NRW braucht eine Überwachnungsgesamtrechnung

Abgerechnet wird zum Schluss

Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss, zur heutigen Auswertung der Anhörung der Sachverständigen zu dem Antrag der Piratenfraktion „Überwachungsgesamtrechung vorlegen: Transparenz über Situation der Freiheiten in unserer Gesellschaft schaffen!“:

Die Sachverständigen haben die im Antrag der Piratenfraktion geforderte kritische Evaluation von Grundrechtseingriffen in NRW als notwendig erachtet.

 

Die durch den Bundestag und den Landtag NRW beschlossenen Anti-Terrormaßnahmen schränken die Grundrechte der Bürger in NRW immer weiter ein. Und das Fass ist bereits voll. Daher müssen wir alle Maßnahmen in ihrer Gesamtheit betrachten. Jede weitere Überwachungsmaßnahme bringt das Fass zum Überlaufen.

 

Mit der Überwachungsgesamtrechnung wollen wir den Pegel der aktuellen Überwachung feststellen. Ich bedauere, dass angesichts der Vorratsdatenspeicherung, umfassender Videoüberwachung und dem neuen BND-Gesetz die Fraktionen der SPD und der Grünen nicht einmal eine solche Bewertung befürworten. Stattdessen möchten sie sogar die Evaluation des Landesdatenschutzgesetzes streichen.

Getagged mit:
Veröffentlicht unter Homepage, Innenausschuss (A09), Pressemitteilungen

Kein Blanko-Scheck für eine ‚Infrastrukturgesellschaft Verkehr‘ – NRW muss drohender Privatisierung der Autobahnen jetzt einen Riegel vorschieben!

I. Sachverhalt

Kürzlich haben sich Bund und Länder nach jahrelangen Verhandlungen auf eine grundsätzliche Neuordnung ihrer künftigen Finanzbeziehungen verständigt (“Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020”). Im Rahmen der Neuregelung des Finanzausgleichs wurde auch die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes, auch Bundesautobahngesellschaft genannt, mitverhandelt.

Der Beschluss vom 14. Oktober 2016, dem alle Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern zugestimmt haben, hält unter Spiegelstrich B.) 1.) “Infrastrukturgesellschaft Verkehr” fest: “[…] Es soll eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr eingesetzt und das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dazu entsprechende Ermächtigungen in Art. 90 GG. Eckpunkte für die Ausgestaltung sind festzulegen (u.a. Zeitplan, Regelungen in der Übergangsphase, Übergang von Personal-, Pensions- und Sachmitteln). Dabei sollen die Interessen der Beschäftigten hinsichtlich Status, Arbeitsplatz und Arbeitsort beachtet werden. Die Personalvertretungen werden eingebunden.”

Gegenstand der Vereinbarung waren darüber hinaus mehrere andere Themenfelder angefangen von der Stärkung der Rechte des Bundes bei der Steuerverwaltung über eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses bis hin zur Schaffung der besagten Infrastrukturgesellschaft Verkehr auf Bundesebene. Auch wenn man bei einem solchen vielschichtigem und komplexen Verhandlungspaket schwerlich abschätzen kann, welche konkreten Vereinbarung letztlich herauskommen werden, ist es umso wichtiger, jetzt schon den Verhandlungskorridor an akzeptablen Verhandlungslinien festzulegen. Denn das Land NRW hat als Transitland Nr. 1 in Deutschland ein virulentes Interesse daran, eine gut erhaltene und für jedermann zugänglich Autobahn – und Bundesfernstraßeninfrastruktur vorzuhalten. Weiterlesen ›

Getagged mit: ,
Veröffentlicht unter Anträge, Bauen, Wohnen und Verkehr (A02)

Aufnahme und echter Schutz für syrische Flüchtlinge!

I. Sachverhalt

Am 17. März 2016 trat das „Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“ in Kraft. Auch der Landtag NRW debattierte am 3. März aus Anlass des Piraten-Antrags „Schutzsuchende aufnehmen, nicht abwehren: NRW lehnt das Asylpaket II ab“ über das sogenannte Asylpaket 2. Die Fraktion der Piraten warnte neben vielen weiteren Verschlechterungen für Schutzsuchende insbesondere davor, dass die Einführung des Gesetzes dazu führen könne, dass die Zahl der Geflüchteten, die lediglich einen subsidiären Flüchtlingsschutz durch das BAMF erhalten, steige. Nicht zuletzt wurde von Rednern angemahnt, dass dies nicht zuletzt syrische Kriegsflüchtlinge treffen könne. Leider hat sich diese Annahme bewahrheitet, und immer mehr Menschen müssen die unerträgliche humanitäre Härte erleiden, dass sie getrennt von ihrer Familie leben müssen. Pro Asyl machte bereits im Mai auf die steigenden Fälle aufmerksam und schreibt: „Alleine im April wurden ca. 21.000 Entscheidungen zu Syrien getroffen, davon wurde in knapp 3.500 Fällen subsidiärer Schutz gewährt. Die aktuelle Tendenz zeigt, dass im Jahr 2016 mit deutlich mehr Entscheidungen über subsidiären Schutz zu rechnen ist als 2015. Die Folge: Betroffene SyrerInnen sind vom Familiennachzug Längerfristig ausgeschlossen.“ Im Jahr 2015 erhielten syrische Flüchtlinge hingegen in nahezu 100 Prozent der Fälle die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Seit April ist diese Zahl immer weiter gesunken: Im Juni 2016 erhielten 46 Prozent der syrischen Schutzsuchenden nur noch subsidiären Schutz und im August 2016 bereits rund 70 Prozent. Dabei hatte die SPD damals im Zusammenhang mit der Einführung des Gesetzes erklärt, dass syrische Flüchtlinge von diesem erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Familie nicht betroffen sein sollten.   Weiterlesen ›

Getagged mit: ,
Veröffentlicht unter Anträge, Innenausschuss (A09)

Praxissemester entlohnen und Lehrerausbildung optimieren

I. Sachverhalt

Die nordrhein-westfälische Lehrerausbildung ist über Jahre gewachsen und wurde durch immer fortschreitende Aufgabenerhöhung an alle Beteiligten an der Lehrerausbildung geradezu überfrachtet. Durch die Umstellung auf Bachelor/Masterstudiengänge und die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 18 Monate bei gleichzeitiger Etablierung eines Praxissemesters sind die Anforderungen für die angehenden Lehrerinnen und Lehrer gestiegen. Dies wird noch durch die Herausforderungen und die Implementierung von digitaler Bildung, Inklusion und Heterogenität der Schülerinnen und Schüler verstärkt.

Die Erhöhung der Studienplätze und die gestiegenen Bedarfe an gut ausgebildeten Lehrkräften werden gerade die  Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfSL) vor enorme logistische und personelle Herausforderungen gestellt. Gerade diese Zentren sind im Hinblick auf die Bewältigung der Praxissemester nicht genügend finanziell und personell ausgestattet worden.

Daraus ergeben sich dringende Handlungsbedarfe, die mit einer Neustrukturierung der ZfSL und einer zusätzlichen besseren Betreuungsrelation an den Universitäten einhergehen müssen. Weiterlesen ›

Getagged mit: ,
Veröffentlicht unter Anträge, Schule und Weiterbildung (A15)

Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen – Absenkung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre

Artikel 1

Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950 (GV. NRW. S.127), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 442), wird wie folgt geändert:

Artikel 31 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

“Wahlberechtigt ist, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat.”

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 15. Mai 2017 in Kraft.

Begründung

Art. 31 Absatz 2 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen lautet:

„Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat.“

Dadurch sind 16- und 17-Jährige von den Wahlen zum Landtag von Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen. Dafür besteht kein überzeugender Grund mehr.

Demokratische Staaten sind u.a. durch den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass jeder das Recht hat, an Wahlen zu Parlamenten teilzunehmen. Der Ausschluss von Wahlen bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Eine solche ist aber beim Ausschluss der 16- und 17-Jährigen vom aktiven Wahlrecht zum Landtag nicht erkennbar. Weiterlesen ›

Getagged mit: ,
Veröffentlicht unter Anträge

Salafismus Prävention in NRW

Es ist fünf nach zwölf – Landesregierung handelt nicht

NRW braucht ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Prävention von Radikalisierungen. Dazu gehört der gewaltbereite Salafismus. Die heutige Anhörung im Innenausschuss zum Antrag der Piratenfraktion NRW hat bestätigt, dass endlich eine Aktivität der Landesregierung erforderlich ist.

Im Rahmen der Anhörung sprachen sich mehrere Sachverständige für die Forderungen des Antrages aus: es müsse je nach Fall ein praxisorientiertes ´Bündel´ an Handlungsoptionen geschnürt werden. Weiterhin sei es notwendig, situationsabhängig Netzwerke und Träger auszuwählen und sich dabei nicht nur auf religiöse Dach-Verbände zu stützen. Fachlichkeit stehe hier vor religiöser Zugehörigkeit der Akteure. Weiterlesen ›

Getagged mit: ,
Veröffentlicht unter Homepage, Innenausschuss (A09), Pressemitteilungen

Demokratiefeindlichkeit im journalistischen Wort

Auf die Frage, wann eine Demokratie als gefestigt angesehen werden kann, gaben Juan Linz und Alfred Stepan 1996 [1] eine bestechend einfache Antwort: Eine Demokratie ist dann gefestigt, wenn sie „the only game in town“ ist. Eine alarmierende Langzeitstudie von Roberto Stefan Foa und Yascha Mounk [2] belegt, dass sie das weder in Europa noch in den USA jemals war. Autoritäre Regierungssysteme bis hin zur Militärdiktatur fanden immer ein erstaunlich hohes Maß an Zustimmung in der Bevölkerung. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Demokratiefeindlichkeit innerhalb der Gesellschaft laut Foa & Mounk aber spürbar gewandelt. Es sind nicht mehr primär die sozial Benachteiligten, die sich nach einer autoritären Führung sehnen. Der Wunsch nach einer „starken Führung“, die sich „nicht um Parlamente und Wahlen kümmern muss“, ist inzwischen im oberen Einkommenssegment der Gesellschaft besonders stark ausgeprägt (ebd.). Es kann nicht verwundern, dass dieser Trend auch in der medialen Berichterstattung seinen Niederschlag findet. Führende Journalisten gehören nicht nur dem gut situierten bürgerlichen Milieu an, sie stammen fast ausnahmslos auch aus diesem Milieu. Dafür gibt es viele Gründe. Ein nahe liegender Grund ist sicher der, dass der lange Ausbildungsweg über teure Journalistenschulen und unbezahlte Volontariate einen entsprechenden finanziellen Hintergrund der Familie fast zwingend voraussetzt. Warum diese lange Vorrede? Im Wesentlichen deshalb, um deutlich zu machen, dass es hier nicht um wüste Verschwörungstheorien einer von finsteren Mächten gesteuerten „Lügenpresse“ geht, wie sie in rechten Kreisen von Pegida bis AFD verbreitet werden. Journalisten können in Deutschland vielleicht nicht absolut frei arbeiten, aber in jedem Fall deutlich freier als (fast) überall sonst auf der Welt. Wenn ihre Berichterstattung demokratiefeindliche Ressentiments erkennen lässt, so ist dies nicht Ausdruck einer von wem auch immer ausgeübten Zensur. Vielmehr ist es Ausdruck eines Denkens, das Effizienz zum wichtigsten Maßstab allen Handelns erklärt und dem lange demokratische Meinungsbildungsprozesse zu ineffizient erscheinen.

Beispiel CETA

Es soll hier nicht um eine inhaltliche Diskussion von CETA gehen. Dies wäre sicher auch ein interessantes Thema, aber dafür bleibt andernorts genügend Raum. Hier soll es um die Berichterstattung der Medien über das zwischenzeitlich von der Regionalregierung der Wallonie eingelegte Veto gehen. Inhaltliche Aspekte spielten in dieser Berichterstattung allenfalls eine untergeordnete Rolle. Der Tenor der Berichterstattung lautete, dass drei Millionen Wallonen nicht blockieren dürfen, was 500 Millionen Europäer wollen – wer immer die 500 Millionen auch danach gefragt haben soll! Außerdem wurde beklagt, dass Europa sich international lächerlich mache und als Verhandlungspartner nicht mehr ernst genommen werde. Unmissverständlich drückt sich beispielsweise Spiegel Online aus: „Die Ceta-Blockade der Wallonen ist für die EU eine Blamage ersten Ranges, sie verliert einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit in der internationalen Handelspolitik.“ [3] Diese Berichterstattung ist angesichts der Vorgeschichte schwer nachvollziehbar. Zur Erinnerung: Ursprünglich sollte CETA als rein europäisches Abkommen beschlossen werden. In diesem Fall hätte das EU-Parlament als einziges Parlament darüber abstimmen müssen. Es waren nicht die Wallonen, die dagegen Einwände erhoben! Stattdessen waren es große Länder wie Deutschland, die eine Beteiligung der nationalen Parlamente forderten. Bemerkenswert ist, dass seitens der Medien die Beteiligung der nationalen Parlamente nahezu einhellig als Gewinn für die Demokratie begrüßt wurde, solange man davon ausging, dass CETA glatt durchgewunken werde. Sie waren geradezu berauscht von der Vorstellung, der Welt ein Europa zu präsentieren, dass sich in freien und demokratischen Abstimmungen geschlossen hinter seiner politischen Führung vereinigt. Wütend wurde sie erst, als der als großes demokratisches Schauspiel konzipierte Prozess unerwartet in einen wirklichen Prozess demokratischer Willensbildung umschlug. Und genau darum handelt es sich! Denn es gibt nicht den Hauch eines Hinweises darauf, dass die wallonische Regierung nicht im Sinne und im Interesse ihrer Bürger gehandelt habe. Bemühen Sie bitte eine Suchmaschine um zu sehen, in wie vielen Medien die Regierung der Wallonie deswegen als „Provinzfürsten“ beleidigt wurde! Im Zentrum der Kritik steht dabei der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette, der hauptberuflich übrigens Hochschullehrer für EU-Verfassungsrecht ist und irgendwelcher diesbezüglicher Belehrungen durch Journalisten sicher nicht bedarf. Er gehört der sozialistischen Partei an und ist einer der schärfsten Kritiker der europäischen Austeritätspolitik. Magnette hat stets die Auffassung vertreten, die EU müsse mehr sein als ein „großer Markt“. Seine Positionen weisen Überschneidungen mit denen von Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien auf, die von den deutschen Medien regelmäßig als „Linkspopulisten“ diffamiert werden.

Effizienz als alleiniger Maßstab

Kaum eine Zeitung oder ein Sender erhebt Einwände gegen die inhaltlichen Änderungen, die von der Wallonie erreicht wurden. Vielmehr treibt die Medien ausschließlich die Sorge um die Effizienz europäischer Entscheidungsprozesse um. Nicht selten folgt der Hinweis auf „die Asiaten“ oder insbesondere „die Chinesen“, die „nicht auf uns warten“. Hier ist es wieder! Das Loblied auf die nicht von Bürgern und Parlamenten behinderten effizienten Entscheidungswege, das auch Foa & Mounk dokumentiert haben. Nun ist die Kritik an der mangelhaften Effizienz demokratischer Entscheidungen nicht neu. Sie ist im strengen Sinn auch nicht falsch. Die Sozialwahltheorie (siehe z.B. [4]) hat sogar mathematisch bewiesen, dass demokratische Entscheidungen weder optimal noch effizient sein können. Ein einfaches Argument dafür ist auch ohne detaillierte Überprüfung nachvollziehbar: Würde jeder Wähler die Programme aller kandidierenden Parteien detailliert dahingehend analysieren, welche Partei seine Interessen optimal vertritt, stünde der Aufwand dafür in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen. Aus diesem und aus anderen demokratietheoretischen Problemen zogen schon immer einige radikale Theoretiker den Schluss, dass die Demokratie eine Fehlkonstruktion sei, die überwunden und durch eine an wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen orientierte Staatsform ersetzt werden müsse. Allmählich sickert diese Form der Demokratiefeindlichkeit in den journalistischen Mainstream ein. Diese Demokratiefeinde in den Medien hassen die Demokratie nicht, sie lehnen sie nicht einmal ab. Sie halten sie eher für einen lieb gewonnen Luxus, den man sich leider nicht mehr leisten kann.

[1] http://wikisum.com/w/Linz_and_Stepan:_Problems_of_democratic_transition_and_consolidation
[2] http://www.journalofdemocracy.org/sites/default/files/Foa%26Mounk-27-3.pdf
[3] http://www.spiegel.de/politik/ausland/ceta-die-wallonie-blamiert-die-eu-wie-es-jetzt-weiter-geht-a-1118075.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialwahltheorie

Wichtiger Hinweis: Diesen Artikel haben wir über die Crowdworker-Plattform textbroker.de erstellen lassen. Der Autor „avalon64“ hat dort die Höchstbewertung. Der Artikel hat 58,85 € netto gekostet.

Torsten Sommer - Bürgerrechte muss man wählen!

Veröffentlicht unter Persönliche Blogposts

Expertengespräch zum Antrag “Neubau nukleares Zwischenlager Jülich”

Das Expertengespräch heute 2016-11-02 zu unserem Antrag „Amerika, Ahaus, Jülich: 152 Castoren brauchen ein Lager wo sie sind – abschieben ist keine Lösung“ (Drucksache 16/12105) im Wirtschaftsausschuss ergab, dass ein Neubau des Zwischenlagers in Jülich die vernünftigste Lösung ist/

Warnung: Dieser Blogbeitrag wird etwas länger, die Materie ist speziell und komplex und die (Un-)Verantwortlichen haben im Laufe der Zeit ein ziemliches Kuddelmuddel angerichtet.

Wir wollen, dass in Jülich ein Lager für die dortigen 152 Castor-Behälter mit insgesamt rund 300.000 hochradioaktiven Brennelementkugeln gebaut wird. Das Lager soll schnellstmöglich und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik errichtet werden, so dass es den Anforderungen an Erdbebensicherheit auch bei Bodenverflüssigung und den Sicherheitsanforderungen des Schleswiger Urteils zum Zwischenlager Brunsbüttel genügt. Die Landesregierung muss ohnehin laut einer Vereinbarung mit der Bundesregierung 30 Prozent der anfallenden Kosten mittragen – egal was beschlossen wird. Ihren Einfluss aufgrund dieser Vereinbarung soll sie nutzen, die oben genannten Punkte durchzusetzen.

In Jülich lagert lange schon der Atommüll aus dem dortigen Kugelhaufenreaktor. Aufgrund einer über Jahrzehnte vertuschten und erst vor kurzem bekannt gewordenen schweren Havarie 1978 ist der Abfall hoch problematisch. Der von uns beigezogene Experte Dr. Rainer Moormann, der dort selbst lange Jahre arbeitete und ein exzellenter Kenner der Materie ist, führte aus: „Grosse Anteile des radioaktiven Inventars befinden sich bei vielen Kugeln nicht mehr in den beschichteten Brennstoffpartikeln, sondern sind unerwünscht in den porösen Graphitmantel der Kugeln gewandert – und dann teilweise in den Behälter. Kugelgraphit ist brennbar. Das Inventar der einzelnen Jülicher Castoren ist nur ungenau bekannt.“

Das Zwischenlager Jülich hatte eine befristete Betriebsgenehmigung und reichte für den erneuten Antrag unvollständige Unterlagen ein. So war der Antrag trotz Nachbesserungsaufforderungen nicht genehmigungsfähig, die Betriebsgenehmigung erlosch, danach wurde das Lager aufgrund von halbjährlich befristeten Anordnungen betrieben. Gleichzeitig gab es Verhandlungen mit den USA zur Übernahme nicht nur des Jülicher Materials, sondern auch des in Ahaus lagernden Mülls aus dem THTR 300 in Hamm.

„Im Jahre 2007 sah man bereits Schwierigkeiten bei der Nachrüstung in Jülich“, teilte der Experte Rudolf Printz, technischer Geschäftsführer des Betreibers JEN, in der heutigen Ausschusssitzung mit. Seit längerem war bekannt, dass die ursprüngliche Annahme, es seien keine Erdstöße stärker als 6,5 im Gebiet zu erwarten, verkehrt ist. Zusätzlich konnte ein neues Gutachten die Gefahr von Bodenverflüssigungen bei starken Erdstößen nicht ausschließen. Das neueste Gutachten bezweifelt das jedoch wieder. Die Düsseldorfer Aufsichtsbehörde ordnete im Jahre 2014 die unverzügliche Räumung des Lagers an und gab den Betreibern auf, die möglichen Optionen zu prüfen. Diese sind:

Neubau eines Lagers am Ort
Transport ins Zwischenlager Ahaus
Export in die USA

Die Prüfung dieser Optionen ist noch nicht abgeschlossen.

Die Optionen im Einzelnen:

Der Export in die USA ist sicher die schlechteste Option. Es gibt weltweit keine Anlage, die das Material aus Jülich (und auch Hamm) wieder aufarbeiten und für eine Endlagerung konditionieren kann. Die vorgesehene Militäranlage Savannah River Site strahlt neben Radioaktivität auch den nostalgischen Charme der 1950er aus und wäre in Europa wohl längst ein Industriemuseum. Entwicklung und Bau der notwendigen Anlagen müssten zum großen Teil von Deutschland, auch NRW, bezahlt werden. Der Transportweg ist lang, in Deutschland über Land, dann über den Atlantik. Dr. Moormann legte dar, dass das Material aus Hamm für die USA interessant ist, weil es 77 – 78 % Uran-235 enthält, das besser zum Atombombenbau geeignet ist als Plutonium. Das Graphit, radioaktiv wegen des hohen Gehalts an Kohlenstoff-14, soll zu Kohlendioxid vergast und in die Atmosphäre entlassen werden, würde also die Umgebung kontaminieren. Der Beirat vor Ort sprach sich bereits vor einigen Wochen gegen diese Option aus. Auf das lange angekündigte Ergebnis der dortigen Umweltverträglichkeitsprüfung warten alle nach mehreren Verschiebungen immer noch. Man hatte bei der MOX-Bearbeitung in Savannah eine Kostenexplosion erlebt und wünscht jetzt eine höhere technische Sicherheit vor Vertragsabschluss.

Ein Export von Atomabfall aus Leistungsreaktoren, die zur Erzeugung von Strom dienten, ist ohnehin nach deutschem und EU-Recht verboten. Beide Reaktoren, Jülich wie Hamm, waren Leistungsreaktoren zur Stromerzeugung. Sie dienten nicht der Neutronenerzeugung, wie Forschungsreaktoren es tun.

Transport nach Ahaus: Im dortigen Zwischenlager lagert der Atommüll aus dem THTR 300 in Hamm in baugleichen Castoren wie in Jülich. Die Vorbereitungen für den Transport begannen laut heutigem Expertengespräch im Jahre 2009, als die Betreiber der beiden Zwischenlager einen Vertrag schlossen. Im September 2009 wurde ein Aufbewahrungsantrag gestellt, im Oktober 2010 ein Transportantrag. Als die USA-Option im Jahre 2012 ins Spiel kam, wurden beide Anträge ruhend gestellt und zwei Jahre später wieder zum Leben erweckt. Inzwischen gibt es eine Einlagerungsgenehmigung aus 2016, aber eine Transportgenehmigung ist wegen geänderter Rechtslage noch nicht in Sicht. Der Experte Rudolf Printz sagte heute, er rechne nicht mit einem Transport 2017. Das Lager Ahaus wird zur Zeit noch ertüchtigt. Die Betriebsgenehmigung ist bis 2036 befristet, der Ansiedlungsvertrag schließt einen Neubau danach dort aus. Dieses Lager muss also spätestens in 20 Jahren ebenfalls geräumt werden. Der Ahauser Stadtrat ist entschieden gegen eine Verlängerung und auch gegen die Einlagerung des Jülicher Mülls dort. Ahaus möchte nicht zu einem schleichenden Endlager werden.

Die zweimal gestellte Frage nach den vorhandenen Lastwagenkapazitäten für die Castor-Transporte, von der die Anzahl der Fahrten abhängig ist, wurde bezeichnenderweise nicht beantwortet.

Jülich: Dort hat der Betreiber JEN mittlerweile einen Antrag auf Zwischenlagerung für drei Jahre gestellt. Die Frist würde ab Antragsgenehmigung laufen und Zeit für die weitere Prüfung der Optionen und Durchführung der Räumung bringen. Da es sich um eine Neugenehmigung und keine Verlängerung handelt, gelten schärfere Regeln. Ein Änderungsgenehmigungsverfahren war wegen geänderter Lastannahmen, besonders für Erdbeben, nicht möglich. Das zuständige Bundesamt für kerntechnische Entsorgung übersandte im Sommer 2016 eine Liste mit offenen Punkten, die inzwischen beantwortet wurde und in Fachprüfung ist.

Der durch die Havarie 1978 verseuchte Reaktorkern, selbst gefährlicher Atomabfall, wird auf unabsehbare Zeit noch in Jülich bleiben. Dessen sichere Lagerung dort muss ohnehin gewährleistet werden, ganz egal, was mit den Castoren und den darin gelagerten Kugeln geschieht. Ein neues neutrales und umfassendes Gutachten zu Erdbeben und eventuellen Bodenverflüssigungen muss schnell in Auftrag gegeben werden und der erste Schritt zur Planung eines sicheren neuen Zwischenlagers dort sein. Die anderen beiden Optionen erweisen sich heute schon als nicht sinnvoll (Ahaus) oder gefährlich und illegal (USA).

Getagged mit: , , , ,
Veröffentlicht unter Hanns-Jörg Rohwedder, Persönliche Blogposts

Antrag mit AStA-Vertretern: Lehrerausbildung fair entlohnen

titelbild

Politisch engagierte junge Leute werden oft mit einem “Es ist so toll, dass sich junge Leute so engagieren” abgespeist, ohne dass jemand ihre Forderungen ernst nimmt. Echte Bürgerbeteiligung sieht anders aus. Das hat sich auch die Piratenfraktion NRW gedacht und hat drei Vertreter großer Allgemeiner Studierendenausschüssen (AStA) in die Fraktionssitzung eingeladen – um danach mit ihnen zusammen an einem Antrag zu schreiben.

Weiterlesen ›

Getagged mit: , , , ,
Veröffentlicht unter Blogbeitrag, Homepage

Ketzerische Anmerkungen zur sprachlichen Verwüstung im deutschen Fernsehen

robot-161367_200Im Titel ihrer letzten Sendung vom 30.10.2016 fragt Anne Will: „Schöne neue Arbeitswelt – Ist der Computer der bessere Mensch?“ Und schon hier im Titel offenbart sich das ganze Ausmaß einer um sich greifenden begrifflich-sprachlichen Verwüstung, denn es werden ein weiteres Mal die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen, Computer und Mensch.

Ja ich weiß, vrdmmt, es musste ja ein Bezug zum vorher gelaufenen Tatort hergestellt werden, aber das ist mir – mit Verlaub – scheißegal.

Im Verlauf der „Debatte“ wurde dann dem Titel entsprechend konsequent und vermehrt – um es vorsichtig zu sagen – daneben gegriffen.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner argumentierte – was zu erwarten war, hart an der wirtschaftsliberalen „Binse“ [FAZ Feuilleton 01.11.2016, Wird die Würde des Menschen maschinenlesbar?], die SPD-Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, wehrte sich gegen einen entmenschten Einsatz von Robotern beispielsweise in der Pflege, Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer Bitkom e. V., sah mit Empathie ausgestattete Roboter – wooaaah – erst weit in der Zukunft und Internet-Erklärbär Sascha Lobo fetzte sich mit dem neurologischen Faktotum des Technologie- und Kulturpessimismus, dem Erfinder der digitalen Demenz, Herrn Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer („Sie haben keine Ahnung!“, „Nein Sie, schöne Frisur übrigens!“). Huuaaah.

Der klügste Satz des Abends stammte von Sascha Lobo – ich glaube an die Adresse von Leni Breymaier gerichtet, habe aber keine Lust, mir das nochmal anzusehen -: „Man meint den Kapitalismus und schlägt auf die Technologie ein.“ Und das war es auch schon.

Hey, dabei hätte ich es schön gefunden, wenn Lobo und Lindner sich zum Thema Kapitalismus und Technologie ein wenig mehr miteinander – auseinander gesetzt hätten, aber dazu kam es nicht, denn der Rest der „Debatte“ wurde vom Faktotum und seiner Auffassung von der digitalen Vergiftung des Gehirns vor der wir unsere Jugend unbedingt schützen müssen bestimmt. Leider.

menschen_roboter_445An die Adresse von Herrn Spitzer gerichtet hätte ich da mal eine Frage. Ich kenne einen jungen Mann, mittlerweile 25, der im Alter von vier Jahren von seiner Mutter einen fetten PC, einen Pentium, hingestellt bekam, mit Internet und allem Pipapo. Sein Vater fand das übrigens nicht so gut. Und der Junge spielte Games, lernte Basic und schaute youtube-Videos, korrigierte in der Folge am Gymnasium die Aussprache seiner Englischlehrerin, machte sein Abitur und sitzt heute an seinem Master in Physik an einer deutschen Universität. Ach ja, die Frage an Herrn Spitzer: „Was haben die Eltern falsch gemacht?“

Spätestens seit Marshall McLuhan wissen wir, wir Menschen bauen uns um durch Technologie. Technik ist das Mittel, um einen Zugriff auf die Welt zu erlangen, den wir verloren haben, seit unsere Vorfahren im ostafrikanischen Becken vom Baum gefallen sind, weil die Baumdichte umweltbedingt abnahm.

Diese Vorfahren haben dann – warum zum Geier auch immer – sich aufgerichtet und die Hände verloren den Kontakt zum Boden und zu den Baumästen. Sie nahmen alsbald Steine in die Hand, die linke Hand hielt einen Stein und die rechte einen anderen. Mit diesem schlug die Rechte auf den Stein in der Linken ein, um ihn zu schärfen. Dabei machte sich der vorsteinzeitliche User zum Rechtshänder! Und er hat das nicht beabsichtigt. Wäre Herr Spitzer damals Berater dieses Australopithecus afarensis gewesen, hätten wir wahrscheinlich nicht mal Faustkeile entwickelt. Hö.

Andererseits argumentiert Herr Spitzer ja gegen jegliche Bildschirmgeräte, so auch gegen Navigationssysteme. In einer seiner Publikationen – nein, ich nenne die die Quelle nicht, das kann man googeln – oder besser, DuckDuckGo-en, erzählt er von Untersuchungen an Londoner Taxifahrern aus der Zeit vor den Navis, die alle über einen unnatürlich stark vergrößerten Hippocampus verfügten. Das ist eine Hirnregion, die funktionell u.a. für die Orientierung im Raum verantwortlich ist. Also vergrößert durch die berufliche Aufgabe und durch Training. Unser Gehirn ist hoch plastisch und flexibel. Das ist toll. Und nun wird, sehr zum Ärger von Herrn Spitzer, diese Aufgabe von Navis übernommen. Kein „natürliches“ London und keine „natürlichen“ Taxifahrer, booah.

Welche anderen Aufgaben der Hippocampus übernehmen könnte, diese Frage stellt Herr Spitzer nicht, weil er – als Hirnforscher, der dauernd auf irgendwelche computerproduzierten Bildchen des menschlichen Hirns starrt – unserem Gehirn nicht vertraut. Das ist traurig. Sehr traurig.

Also, siehe oben, keine Faustkeile. Und keinen Buchdruck und keine Dampfmaschinen. Wir sind nicht unsere Technik, aber wir spiegeln uns in ihr in der Welt. Und – hallo ARD – es macht keinen Sinn, Menschen mit Computern oder Robotern zu vergleichen. What an annoying bullshit!

Unsere schöne deutsche Sprache ist ein hervorragendes Analyse- und Denkinstrument, chirurgisches Seziermesser und Präzisionskleber zugleich. Also benutzt sie, anstatt sie zur Verdummung zu missbrauchen!

Aber es macht Sinn, alles, absolut alles, was man maschinisieren kann, an Maschinen abzugeben, um an etwas heranzukommen, was bislang im Verborgenen weste, nämlich die reine Faktizität unserer Existenz. (Frei nach Rudolf Kaehr).

Das aktuelle öffentlich rechtliche Fernsehen langweilt. Und die entscheidende politische Frage wurde ausgespart, wer hat zu wessen Nutzen Zugriff auf die neue Technologie?

Lädt man eigentlich Leute wie Spitzer zu solchen Debattentheatern ein, um die an sich sinnvolle, berechtigte und bereichernde kulturpessimistische Position in der TV-Öffentlichkeit zu diskreditieren? Öhm. Nur mal so.

Schönen Restfeiertag noch,

Nick H. aka Joachim Paul

Veröffentlicht unter Persönliche Blogposts

Home Widget 1

Dies ist dein erstes Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 1. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.

Home Widget 2

Dies ist dein zweites Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 2. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.

Home Widget 3

Dies ist dein drittes Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 3. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.