachten. Die Idee der Menschenrechte beispielsweise wurde maßgeblich von dem Religionskritiker Thomas Paine forciert, während eine ganze Reihe von Päpsten dies als “unerträgliche Anmaßung” verdammte. Erst 1961 konnte sich Papst Johannes XXIII. zu einer gewundenen Anerkennung der Menschenrechte durchringen, jedoch hat der Vatikan als einziger Staat in Europa (neben Weißrussland) die Europäische Menschenrechtskonvention bis heute nicht ratifiziert. Nur ein Beispiel unter vielen, das zeigt, dass die Rede von den “christlichen Werten” einer genaueren Betrachtung nicht standhält.”

Ich hoffe also, dass das Interview möglichst selten gelesen wird.

Bedenkt man, dass (1) hierzulande ca. 37% der Bevölkerung konfessionsfrei sind und sich sogar unter Christen (v.a. den zwangskonfessionalisierten und “Papierchristen”) viele für eine Äquidistanz unserer Regierung zu religiösen und anderen esoterischen Gruppen ausspricht und (2) auch andere “Piratenpositionen” unter Konfessionsfreien großen Anklang finden, halte ich euer Potential für enorm und möchte euch daher davor warnen, mit solch sachlich falschen Aussagen ins Horn der Kirchen zu stoßen. Die angebliche Rolle des Christentums bei der Entwicklung unserer heutigen Werte ist genauso falsch wie nützlich für Kirchenfunktionäre, die die massive Subventionierung kirchlicher Einrichtungen durch den Staat aufrechterhalten wollen. (19,29 Mrd. in 2009, die NICHT aus Kirchensteuermitteln stammen und NICHT in soziale Einrichtungen fließen!)

Falls ihr Herrn Paul (oder seinem Referenten?) mal ein paar Hausaufgaben mit nach Hause geben wollt:
 http://www.amazon.de/Violettbuch-Kirchenfinanzen-Staat-Kirchen-finanziert/dp/3865690394
und
http://www.amazon.de/Schatten-%C3%BCber-Europa-Untergang-antiken/dp/3865690750

Obwohl ich den Rest des Interviews sehr gut finde, muss ich euch fragen:
Hat der Mann das aus strategischen Gründen gesagt oder meint er es ernst?

Welche Antwort auf diese Frage wohl die schlimmere ist fragt sich Philipp Möller,
Pressereferent der gbs (und wegen der konsequent säkularen Positionen
entschiedener Sympathisant der Piraten) aus Berlin.

Ende Mailtext P. Möller

Ja, was für eine Steilvorlage! Natürlich habe ich es strategisch ernst meinend aus strategischen Gründen gesagt, denn praktische Politik bedeutet letztlich das Finden von Mehrheiten und Gemeinsamkeiten.

Herr Möller stößt sich ausschließlich an meiner Interviewaussage: “… Viele Werte und Ideale der Aufklärung, die unsere heutige Freiheit begründen, entwickelten sich jahrhundertelang unter dem Dach der christlichen Religion.”, und verweist auf die FAQ der Giordano-Bruno-Stiftung. Den Rest des Interviews findet er “sehr gut”.

Bin ich jetzt deswegen beruhigt? Nein, nicht wirklich. Denn die Verweise auf die üblichen Statements der Giordano-Bruno-Siftung und eben diese Statements selbst zeugen von einem Mangel an dialektischem Denken und von fehlendem Geschichtsbewusstsein, dass mir Angst und Bange werden mag, bei soviel unnötiger Polarisierung. Denn Polarisierung ist keineswegs hilfreich, sie fordert eher religiös-fundamentalistische Kräfte der Remissionierung heraus, als dass sie einer Säkularisierung dient.
Auch mag ich religiösen Eifer nicht, ganz und gar nicht. Damit meine ich das, was Richard Dawkins und religiöse Fundamentalisten gemeinsam haben.
In ganz Europa ist seit den 70er Jahren ein überdeutlicher Trend zur Säkularisierung erkennbar, hoffentlich werden weder Dawkins, noch die Giordano-Bruno-Stiftung noch sonst irgendwelche Brights diesen aufhalten.

Des Weiteren sind die Institution Kirche und “die Religion” nicht dasselbe. Vor den religiösen Gefühlen Einzelner habe ich Respekt, nicht jedoch vor den Institutionen. Allerdings ist deren gesellschaftliche und politische Realität als gegeben hinzunehmen in dem Sinne, dass Politik damit umgehen muss.
Herr Möller nimmt Religion und Kirche in seiner Argumentation aber für synonym. Das ist unzulässig und auch nicht ganz fair. Schon Kierkegaard war hier weiter mit seinem “Der Einzelne und sein Gott”.

Meinen weiteren Argumenten vorweg schicken möchte ich auch, dass ich der Ansicht bin, dass die Blutspur des Monotheismus, die im Grunde schon mit Echnaton – jawohl, mit Echnaton! [1] – im alten Ägypten ihren Anfang nahm, höchstwarscheinlich die längste und breiteste der gesamten Menschheitsgeschichte ist, da gibt es nichts zu beschönigen.
Im Übrigen sind die historisch aus dem Monotheismus folgenden großen politischen Ideologien da mit in die Rechnung hinein zu nehmen. Denn sie haben – ebenso wie die Monotheismen – ihre strukturellen Fundamente in der klassischen, altgriechischen! Identitätsontologie – das ist aber eher ein Thema für einen philosophischen Aufsatz.
Monotheismen haben wie der Name schon sagt einen Alleinvertretungsanspruch für Wahrheit. Der Humanismus – in seiner Rolle als übergeordnetes Prinzip, wie es schon von Foucault kritisiert wird – übrigens auch ….
Nach meiner Auffassung ist der Humanismus heute tot und als Prinzipienausdruck einer europäisch geprägten Hegemonie für eine Weltzivilisation nicht tauglich (-> Vilém Flusser, Michel Foucault, Gotthard Günther u.v.a.) Da hilft es auch nix, wenn man das Adjektiv ‘evolutionär’ davor setzt.

Sicher, manch einer mag die kalte Wut kriegen, bei einem Spaziergang durch das historische Rom, wo von der alten Republik fast nichts mehr übrig ist, alles überdeckt durch Basilika hier und Basilika dort.

Von daher verstehe ich auch Herrn Möllers Link-Empfehlung des unfassbar einseitigen Buchs “Schatten über Europa” von Rolf Bergmeier nicht, die Art und Weise, wie dort der frühe Islam eher gut wegkommt, ist nur ein Beispiel einer ganzen Reihe von einseitigen und verfälschenden Darstellungen, die sich keinesfalls durch historische Quellen belegen lassen. Man mag dazu auch die Rezensionen im Amazon-Buchladen aufmerksam lesen.

Dialektisches Geschichtsverständnis jedoch setzt auf eine nicht-einseitige Interpretation der Prozesse, die zu historischen Entwicklungen geführt haben.
In der Tat ist die Frage interessant, warum der Aufstieg des Christentums und der Niedergang der Antike zeitlich nahezu zusammen fielen. Der von Bergmeier angenommene Ursache-Wirkungs-Zusammenhang entspricht einer eher monokausalen und monokontexturalen Sichtweise und wird dem historischen Prozessgeschehen in keiner Weise gerecht. Zudem bringt er die Schuldfrage, eher ein klassisches Thema der Religionen!, in unzulässiger Weise in einen Kontext der historischen Verantwortlichkeit. Kann das im Sinn einer von der GBS angestrebten humanistischen Gesellschaft sein?

Wie soll es einer Bewegung mit jenseitigem Heilsversprechen gelungen sein, schuldhaft ein Weltreich zu Fall zu bringen?
Eine andere Wahrheit ist, dass Rom ideologisch und mental ‘fertig’ war, es ist langsam verfault. Und dieser Prozess begann mit dem Verlustiggehen des großen Gegners bereits in der Zeit der Römischen Republik, mit dem Fall Karthagos.

Die Geburt der Idee der Freiheit im alten Griechenland hochleben zu lassen, so wie Sie, Herr Möller, dass in ihrer FAQ Nr.7 der GBS tun, einer Freiheit der Wenigen, der 500 reichen Bürger Athens, die auf der Basis einer Sklavenwirtschaft existierten, ist auch eher eine Argumentationsstrategie, die auf Auslassung setzt, oder die Hoffnung, dass der/die Kontrahenden es nicht merken?

Historisch Neues entsteht meist aus der Berührung unterschiedlicher Kulturen, hier dem Konflikt der griechisch-römisch geprägten Antike und dort dem nordafrikanisch-vorderasiatischen Kulturkreis, dessen alte Bezeichnung ‘hamito-semitisch’ konsequenterweise aufgrund ihrer rassistischen Belastung aufgegeben wurde. Die Idee des Jenseits kollidiert mit dem körperlichen Selbstverständnis der griechisch vorgeprägten römischen Kolonialherren. Gleichwohl passte sie in das Schema der griechischen Ontologie, was der eigentliche Religionsstifter Saulus/Paulus sich geschickt zunutze zu machen wusste.
Fest steht auch, die Idee der Null – essentiell für eine als Wissenschaft betriebene und geformte Mathematik – haben die Griechen nicht entwickelt, dafür war ihr Zahlenverständnis zu körperlich. Die Null, so belegen die spärlichen historischen Quellen [2,3], entstand eher im Dreieck Griechenland – Indien – Arabien und kam von dort zu uns. Und in ihrer Folge auch die Idee der körperlosen juristischen Person, so wie sie Eingang in unser vom römischen Recht geprägtes Bürgerliches Gesetzbuch fand. Ob eine kontinuierliche bruchlose Weiterentwicklung der europäischen Antike dorthin geführt hätte, ist als Frage müßig. Obwohl ich wage zu behaupten eher nicht, denn dann hätte die kontinuierlich erfolgende Entwicklung eines anderen zur Zeit der Antike führenden Großreichs ebenfalls dorthin führen müssen, die Chinas. Hat sie aber nicht. Eine Wissenschaft im analytischen Sinn hat China nie entwickelt, sondern irgendwann übernommen, von uns.
Die Mär vom Mittelalter als dem dunklen Zeitalter basiert auf dem romantischen Zeitgeist des 19. Jahrhunderts, dem heute offensichtlich noch viele anhängen. Am Ende der Antike bauten lediglich die Römer mit Stein, am Ende des Mittelalters ganz Europa. Es sind die kleineren, praktischen Techniken wie z.B. die Erfindung der Brille gewesen, die das Mittelalter ausmachen und dort eine weit über die Antike hinausgehende Verfeinerung erfuhren. Hexenverbrennungen und Verfolgungen sind im Übrigen ein Phänomen der Renaissance und der frühen Neuzeit.

An dem unauflöslichen Widerspruch des Clashes zwischen den beiden Kirchendogmen ‘die Bibel hat recht’ und ‘Aristoteles hat recht’ entzündete sich der Verstand der Prä-Wissenschaftler-Mönche des Mittelalters, die allmählich begannen, sich anstatt vor Gott über die Dinge zu beugen – sie sind die wahren Ahnen unserer modernen Naturwissenschaft. Noch Newton spricht vom Raum als dem Sensorium Gottes und in der klassischen Mechanik gibt es den Begriff der kanonischen (gott-gewollten) Transformation. Thomas von Aquin kann mit seiner Forderung, sich nicht auf die arabischen Kommentare zu verlassen, sondern die alten Griechen selbst ins Lateinische zu übersetzen, als früher Initiator der Aufklärung verstanden werden, eine eher dialektische Interpretation, die weder Benedikt XVI noch Richard Dawkins gefallen mag, dafür aber mir.

Die Renaissance – verstanden als Wiedergeburt der Antike – war eigentlich ein Witz. Wäre die Antike tatsächlich wiedergeboren, gäbe es immer noch keinen Buchdruck, keinen Albertus Magnus, keinen Abaelard, keinen William von Ockham, keinen Hugo de Groot und sein Völkerrecht, keinen Nikolaus von Kues, keine Orgel, keine Bach-Musik und keine Klassik, keinen Newton, keinen Leibniz und schon gar keine modernen Naturwissenschaften und auch nicht die Gedanken zur menschlichen Freiheit eines Schelling.

Oswald Spenglers ‘Untergang des Abendlandes’ – wenngleich umstritten – kann hier lehrreich sein im Entwickeln eines Verständnisses für historische Prozesse. Was Arnold Toynbee recht ist, kann mir billig sein. Was? Der Pirat wagt es, diesen rechtskonservativen Kerl zu erwähnen? Ja, und die Legitimation dafür hole ich mir beim linken Adorno: “Spengler hat kaum einen Gegner gefunden, der sich ihm gewachsen gezeigt hätte: das Vergessen wirkt als Ausflucht”.

Des Weiteren verweise ich darauf, dass es bereits vor einiger Zeit einen Briefwechsel zwischen meinem geschätzten Freund und ehemaligem akademischen Lehrer, Herrn Eberhard von Goldammer und Herrn Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung gegeben hat. Der letzte Brief von Herrn von Goldammer wurde von Herrn Schmidt-Salomon bis heute nicht beantwortet. Der Briefwechsel kann hier nachgelesen werden.
Profunde Religionskritik beginnt heute mit John Leslie Mackie – dessen Name auf der HP der Giordano-Bruno-Stiftung nicht einmal erwähnt wird – und hört mit Gotthard Günther lange nicht auf. Es steht zu befürchten, dass die GBS hier die philosophische Auseinandersetzung auf gehobenem Niveau scheut.

Wer nach der katholischen Sexualmoral lebt, entwickelt schlimmstenfalls eine ecclesiogene Sexualneurose, ein Psychiater kann da in der Regel helfen. Wer allerdings Wissenschaft – in der die Prinzipien der begrenzten Gültigkeit und das des korrigierbaren Erkenntnisfehlers regieren – zum Glauben macht, läuft Gefahr, gleich ein Fall für den Pathologen zu werden.

Wer der Vernunft Altäre baut, verrät nicht nur die Vernunft, sondern unser Konzept von Rationalität und Wissenschaft insgesamt.

In diesem Sinne,

Nick H. aka Joachim Paul

Quellennachweise

[1] Assmann, Jan; Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. 2000
[2] Borst, Arno; Computus – Zeit und Zahl in der Geschichte Europas, Berlin 1990
[3] Kaplan, Robert; Die Geschichte der Null, München 2003

 

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Bewerbungsschluss am 12. August 2012

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PM: Verantwortungslose Politik zeigt Folgen

MdL Stein: Verantwortungslose Politik zeigt Folgen

„Diese Einschätzung von Moody’s ist ganz klar ein schlechtes Zeugnis für den bisherigen Umgang mit öffentlichen Geldern in NRW. Sie zeigt die Verantwortungslosigkeit der rot-grünen Landesregierung im Umgang mit Steuergeldern. Hier werden der desaströse Umgang mit der WestLB und die fehlenden nachhaltigen Sparbemühungen sehr deutlich. Vor allem bereitet mir Bauchschmerzen, dass durch diesen schlechteren Ausblick von Moody’s die Zinsen höchstwahrscheinlich steigen werden und sich die Schuldenspirale weiter verschärft.

Wir müssen jetzt endlich die NRW-Kommunen entlasten, indem wir den Bund stärker in die Pflicht nehmen. Nur so werden wir dauerhaft die Finanzen in NRW in den Griff bekommen können.“

 

Verantwortlich für diese Pressemitteilung:
Piratenfraktion im Landtag NRW, Pressesprecher Ingo Schneider, presse [ at ] piratenfraktion-nrw.de
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