Viel ist passiert in den letzten Tagen …
Das #Gutachtengate an sich ist nun schon von vielen Seiten aufbereitet worden. Nachzulesen unter anderem bei Achim Müller oder auf pastebin.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag überschlugen sich dann die Ereignisse. Zuerst zogen sich Stephanie Nöther (@Bugsierine) und Sven Sladek (@DerFizz) von der Landesliste zurück. Kurz vor Mitternacht verbreitete sich dann via Twitter die Nachricht, dass Alex Reintzsch seine Wikiseite gelöscht habe. Wenig später dann veröffentlichte Alex sein Austrittsschreiben aus der Partei.
Ich habe allergrößten Respekt vor diesem Schritt und habe mich auch bei beiden dafür bedankt – ehrlich gemeint. Ich mag beide persönlich sehr und denke, dass beide auch künftig wichtige Positionen innerhalb der Piraten besetzen können. Stephy hat hervorragende Arbeit als Schatzmeisterin gemacht, Fizz hat von Anfang an gesagt, dass er “eigentlich keine Zeit für den Scheiss habe” – ich hoffe, das Zitat habe ich so richtig im Kopf. Aber auch Fizz hat sich in der Vorstandszeit gut verkauft, Wertvolles geleistet. Ich halte den Rückzug für richtig, wenngleich beide seit Beginn des #gutachtengate deutlich besser kommuniziert haben und vor allem von Anfang an den Fehler eingesehen haben!
Bei Alex sieht das etwas anders aus. Alex hat bis zuletzt, auch auf Nachfrage in der Landesvorstandssitzung gesagt, dass er das Zurückhalten des Gutachten für richtig hielt. Ob man ihm da nun böse Absicht, Vorteilsnahme oder was auch immer unterstellen mag: Fakt ist, mit dem Zurückhalten des Gutachtens, welches er initiiert hat, hat er der Partei nachhaltig Schaden zugefügt. Hierfür wollten ich und viele andere Piraten, dass er seine Kandidatur zurückzieht. Einen Parteiaustritt habe ich selber nie gefordert und finde ich total überzogen. Aber das ist Alex’ Entscheidung und diese respektiere ich. Ich danke Alex an der Stelle nochmal für seine Arbeit bei den Piraten, für die vielen konstruktiven Diskussionen und Gespräche, die ich mit ihm führen konnte. Auch die Versammlungsleitungen mit ihm zusammen haben mir immer viel Spaß gemacht. Alex ist und bleibt für mich immer derjenige, der sich bei Landesparteitagen und im Wahlkampf organisatorisch immens eingebracht hat. Wie ich schon gestern aber auch heute den Medien gegenüber betont habe: Alex ist 100% Pirat und wird sicher eine Lücke hinterlassen – all das ändert aber nichts an dem Umgang mit dem #gutachtengate. Hier fehlte bis zuletzt die Einsicht bei ihm persönlich, richtig tief in die Kacke gegriffen zu haben. Insofern war die Rückzugsforderung keinesfalls überzogen.
Aber ich bin während dieser Tage auch laufend dabei, mein eigenes Verhalten zu reflektieren. Natürlich bin ich mir meiner besonderen Rolle als Abgeordneter (und wuaaaahh, Landtagsvizepräsident!!!111) bewusst. Deswegen mache ich mir (meistens) in der Tat vorher Gedanken, ob tatsächlich ich derjenige sein muss, der nun deutlich seine Meinung preisgibt. Und nein, ich muss das nicht sein. Nein, ich will das sogar gar nicht sein. Aber hier, in diesem Sachverhalt ist das alles etwas anders. Ich fand den Vorgang wirklich extrem schlimm und sah einen direkten Bezug zu unserer Arbeit im Landtag. Interessant übrigens, dass dann die Presse diese Landtagsvizepräsidentennummer daraus gemacht hat. Aber so läuft das in der Presse halt .. ist eigentlich auch nix Schlimmes. Die reden immer vom Präsidenten, Vorsitzenden oder was auch immer. Aber das es Menschen in meiner Partei gibt, die darauf irgendwie besonders achten, hätte ich eher nicht gedacht. In der Partei nehme ich mich selber eigentlich einfach als Daniel Düngel, Mitglied 1301 wahr. Das ist so und soll bitte auch so bleiben!
Mein erster Blogpost zu diesem Thema entstand zwei Tage nach Bekanntwerden des “Skandals” – ich habe bewusst lange gewartet, und das, obwohl ich gerne schon Freitag Abend was dazu geschrieben hätte. Und natürlich kamen dann dienstags Anrufe der Medien. Ziel war nie, öffentlichen Druck aufzubauen. Wenn ich das hätte machen wollen, hätte ich das über die Presse sicher forcieren können. Ich habe mich – außer mit meinem Blogbeitrag – in der Sache extrem passiv verhalten. Ich habe denen geantwortet, die mich direkt gefragt haben. Es haben mich genau vier Pressevertreter zu den Vorkommnissen befragt: der erste Kontakt war ein Anruf des Kölner Stadtanzeigers bei mir im Büro am Dienstag Mittag. Darüber hinaus habe ich Statements gegenüber wdr.de abgegeben, am Donnerstag ein Interview mit WDR Westpol geführt und am Freitag noch ein Hintergrundgespräch mit dem WDR-Hörfunk.
Wie auch immer: Ja, ich werde auch künftig über Dinge schreiben, die mir nicht gefallen. Innerhalb der Fraktion, der Partei, im Landtag oder wo auch immer. Schön ist ja, dass die Beiträge offenbar auch von der Presse gelesen werden. Schön wäre, wenn künftig auch mal Nachfragen zu politischen Statements kämen, zu Themen, die wir grad im Landtag beackern und auch darüber dann so berichtet würde, wie das nun wieder der Fall war. Jedenfalls gibt es Schöneres, als mit irgendwelchen Statements zu einem solch blöden, parteiinternen Vorgang in der Presse zu stehen. Meine Frau beschwert sich immer, dass von uns Piraten so wenig zu lesen sei … ich glaube, sie meinte da irgendwie positivere Artikel und Berichte…
Aber wie gehen wir künftig mit solchen Vorgängen um? Ja, ich persönlich werde noch mehr darauf achten, was ich wann, wo und wie äußere. Aber parteiintern? Womit wir uns alle aber nochmal beschäftigen müssen, ist der Umgang miteinander. Wir müssen uns klar werden, dass bei uns jegliche Personaldebatte sofort öffentlich ist. Ich finde das nicht schlimm (bei anderen Parteien gibt es das genauso, da kriegt es nur kein Schwein mit!), aber uns muss umso mehr bewusst sein, wie wir diese Debatte führen wollen. Kritik sollte sachlich geäußert werden dürfen, muss aber auch sachlich entgegengenommen werden. Mich selbst betrachte ich als sehr kritikfähig. Bitte, bitte werft mir was vor die Füße, wenn ich mich verrenne. Twittert mich an, schickt mir ne Mail, ne Nachricht, ruft mich an. Im Nachhinein angedeutete, nicht namentlich benannte Kritik ist irgendwie doof … damit kann ich nicht so recht umgehen.
Was wir auch tun sollten, ist, unsere Piraten, die irgendwo in Verantwortung sind, ermutigen, “Hilfe” zu rufen, wenn eine Überlastung eintritt. Wir müssen uns gegenseitig mehr unterstützen. Vielleicht sollten wir auch die Diskussion über bezahlte Hilfen für den Landesvorstand neu entfachen. Vielleicht auch die Diskussion über bezahlte Vorstände. Ich persönlich bin da gerne bereit, meinen Beitrag für unser gemeinsames Projekt zu leisten.
Und um auch das klarzustellen: Ich habe eben schon dem Landesvorstand eine Mail geschickt und meinen ersten der beiden Sonstigen Anträge für den Landesparteitag zurückgezogen. Da hier viele Mitantragsteller dabei waren, müssten diese noch Selbiges tun. Den zweiten (der mit der Neuwahl der Liste) halte ich aufrecht. Nicht, weil ich den nach derzeitiger Sachlage bejahen würde, sondern weil ich alles dafür tun möchte, dass wir einen Beschluss fassen können, wenn er denn notwendig würde. Nach meiner derzeitigen Auffassung der Rechtslage, scheint hier keine Anfechtung mehr möglich zu sein. Aber der Landesvorstand hat ja angekündigt, das weiter prüfen zu wollen. Sollte sich noch was ergeben, könnten wir handeln.
Apropos Landesvorstand: Ich mache mir keine Sorgen. Wir werden in Bottrop einen schlagkräftigen Landesvorstand wählen, der uns in den Bundestagswahlkampf führen wird. Es sind schon jetzt gute Kandidaten auf der Liste und ich bin mir sicher, dass der ein oder andere aus dem derzeitigen Landesvorstand auch künftig weitermachen wird und das Vertrauen des Landesverbandes bekommt!
Aber nun … Ich habe mir vorgenommen, dass dies nun meine letzten Worte zu dieser ganzen Sache sind. Wenn die Presse hiervon irgendwas zitieren möchte, bitte! Hier sind 1337 offene Wörter, die für jeden zugänglich sind. Das alles ist nicht nur ein Problem innerhalb der Piraten. Der Umgang, ja, am Umgang müssen wir arbeiten (s.o.)! Ein Problem ist aber ganz sicher nicht, dass die Basis das Wort erheben kann, dass die Mitglieder unserer Partei Fragen stellen können und dass sich der Landesvorstand fast zwei Stunden öffentlich “grillen” lässt. It’s not a bug, it’s a feature! In anderen Parteien wird sowas im Hinterzimmer besprochen und irgendwann wird irgendwo ein Bauernopfer präsentiert oder die Schuldigen verschwindern heimlich, still und leise…
Liebe Piraten! Bitte! Bitte lasst uns dieses Ding nun abhaken und wirklich auf Politikkurs kommen. Am 14.4. sind in ganz Deutschland Demos zur Bestandsdatenauskunft geplant. Nehmt teil! Dieses skandalöse und vermutlich verfassungswidrige Ding ist unsere persönliche Einladung in den Bundestag!
In Umfragen stehen wir bei 3% – uns fehlen noch mindestens 2%-Punkte!
Challenge accepted!
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