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Über den Hashtag #KrankesSystem

tl;dr: Der Hashtag #KrankesSystem in Verbindung mit Parlamentarismus ist unglücklich, aber es gab $Gründe dafür, und es lohnt sich, da mal draufzuschauen. Mein Kollege Daniel Düngel veröffentlichte am 7. Januar einen Blogpost mit dem Titel “Kneift Euren Arsch zusammen!” Er beklagte sich darin – insbesondere in Richtung Piratenpartei selbst – dass wir angesichts der vielen aktuellen Probleme nicht genug nach außen wirksam sind. In dem Zusammenhang kritisierte er auch den Parlamentarismus, ein “krankes System”, das wir bekanntlich verändern wollen. Ich bin sicher, dass er damit keinerlei Konnotationen transportieren wollte. Man lese seinen Blogpost bitte auch vollständig und im Zusammenhang. Recht unmittelbar wurde der Blogpost von der Presse aufgegriffen. Allerdings in einer unangenehmen Intention: “Privilegierter Vizepräsident beschimpft den Landtag als krankes System”. Der Begriff “Krankes System” fand sich in sämtlichen Schlagzeilen wieder, und Daniel Düngel wurde durch die Presse gezielt darauf angesprochen. Zu der Zeit saßen wir gerade in unserer Fraktionsklausur zusammen, als das Telefon unentwegt klingelte. Wir überlegten daraufhin, wie man die Aufmerksamkeit nutzen kann, die damit angesprochenen Probleme zu transportieren. Nachdem die Presse den Begriff so prominent platziert hatte, wollten wir ihn nutzen, um auf Missstände im politischen und parlamentarischen System aufmerksam zu machen. Wir kamen auf die Idee, eine Kampagne zu starten. Der Hashtag #KrankesSystem ist aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen können sich Menschen verletzt fühlen, die an Krankheiten leiden. Der Begriff “Krank” wird hier mit etwas negativem, schlechten verbunden, was unbedingt geändert werden muss. Menschen können sich abgewertet fühlen, die an ihrer Krankheit nichts ändern können. Das wollen wir natürlich damit nicht auslösen. Zum anderen ist der Begriff “Krankes System” rechts konnotiert. Die Wortwahl wird gerne von denen benutzt, die das System Demokratie oder Parlamentarismus vollkommen abschaffen wollen, im Sinne von “Es ist ein krankes System, es muss weg”. Dahinter steckt natürlich auch die Idee der Nazis von der Volksgesundheit, in der kranke Menschen im Weg waren und weg mussten. Wir Piraten sind eine demokratische Partei. Das bedeutet, dass wir Demokratie schätzen und achten – mehr noch, wir wollen noch mehr Demokratie in gesellschaftliche und politische Prozesse einbringen – und dass wir uns als Teil des parlamentarischen Systems begreifen. Genauer als parlamentarischer Arm von Bürgerbewegungen und NGOs. Wir werden nicht mit der AK47 ins Plenum stürmen. Aber wir nehmen das System nicht als gottgegeben hin, sondern wollen es ändern. Genaugenommen wollen wir es (im Sinne der Hackerethik) hacken: Es nutzen und gestalten, ohne es zu akzeptieren. Wie ein Hacker, der ein System auch nicht nach der Bedienungsanleitung verwendet. Piraten haben sich an mehreren Stellen ausdrücklich und wiederholt gegen jede Art von Faschismus, Totalitarismus, Rassismus, Gewalt und Diskriminierung positioniert. Piraten stehen regelmäßig auf der Straße im Kampf gegen Naziaufmärsche und Rechtspopulisten. Uns vorzuwerfen, jemand würde durch diese Wortwahl am rechten Rand fischen wollen, ist nicht nur falsch, sondern niederträchtig. Wir haben uns entschlossen, diesen Hashtag dennoch zu nutzen, weil das System tatsächlich an mehreren Stellen krankt. Der Parlamentarismus leidet an vielen Stellen an Demokratiedefizit. Kranke will man nicht töten, man versucht zu heilen oder zu helfen. Und … Weiterlesen

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#KrankesSystem Parlamentarismus

Der Parlamentarismus in seiner jetzigen Form ist krank. Er hat deutliche Symptome von Meinungs-Votums-Dissonanz und Polit-Theater-Inszenierung. Es faulen seit geraumer Zeit Probleme vor sich hin, und niemand will sie sehen. Wir müssen uns damit beschäftigten. Parlamentarismus wurde als wichtiges Demokratiewerkzeug eingeführt, um den Willen möglichst vieler Menschen zu repräsentieren. Sie delegieren die Wahrnehmung ihres Willens durch Wahlen an Parteien, die diesen dann in parlamentarischen Prozessen vertreten sollen. So weit, so gut. Demokratie-Delegations-Simulation: Die Wahl der Qual “Kaufen” muss eine Wählerin, ein Wähler eine Partei im Komplettpaket. Er bekommt abgeschlossene Weltbilder geliefert, die ihm die demokratischen Parteien anbieten, er kann sich in einem dieser Bilder wiederfinden – oder auch nicht, dann bleibt ihm die Auswahl derjenigen Partei, der gegenüber er die geringsten Ablehnung empfindet. Eine unglückliche Lösung, mir ist das jedenfalls zu wenig. Ich denke, heutzutage sind Weltbilder längst nicht mehr so trivial, so eindimensional, dass sie in einen Katalog aus einem halben Dutzend Lebensentwürfen passen. Man wird “seine” Wahlentscheidung also auf einige Kriterien reduzieren müssen, die besonders wichtig erscheinen – oder gleich auf ein Bauchgefühl. Außerhalb dieser Wahl hat man keinerlei Einflussmöglichkeiten auf Politik. Diese Situation finde ich bereits unzufriedenstellend genug. Was vielen Menschen aber verborgen bleibt: Selbst in diesen wenigen Kriterien wird die gewählte Partei im Parlament oft genug von ihrem Weltbild, ihren Wahlversprechen abweichen. Es kommt im derzeitigen parlamentarischen System oft genug zu parlamentarischen Entscheidungen, wo die Abgeordneten nicht nur gegen ihre eigene Überzeugung und die der anderen Parteimitglieder stimmen, sondern sogar gegen die ihrer Wähler. Sie verraten den Auftrag, den sie von ihren Wählern bekommen haben. Sie verraten die Versprechungen, die sie vor der Wahl gemacht haben, und oft sogar noch nach dem Bruch des Versprechens wiederholen. Und alle etablierten Parteien machen mit. Es sind diese “parlamentarischen Zwänge”, denen sich Abgeordnete unterwerfen, welche sie dazu bringen, entgegen der persönlichen Meinung, selbst der allgemeinen Parteimeinung zu stimmen. Es sind solche Zwänge, die sie zum Aufführen einer Politik-Theaterinszenierung zwingen, anstatt sich mit politischen Fragestellungen und deren Lösungen zu befassen. Für mich sind diese Zwänge eine Krankheit des Systems. Parlamentarische Zwänge: Koalition statt Integrität Regierungstragende Koalitionen binden sich selbst in Koalitionsverträgen. Hier wird das Abstimmverhalten der Fraktionsmitglieder festgelegt. Und alle halten sich daran. Das Programm der einen Partei wird überlagert von dem der anderen Partei in der Koalition – und Gegenstand von Verhandlungen innerhalb dieser Koalition, meist auf oberster Ebene, von der der Wähler nichts mitbekommt, und die natürlich nicht in seinem Interesse sein müssen. Beispiel gefällig? In NRW stimmten die Grünen als Teil der Regierungskoalition gegen unseren Antrag, die Vorratsdatenspeicherung zu stoppen. Der Antragstext selbst war kurz und knackig, er lautete wie folgt: I. Der Landtag stellt fest: Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in die Grundrechte der Bürger unseres Landes. II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf: • sich auf allen politischen Ebenen, auf EU-Ebene, im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung einzusetzen. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen abgelehnt. Wer das Wahlprogramm der Grünen kennt, weiß, dass sie … Weiterlesen

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ADAC: Volkes Stimme ohne Legitimation – Dobrindt muss Verkehrspolitik überdenken.

Der ADAC mogelt, weil ihm die Legitimation durch seine Mitglieder abhanden kommt. Schlecht für die autoorientierte deutsche Verkehrspolitik, die bisher die Stimme der “18 Millionen Autofahrer beim ADAC” niemals anzweifelte. Dobrindt rät d…

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Abbremsen, um schneller zu werden …

In seinem SciFi-Roman “Der Schockwellenreiter” aus dem Jahr 1975 präsentiert der britische Autor John Brunner (1934 – 1995) ein scheinbar paradoxes Bild, das möglicherweise als Leitlinie, als grobe Orientierung für eine generelle Vorgehensweise mit den Problemen unserer Zeit dienen kann und das ich daher nicht vorenthalten möchte. Vielleicht fällt jemand dazu ja weiteres Konstruktives ein, […]

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Kalkül und Dilettantismus – krankes System

Die Reaktionen auf Daniel Düngels Bemerkung zu “krankes System” waren ja durchaus vielfältig. Er bezog sich mit dieser Bezeichnung auf einige Aspekte des Parlamentarismus. Einen besonderen Aspekt in den Reaktionen darauf möchte ich hier einmal herausgreifen. So versucht Theo Schumacher in der WAZ, die Piraten wieder einmal in die rechte Ecke zu stellen (letzter Absatz) […]

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Fischen am rechten Rand?

Da kriege ich per Twitter einige Hinweise auf eine Unterstellung aus den Medien. Mal sehen… die WAZ hat also wieder mal über uns geschrieben! Theo Schumacher schreibt über die Fraktion und dass wir jetzt “auf Krawall setzen” würden. Angeblich wollen … Weiterlesen

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Innenminister Jäger schlägt populistische und unsinnige Maßnahmen gegen Fußballfans vor und erntet damit auch noch Applaus im Innenausschuss

In der heutigen Sitzung des Innenausschuss wurde über die Ereignisse rund um das Spiel Arminia Bielefeld – Dynamo Dresden am 6.12.2013 diskutiert. Leider wurde nicht sachbezogen über die stark unterschiedlichen Berichte des Fanprojekts Dresden einerseits und des Innenministeriums andererseits gesprochen (im Bericht des

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Kleine Anfrage “Brandstiftungen im Duisburger Stadtgebiet”

In einer weiteren Kleinen Anfrage hatte ich auf Anregung von Duisburger Mitmenschen nach den Ermittlungsständen zu verschiedenen unaufgeklärten Brandstiftungen bzw. Drohungen mit Brandanschlägen im Duisburger Stadtgebiet in den letzten Jahren gefragt. Von diesen ist sicherlich der in den Medien thematisierte Fall der Drohung gegen die Häuser „In den Peschen“ noch am besten in Erinnerung. Zur […]

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Kleine Anfrage: Unterwanderung von Ordnungsdiensten durch Rechtsradikale

Auf die Kleine Anfrage des Kollegen Torsten Sommer und mir bezüglich der Unterwanderung von Ordnungsdiensten durch Rechtsradikale insbesondere im Fußball liegt jetzt die Antwort der Landesregierung vor: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-4764.pdf Eine enttäuschende Antwort. Ihr Tenor: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Während „Der Spiegel“ bereits 2012 ausgiebig recherchierte und in einem Artikel die Verflechtungen der […]

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Der nächste Super-GAU mit Videokameras

Wir fordern sofortigen Stopp der Videokameras in Kölner Bussen Die Kölner Verkehrsbetriebe haben heute in 300 Bussen Videokameras in Betrieb genommen. Damit wollen sie nach eigenen Angaben „das subjektive Sicherheitsgefühl und die objektive Sicher…

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