Plenarübersicht 83. und 84. Plenarsitzung

Mit unserer Aktuellen Stunde zum Thema „Nordrhein-Westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen“ und Anträgen zur Vorratsdatenspeicherung, Flüchtlingspolitik, PKW-Maut, Strafverfolgung NS-Täter, Chancengleichheit durch Nachteilsausgleich für Schüler und dem Kinderbildungsgesetz gehen wir in die anstehende Plenarphase (29. und 30.04.2015).

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Fraktionssitzung vom 28.04.2015

In unserer heutigen Fraktionssitzung bereiten wir die anstehenden Plenartage vor.

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Wir trauern um Harald Wiese

HaraldWiese_swMit großer Bestürzung und tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Fraktionsgeschäftsführer Harald Wiese. Er ist heute nach langer Krankheit verstorben.

Wir verlieren einen sehr motivierten und geschätzten Mitarbeiter. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken. Bis zuletzt hat er sich unermüdlich und beispiellos für die Fraktion eingesetzt. Diejenigen, die das Glück hatten, mit ihm zu arbeiten, haben einen Visionär, einen großartigen Menschen mit leidenschaftlichem politischen Engagement und einen inspirierenden Kollegen erlebt.

Unser Beileid und Mitgefühl gilt seiner Familie, allen voran seiner Ehefrau.

 

Update/28.04.2015:

Die Fraktion hat heute einstimmig Monika Pieper MdL beauftragt, die Geschäfte der Fraktion kommissarisch zu führen.

Update/07.09.2015:

Als neuer Fraktionsgeschäftsführer wurde Hartmut Gläsmann eingestellt.

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Noam Chomsky über demokratische Debatten – ein smart guy über eine smarte Strategie, oder: Was hat der Mann mit Netzpolitik zu tun?

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Noam Chomsky – Toronto 2011 – wikimedia

Noam Chomsky ist ohne Zweifel einer der bekanntesten Sprachwissenschaftler der Gegenwart. Zudem gilt er als profunder Kritiker nicht nur der US-amerikanischen Politik. Seine Stimme wird gehört.

Besonders spannend wird es für mich immer dann, wenn der Linguist und Erfinder der “Chomsky-Grammatik” sich zu den Beziehungen von Sprache und Macht, von Macht und Kommunikation und zum Design von kommunikativen Settings äußert. So auch hier. Im Folgenden eins seiner großartigen Zitate, in dem er einen Zusammenhang in nur zwei Sätzen darstellt und erläutert.

“The smart way to keep people passive and obedient is to strictly limit the spectrum of acceptable opinion, but allow very lively debate within that spectrum – even encourage the more critical and dissident views. That gives people the sense that there’s free thinking going on, while all the time the presuppositions of the system are being reinforced by the limits put on the range of the debate.”

“Der intelligente Weg, Leute passiv und fügsam zu halten, besteht darin, die Breite der akzeptablen Überzeugungen strikt zu begrenzen, jedoch innerhalb dieser Grenzen eine sehr lebhafte Debatte zu erlauben – gerade zu kritischen und anders denkenden Sichtweisen zu ermuntern. Das gibt den Leuten die Wahrnehmung, dass freies Denken möglich ist, während die ganze Zeit die Vorannahmen des Systems bestärkt werden durch die Grenzen, die der Debatte gesetzt werden.” (Übers.: JP)

Oder mal anders gewendet: Die Macht besteht nicht darin, die Diskurshoheit zu erlangen, sondern darin, die Breite des Diskurses von vornherein festzulegen.

Daher ist es für Machtinteressierte auch so wichtig, zu versuchen, Kontrolle  und Überwachung über die Kommunikationskanäle im Internet zu erlangen. Du hast dann die Macht, wenn du die Bandbreite bestimmen kannst. (Nein, diese Bandbreite wird nicht in MBit/s gemessen …. )

Es wäre nun an der Zeit, dass die netzpolitische Debatte in Deutschland ihre eigene Bandbreite mal offensiv zum Thema nimmt.

So long, Nick H.

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Familienpolitik 2.0

Der Landtag NRW hat am 05. Dezember 2014 die Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen” eingesetzt. Von meiner Fraktion wurde ich als Vertreter entsandt.

Am Montag, den 20.04.2015 haben wir das Arbeitsprogramm verabschiedet.

Was ist für uns wichtig?

Die Enquetekommission wird sich intensiv mit den Lebenslagen und Rahmenbedingungen von Familie auseinandersetzen. Uns PIRATEN ist dabei wichtig, solche Familien nicht zu vernachlässigen, welche sich in schwierigen Lebenslagen befinden oder von Armut bedroht sind.

Die zukünftige Familienpolitik sollte sich stärker an dem Ziel ausrichten, Armutsrisiken von Familien zu vermeiden, die ganze Familie und nicht die Ehe als spezielle Familienform zu fördern, sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen zu unterstützen.

Dazu muss das bestehende System der monetären Unterstützung von Ehe und Familie dringend reformiert werden.

Möglichkeiten der Enquetekommission aus unserer Sicht:

Vielfalt von Familienformen anerkennen

Familien finden selbst individuelle Formen des Zusammenlebens. Familien sind überall, wo jüngere und ältere Menschen füreinander Sorge tragen und Verantwortung übernehmen.

Familien entlasten

Zeit ist nicht die einzige Ressource, welche in Familien fehlt. In Familien mit geringen Einkommen sind Kinder ein Armutsrisiko, noch stärker für Alleinerziehende ebenso wie für pflegende Angehörige. Wünschenswert sind ein kostenfreier Zugang zur Bildung von Kindesbeinen an, eine bedingungslose Grundsicherung für Erwachsene und für Kinder; dies schließt eine angemessene finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige mit ein.

Politische Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

Die Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in NRW“ wird Empfehlungen erarbeiten.
Die politischen Rahmenbedingungen von Familie sind in ganz Deutschland einem überholten Rollen-bild unterworfen. Daher bedarf das System der Finanzierung von Familien einiger Anpassungen. Wie diese Anpassungen den Familien gerecht werden können, erarbeiten wir in der Enquetekommission.

Fragestellungen, auf die wir verstärkt hinarbeiten möchten und die die Enquetekommission klären soll:

– Welche Hilfestellungen muss das Land NRW für Familien in Armut, Ein-Eltern-Familien oder für Pflegebedürftige in Familien zur Verfügung stellen?

– Gibt es Möglichkeiten, Familien finanziell zu entlasten? Welche Reformen der familienpoliti-schen Leistungen sind dafür nötig?

– Wie würde sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Familien auswirken?

– Welche Auswirkungen hat eine Kindergrundsicherung auf die Bildungskarriere?

– Welche weiteren Schritte sind notwendig, um eine Veränderung der geschlechtsstereotypen Beteiligung an Erziehungsaufgaben und Haushaltsführung zu erwirken? Kann Politik dafür Freiräume schaffen?

– Mit welchen Maßnahmen lassen sich die Bedingungen für Flüchtlingsfamilien gerade auch in den Erstaufnahmestellen verbessern?

– Welche Anreizsysteme können in NRW geschaffen werden, um die unterschiedlichsten Arbeitgeber zu bewegen, ihre Personalpolitik familienfreundlicher zu gestalten?

Die Sitzungen der Enquetekommission werden grundsätzlich nichtöffentlich sein. Auf mein Bestreben hin haben wir vereinbart, etwa zwei bis vier Sitzungen im Jahr öffentlich stattfinden zu lassen. Nach meiner Auffassung werden das überwiegend Sachverständigenanhörungen und Expertengespräche sein.

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Die Sache mit der Souveränität ….

Dieser Beitrag war zuerst als Gastbeitrag bei peira.org veröffentlicht.

Herrje, schon wieder so was Abgehobenes! Wird’s jetzt womöglich wieder philosophisch? Kannst du, könnt ihr Piraten euch nicht mal zu konkreten politischen Problemen äußern? Solchen, die die Menschen auch berühren?

Ganz genau. Es verhält sich nur so, dass Kompliziertheit da nicht immer herauszuhalten ist. Das Universum ist halt keine einfache Angelegenheit. Und Politik schon gar nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Kompliziertheit von Sachverhalten geradezu dazu benutzt wird, den Großteil der Bevölkerung hinter die sprichwörtliche Fichte zu führen.

Joseph Vogl kann das nicht nachgesagt werden, er ist eher im Dienste der Aufklärung unterwegs, und zwar genau dann, wenn’s kompliziert wird. Ende Februar 2015 erschien ein neues Werk des Literatur-, Kultur-, Medienwissenschaftlers und Philosophen, der aktuell an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt: „Der Souveränitätseffekt“. Hinter dem zunächst unspektakulär erscheinenden Titel verbirgt sich aber so etwas wie die Fortsetzung seines 2010 erschienenen und vielbeachteten Buchs „Das Gespenst des Kapitals“. Schon der Klappentext des neuen Buches verrät eine zentrale Schlussfolgerung:

„Souverän ist, wer eigene Risiken in Gefahren für andere zu verwandeln vermag und sich als Gläubiger letzter Instanz platziert.“

Wem jetzt die aktuelle Beziehung zwischen Deutschland und der EU-Administration auf der einen und der jungen griechischen Regierung Tsipras auf der anderen Seite einfällt, der liegt nicht so ganz falsch. Es geht nämlich um Finanzkapitalismus, genauer, um die Geschichte der Beziehung und der Verflechtungen von Politik und Wirtschaft. Von den Fuggern bis zur EZB. Dabei lässt Vogl den historischen Blick walten, er schreibt gewissermaßen eine Kulturgeschichte der Finanzmärkte und Banken als der eigentlichen Mächte, die jenseits der politischen Entscheidungsfindung Wege gefunden haben und immer noch finden, politisches Handeln nach ihren Interessen auszugestalten und zu formen – ohne demokratische Kontrolle.

„Gerade seine kulturwissenschaftliche Kompetenz“, so Birger Priddat im Berliner Tagesspiegel, öffne „den Blick auf das Jenseits rein funktionalistischer Behauptungen.“ Bei ihm (Vogl) kämen „zwei Qualitäten zur Geltung, die die Ökonomie nur noch selten aufbietet: historische Methode und Kontextsensibilität.“ „Der Souveränitätseffekt“ …. zeige, „wie sich Ökonomie und Politik zu einem oligarchischen System entfalten konnten, das zwar demokratische Systeme formal nutzt, aber letztlich die Märkte die entscheidenden Konstellationen generieren lässt, auf die Politik nur noch antworten kann.“ Vogl beschreibt das Entstehen einer neuen Form der Souveränität, die sich als „parademokratische Ausnahme positioniert“ und durch „Schulden und Schuldigkeit … soziale und politische Ordnungen an finanzökonomische Risikolagen“ anpasst.[Vogl]

In den Feuilletons der großen Printmedien lässt sich eine interessante Beobachtung machen. Auf der einen Seite, im schon erwähnten Tagesspiegel, in der Frankfurter Rundschau sowie im SWR-Radio folgen die Autoren den Analysen Vogls weitestgehend bestätigend. In der Süddeutschen vom 10.03.15 feiert Jens Bisky den Wissenschaftler geradezu ab.

Auf der anderen Seite stehen hier vornehmlich drei Zeitungen. In der FAZ wirft Werner Plumpe Vogl vor, das Pferd von hinten aufzuzäumen. „Die Lage“ sei „keineswegs ausweglos“ und es käme „vielmehr darauf an, politischer Vernunft das Wort zu reden.“ Also Unvernunft bei Vogl?

Vogl liefere dem konkreten staatlichen Handeln sogar noch die Argumente, hinter denen es sich verstecken könne, lautet der Vorwurf. Denn gerade von dort aus der Politik kämen immer lautere Forderungen nach einem Ende der vermeintlichen Austeritätspolitik, also nach einem Weiterdrehen an der Schuldenschraube, das ja erst die Lage geschaffen habe, in der die Weltwirtschaft sich derzeit befinde.

Der Ausdruck „vermeintliche Austeritätspolitik“ wirkt hier nicht nur zynisch, er ist auch eine journalistische Klitterung ersten Grades.

Und in DIE ZEIT Nr. 10/2015 fährt Alexander Cammann ganz schweres Geschütz gegen den Wissenschaftler auf. Die „gefährliche Brisanz“ dieses Buches ergebe sich dadurch, dass „Vogls Engführung von Finanzmacht, Politik und Souveränität“ … „in der Konsequenz auf nichts anderes als die Delegitimierung der Neuzeit hinaus“ laufe. „Denn wenn Vogl recht hätte“, so Cammann, „dann hätten die modernen westlichen Gesellschaften zwischen 1600 und 1700 einen zunächst kaum sichtbaren Irrweg eingeschlagen, der heute in der totalitären Macht der Finanzökonomie kulminierte.“

Ja und? Was will der Rezensent? Historisch geleitete Betrachtungen von möglicherweise tieferen Zusammenhängen unterbinden? Ohne dem Kritiker des Buches Böses zu wollen, aber das grenzt schon an ein Denkverbot.

In DIE WELT vom 07.03.15 schießt Alan Posener entgültig „den Vogl“ ab, bzw. versucht es zumindest. „Ausgerechnet ein Literaturwissenschaftler“ … der „behauptet, dass er den Schuldendurchblick hat“, doziere über Finanzmärkte. Das ist schon von den Formulierungen her starker Tobak und klingt nach „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Du sollst dich nicht kümmern, du sollst dort nicht denken, andere können das besser. Überlasse das uns.

„Nicht nur Banker und Wirtschaftslobbyisten haben sich Einfluss auf die Politik verschafft“, führt Posener an, „sondern auch Gewerkschaften, Sozialverbände und NGOs aller Art. Deren Einfluss“ schränke „die Souveränität moderner Staaten mindestens ebenso ein wie das Finanzkapital.“ Haha. Na dann. Er sollte mal nur die Kontenstände vergleichen.

DIE ZEIT, die FAZ und DIE WELT erklären sich hier durch ihre Rezensionen zu Verteidigern der neoliberalen Theologie der Märkte. Diese lebt davon, dass der Großteil der Bevölkerungen unserer demokratischen Nationen nicht wirklich nachvollziehen kann, was im Interferenzfeld von Politik und Ökonomie so alles getrieben wird. Die Rezensenten nehmen, koste es, was es wolle, eine Verteidigungshaltung für den schönen Schein ein. Das Bild des Staates, in dem es weitgehend demokratisch zugehe, soll um jeden Preis aufrecht erhalten werden, auch um den Preis rhetorischer Unflätigkeiten einem renommierten und vor allem unabhängigen Denker gegenüber.

Du kannst es nicht Vogl, also lass es doch.

Schon Henry Ford, der Begründer der Ford Motor Company, wusste:

„Eigentlich ist es gut, dass die Menschen der Nation unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.”

Ein hübscher Seiteneffekt, die Kritiker der drei großen Blätter werfen Vogl auch noch irgendwie Einseitigkeit vor, jedoch an verschiedenen thematischen Stellen! Somit löst sich in der Gesamtschau der Kritiken der vielfältige Vorwurf der Einseitigkeit sogleich in ein Logikwölkchen auf.

Vogl hat ins Schwarze getroffen. Als Literaturwissenschaftler. Die Reaktionen in den drei genannten Blättern zeugen von dem Wirkungstreffer, es sind die Reaktionen Angeschossener. Gut so.

Da ließen sich noch weitere Treffer draufsetzen. Z.B. die des Naturwissenschaftlers, der den 2. Hauptsatz der Thermodynamik kennt und mit Staunen bemerkt, dass in den neoklassischen Wirtschaftsmodellen, d.h. in der neoliberalen Marktrationalität, Energie eine beliebig kapitalisierbare Größe ist. Und wenn ein Rohstoff nicht mehr oder nur knapp verfügbar ist, wie z.B. Lanthan, dann wird in den Modellen irgendwann „substituiert“. Substitution ist das Zauberwort, und zwar, um weiterzurechnen. Wohin bitte?

Jüngst hielt der Jurist Axel Flessner einen Vortrag vor der Max-Planck-Gesellschaft und brachte einen weiteren dritten Aspekt in die Diskussion um Freihandelsabkommen und Investitionsschutz ein, den der Verfassungsmäßigkeit. Er belegt Vogls Thesen, durch ein konkretes und aktuelles juristisches Beispiel, das zeigt, wie Demokratie unterlaufen wird.

Und was heißt das jetzt für Netzpolitiker, für die Frage nach der netzpolitischen Souveränität sowie der des individuellen Mitglieds einer „demokratischen“ Gesellschaft? Es heißt, dass ökonomische Effekte sowie Effekte der ökonomischen Macht immer mit zu berücksichtigen sind.

Also Schluss mit netzpolitischen Sandkastenspielchen.

Weitere Kandidaten für Wirkungstreffer:
Dieter Claessens: Kapitalismus und demokratische Kultur
Günter Dux: Demokratie als Lebensform
Oskar Negt: Nur noch Utopien sind realistisch
Thilo Bode: TTIP, Die Freihandelslüge

 

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Abschiebungshaftvollzug

Rot-Grün wird europa- und verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht

Zur Debatte im Innenausschuss zum Abschiebungshaftvollzugsgesetz sagt Frank Herrmann, Sprecher der Piratenfraktion im Innenausschuss:

„Das Gesetz krankt an vielen Stellen. Es ist ein leeres Gesetz, in dem keine Regelungen zur Ausgestaltung des Vollzugs stehen. Es verweist auf das Strafvollzugsgesetz, obwohl Menschen in Abschiebungshaft nicht wie Strafgefangene verstanden und behandelt werden dürfen. Ein ist ein leeres Gesetz, das den Menschen keine Rechtssicherheit gibt, sodass sie sich nicht mal effektiv wehren können – und das nachdem die bisherige Praxis von den Gerichten gekippt wurde. Weiterlesen ›

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Störerhaftung: Angst schaden Internet

people-314481_640Der folgende Artikel wurde am 13.April bei politik-digital e.V. in der Rubrik “Netzpolitischer Einspruch” veröffentlicht.

Es scheint eine zutiefst deutsche Eigenart zu sein: Die Suche nach jemandem, den man für den Fall des Scheiterns verantwortlich macht. Kann man den Verursacher selbst nicht greifen, soll wenigstens jemand anderes für den Schaden haften. Und bevor man etwas Neues zulässt, unterhält man sich erst einmal über die Schadenersatzpflicht. Im deutschen Internet gibt es dafür die sogenannte Störerhaftung: Wenn über ein drahtloses Netzwerk urheberrechtsgeschützte Dateien heruntergeladen werden, so kann nach gegenwärtiger Rechtsprechung der Betreiber des Netzwerkes als „Mitstörer“ in Anspruch genommen werden.

Dabei hat der Gesetzgeber es anders gewollt: Im Telemediengesetz ist niedergelegt, dass ein Netzwerkzugangsbetreiber für Rechtsverletzungen seiner Nutzer nicht haftet, solange er davon keine Kenntnis hat. Diese Haftungsfreistellung nennt sich „Providerprivileg“. Dabei orientiert man sich an der Post: Auch sie ist nicht dafür verantwortlich, wenn sie Bombenbaupläne, Erpresserbriefe, anstößige Fotos oder raubkopierte Bücher transportiert. Und niemand verlangt von ihr, jeden Brief zu öffnen und auf Rechtsverstöße zu überprüfen – ganz im Gegenteil, das Postgeheimnis verbietet ihr das sogar.

Das Providerprivileg im Telemediengesetz ist aber kein Freibrief: Es gilt nämlich nicht, wenn sich der Netzbetreiber die Inhalte zu eigen macht, er Kenntnis von illegalen Inhalten bekommt, oder ihn jemand auf Rechtsverstöße hinweist: Er muss dann umgehend tätig werden und ist ab diesem Zeitpunkt sehr wohl haftbar für beanstandete Inhalte. Damit soll verhindert werden, dass sich jemand auf dem Providerprivileg ausruht und es zulässt, dass in seinem Netz fortlaufend Rechtsverstöße begangen werden. Aber es handelt sich um eine Ex-Post-Regelung: Zu vorauseilendem Gehorsam ist niemand verpflichtet.

Störerhaftung – ein deutscher Sonderfall

Aus irgendeinem Grund hat die deutsche Rechtsprechung die Betreiber von drahtlosen Internetzugängen, also von WLAN-Netzwerken, bislang oft anders behandelt. Ihnen wurden die Kosten der Rechtsverfolgung auferlegt, auch wenn ihnen persönlich gar kein Rechtsverstoß nachgewiesen wurde: Das Gericht ordnete dem Betreiber des Netzwerkes das Delikt auch ohne sein Wissen und Wollen zu. Daraus hat sich eine Abmahnindustrie in Deutschland entwickelt, die gezielt nach Urheberrechtsverstößen über Internetzugänge sucht und von den Betreibern des Zugangs dann horrende Kosten des Rechtsinstrumentes der Abmahnung einfordert. Darauf spezialisierte Kanzleien erzielten zwei- bis dreistellige Millionenbeträge an Gebühren pro Jahr.

Betreiber von WLAN-Netzwerken in Schulen, Cafés, Hotels, aber auch private Betreiber von Netzwerken in Wohngemeinschaften, Nachbarschaften und Familien sahen sich mit solchen kostenpflichtigen Abmahnungen konfrontiert und sollten zahlen, auch wenn sie die Rechtsverletzungen weder persönlich begangen hatten noch überhaupt davon wissen konnten. Menschen, die ihren Internetzugang mit ihren Nachbarn oder Passanten teilen, Betreiber von sogenannten Freifunk-Knoten, mussten mit diesen Problemen ebenfalls rechnen. Unter diesen Voraussetzungen sind nicht viele Netzwerkbetreiber bereit, ihren Internetzugang zu teilen – und das ist schlecht für die öffentliche Netzversorgung mit drahtlosen Internetzugängen in Deutschland.

In vielen anderen Ländern ist WLAN-Zugang im öffentlichen Raum eine Selbstverständlichkeit. Ob in öffentlichen Nahverkehrsmitteln, Fußgängerzonen oder irgendwo in Wohngebieten: Ein freies WLAN findet sich immer. So etwas wie die Störerhaftung gibt es nur in Deutschland, kein anderes Land kennt dieses Rechtskonstrukt.

Die Politik hat das Problem ebenfalls erkannt: Eine Klarstellung, dass das Providerprivileg, die prinzipielle Haftungsfreistellung für Netzwerkbetreiber, eben auch für WLAN-Betreiber gelten muss, wurde gefordert. Und der derzeitig vorliegende Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums nimmt sich dieser Forderung vordergründig zunächst an. Doch wie so oft in der deutschen Netzpolitik geht es einen Schritt voran und gleichzeitig zwei Schritte zurück: Der Gesetzentwurf enthält einen ganzen Katalog von Ausnahmen und Vorschriften, die das Providerprivileg für Betreiber freier Netzwerke sogleich wieder aushebeln. Und damit wird eben gerade keine Haftungsfreistellung erreicht, sondern Haftung für Rechtsverstöße auch ohne Kenntnis wird festgeschrieben – damit wird die bisherige Rechtsprechung zementiert und gesetzlich festgelegt, und neue Abmahnfallen werden eröffnet.

WLAN-Betreiber sollen nämlich laut Gesetzentwurf „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, Rechtsverstöße im Vorfeld zu verhindern. Welche das sein könnten, zählt das Gesetz nur exemplarisch auf: Verschlüsselung des Zugangs, Belehrung zu Beginn, keine Rechtsverstöße zu begehen, Identifizierung der Nutzer etc. Private WLAN-Betreiber sollen sogar den Namen jedes Benutzers feststellen. Damit werden Interpretationsspielräume eröffnet, die die Abmahnindustrie dankbar aufgreifen wird. Denn was ist eine geeignete, zumutbare Maßnahme? Es wird wieder Klagen und Prozesse geben, und Richter werden interpretieren, wieweit diese Maßnahmen ex-ante gehen müssen. Zu leicht kann man dann im Betrieb eines Netzwerkes etwas falsch machen, und die Abmahnung ist da.

Keine Ausnahmen beim Providerprivileg

Warum sollen WLAN-Betreiber grundsätzlich schlechter gestellt werden als andere Netzzugangsanbieter? Warum werden private Anbieter wiederum schlechter gestellt als gewerbliche? Und warum soll der Betrieb eines offenen, unverschlüsselten WLAN völlig vom Providerprivileg ausgenommen werden? Ein echter Freifunk ist mit einer Identifizierungspflicht seiner Nutzer nicht mehr realisierbar.

Mit der Klarstellung, dass auch WLAN-Betreiber Provider sind, und das Providerprivileg somit auch für sie gelten soll, ist eigentlich bereits alles Notwendige gesagt: Denn auch damit sind WLAN-Betreiber nicht frei von jeglicher Verantwortung: Sie müssen – wie alle anderen Provider auch – ab Kenntnis eines Rechtsverstoßes handeln. Tun sie das nicht, sind sie sehr wohl verantwortlich für illegale Vorkommnisse.

Wie albern die Vorschrift ist, den Nutzer eines Netzwerkes zu belehren, keine Rechtsverstöße zu begehen, ist offensichtlich: Wer illegale Downloads durchführen will, wird sich durch eine Vorschaltseite kaum davon abhalten lassen – dass man sich an geltende Gesetze halten soll, ist eine Selbstverständlichkeit, die eigentlich keines Hinweises bedürfen sollte. Hier zeigt sich vielmehr wieder der Versuch, unbedingt jemanden verantwortlich machen zu wollen, wenn etwas scheitert.

Alle Dinge bergen das Risiko des Missbrauchs in sich. Auch eine Latte aus einem Gartenzaun kann dazu benutzt werden, sie jemandem über den Schädel zu ziehen. Wenn dann so ein Missbrauch passiert, ist der Gartenbesitzer nicht verantwortlich, und auch ein Verbotsschild am Zaun hätte die Tat nicht verhindert.

Wir sind gut beraten, dem Fortschritt des Internets mit Optimismus entgegenzutreten, und ihn nicht aus Angst vor Missbrauch stoppen zu wollen. Oder wie Victor Hugo es ausdrückte: „Die Zukunft hat viele Namen. Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

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Zur Anhörung Offener Ganztag

Schönheitsreparaturen reichen beim „Offenen Ganztag“ nicht

Monika Pieper, Bildungspolitische Sprecherin, zur Anhörung von Sachverständigen zum Antrag der Piratenfraktion „Pädagogische Qualität der Offenen Ganztagsschule stärken und Angebote bedarfsgerecht ausbauen“:

Mit Schönheitsreparaturen ist es nicht getan, die Offene Ganztagsschule braucht ein solides Fundament. Die Sachverständigen haben bei der Anhörung den dringenden Handlungsbedarf bei der OGS deutlich unterstrichen. Die Angebote des Ganztags werden von Eltern sehr stark nachgefragt. Die aktuellen Rahmenbedingungen stehen dagegen im krassen Gegensatz zur erforderlichen pädagogische Qualität. Weiterlesen ›

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Kleine Anfrage zur (mobilen) Telekommunikationsüberwachung durch das LKA in Düsseldorf

Kleine Anfrage 3333

Rydlewski, Birgit; Sommer, Torsten PIRATEN Drucksache 16/8480 21.04.2015 2 S.

Nachfragen zur Antwort auf die Große Anfrage 10 (Drs 16/6051); Nutzung der Ermittlungsinstrumente Funkzellenabfrage, stille SMS, W-LAN-Catcher, IMSI-Catcher seit dem 01.01.2014; Rechtsgrundlagen der einzelnen Maßnahmen

Antwort MIK Drucksache 16/8724 20.05.2015 2 S.

Torsten Sommer - Bürgerrechte muss man wählen!

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