Plenarrede: Frank Herrmann zu Schutz der Whistleblower

Freitag, 12. Juli 2013

 

TOP 1. Whistleblowing – eine Form von Zivilcourage, die unterstützt und geschützt werden muss

Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/3437
Block I
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung

Unser Redner: Frank Herrmann

 

 

 

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Frank Herrmann


Wortprotokoll zur Rede von Frank Herrmann:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal und im Stream! Profite und Macht – davon etwas abzubekommen, daran festzuhalten oder die Gier nach immer mehr davon, das sind meist die Triebfedern, um sich über Gesetze hinwegzusetzen und grundlegende Werte des menschlichen Miteinanders zu missachten.

Egal ob es um Gammelfleisch geht, um Ausschreibungsbetrug, um menschenverachtende Zustände in Altersheimen oder – wohl als bedeutendstes Beispiel – um einen Überwachungsskandal, der seinesgleichen sucht und wahrscheinlich nie finden wird – solche Skandale haben eins gemeinsam: Ohne einen Whistleblower, einen Hinweisgeber, werden sie meist erst entdeckt, wenn der Schaden schon maximal ist.

Whistleblower zeigen Zivilcourage, indem sie auf Missstände aufmerksam machen, ohne einen eigenen Nutzen zu verfolgen. Es sind Menschen, die ihren und den gemeinsamen Werten unserer Gesellschaft entgegenstehende Ungerechtigkeiten feststellen und diese abstellen wollen. Sie sind keinen Denunzianten. Es geht nicht ums Anschwärzen, sondern um die Nutzung ihres Wissens zum Wohle unserer Gesellschaft.

(Beifall von den PIRATEN)

Der heutige gesetzliche Schutz für Hinweisgeber ist allerdings unklar. Er ist fragmentiert, über viele Gesetze verteilt und lange nicht ausreichend. Es wird im Einzelfall entschieden, und damit kommt oft die auf Richterrecht beruhende Abwägung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht und der Meinungsfreiheit zum Tragen. Das bedeutet für potenzielle Hinweisgeber große Rechtsunsicherheit. Wie kann es sein, dass jemand, der den Mut aufbringt, gegen Konventionen zu verstoßen, um sich für das Allgemeinwohl einzusetzen, mit so drastischen Folgen wie dem Totalverlust des Arbeitsplatzes zu rechnen hat oder er sogar nirgends auf der Welt mehr sicher ist? Fast zwei Drittel aller Mobbingopfer geben bei einer Umfrage an, durch am Arbeitsplatz geäußerte Kritik zum Mobbingopfer geworden zu sein.

Wir verlangen von den Bürgern Zivilcourage, und das zu Recht. Wir wollen keine Gesellschaft, in der weggesehen wird, wenn Unrecht geschieht, und in der verschwiegen wird, wo Missstand herrscht. Duckmäusertum und Obrigkeitshörigkeit gab es in der deutschen Geschichte leider schon viel zu viel. Wenn wir aber eine Gesellschaft wollen, die Missstände an den Tag bringt und kritisch hinterfragt, dann können wir diejenigen, die den Mund aufmachen, hinterher nicht im Regen stehen lassen. Der Schutz von Hinweisgebern wurde auf allen politischen Ebenen bisher sträflich vernachlässigt. Oft wurden nach irgendwelchen Skandalen nur Aktionen auf den Weg gebracht, die dann einfach im Sande verlaufen sind.

Gleich werden wir vermutlich von Herrn Minister Jäger hören, dass in NRW schon lange Maßnahmen getroffen worden sind und für Hinweisgeber zum Beispiel eine Telefonhotline eingerichtet wurde. Auf der Webseite des Ministeriums für Inneres und Kommunales war aber seit mindestens einem Jahr eine falsche Telefonnummer angegeben. Als wir das in der letzten Woche im Ministerium anmerkten, bedankte man sich – und tatsächlich: Die Nummer ist jetzt korrigiert. Was ist das letzte Jahr über geschehen?

Bei der Gelegenheit wurde auch der Hinweis auf eine Internetplattform als Kontaktangebot entfernt, der dort ebenfalls ein Jahr lang stand. Vermutlich hat sie aber bisher nie existiert. Solch ein Hinweisgebersystem, vor allem ein anonymes, ist aber wichtig, genau wie eine unabhängige Stelle, ein Ombudsmann, der als Externer Hinweise aufnehmen kann.

Wir haben in unserem Antrag noch weitere Punkte aufgeführt, die wir in Nordrhein-Westfalen umsetzen können, und würden uns über konstruktive Gespräche dazu im Ausschuss freuen.

Lassen Sie uns in Nordrhein-Westfalen ein Zeichen setzen und einen Kulturwandel einläuten. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem potentielle Whistleblower keine Angst vor Sanktionen oder Stigmatisierung haben müssen. Whistleblower-Schutz heißt, Missbrauch und Missstände im Sinne des Allgemeinguts einzugrenzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort zum momentan wohl wichtigsten Whistleblower, zu Edward Snowden, sagen. Ich finde es unerträglich, dass wir in Deutschland nicht den politischen Mut und den Willen aufbringen, wenigstens eine Aufenthaltserlaubnis für einen Menschen auszustellen, der quasi sein ganzes bisheriges Leben dafür geopfert hat, um die Welt auf einen gigantischen Angriff gegen unsere grundlegenden Bürger- und Freiheitsrechte aufmerksam zu machen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Gesetze dafür haben wir. Hier nichts zu unternehmen, das ist Feigheit vor dem Freund, und ich schäme mich dafür.

(Beifall von den PIRATEN)

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