Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP): Viele Worte, wenige Argumente, noch weniger Sinn!

2015-09-22_Oliver Bayer_ Anhörung PPPWeshalb wir keine Partnerschaft mit der ÖPP-Mafia brauchen!

Immer noch und immer wieder soll uns der Nutzen sogenannter Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) bzw. Public Private Partnerships (PPP) nahe gebracht werden. Die Befürworter präsentieren ÖPP als „neue, innovative“ Lösung für Finanzierungsprobleme bei der Verkehrsinfrastruktur. Doch ÖPP löst diese Probleme nicht und innovativ ist ÖPP auch nicht – nicht einmal neu. Dennoch gibt es kaum positive Beispiele. Die wenigen müssen als Beweis für das komplette Luftschloss herhalten.

Mit wirklich neuen Technologien und dem Wandel der Gesellschaft können und müssen wir die Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur anders lösen als vor 30 Jahren. ÖPP brächte dagegen eine Verschlimmbesserung, um eine kaputte Verkehrspolitik weiter zu betreiben.

Vor allem CDU / CSU und FDP werden nicht müde, ÖPP als Lösung für das in der Tat bestehende Problem der vernachlässigten öffentlichen Infrastruktur zu präsentieren. Die öffentliche Hand verfüge weder über genügend Mittel noch über das notwendige Know-how, große Infrastrukturprojekte zu stemmen. Private seien effizienter und kostengünstiger. Unterm Strich profitiere die Gesellschaft von diesem Geschäftsmodell, das auf der Leistungsfähigkeit großer privater Unternehmen aufbaut.

Wenn der NRW-Bau- und Verkehrsminister Groschek fordert, jedes einzelne Projekt „ideologiefrei“ zu prüfen, ist er  der ÖPP-Mafia bereits auf den Leim gegangen. Denn die Ausgaben werden nur verschoben, versteckt und späteren Generationen aufgebürdet. Das zeugt nicht von nachhaltiger oder zukunftsfester Infrastrukturpolitik.

Der Staat kann sich derzeit und absehbar Geld praktisch zum Nulltarif leihen, private Unternehmen müssen auf deutlich teurere Finanzierungen zurückgreifen. Für ÖPP fallen zudem hohe Transaktionskosten an. Daher ist ÖPP aus sich heraus schon teurer als ein von öffentlichen Aufgabenträgern verantwortetes Vorhaben. Dass Private darüber hinaus an solchen Projekten jetzt und dauerhaft verdienen wollen, ist hier noch gar nicht berücksichtigt. Außerdem sind Renditezusagen über Jahrzehnte keineswegs unüblich in diesem Geschäft. Solche Garantien wirken sich zwangsläufig zum Nachteil der öffentlichen Haushalte und damit der Menschen in diesem Land aus, weil genau daraus ja die vertraglich langfristig vereinbarten Zahlungen geleistet werden. Womit wir es hier mithin zu tun haben, ist eine Privatisierung öffentlichen Eigentums ohne Vorteil für die Gesellschaft.

Private lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Deshalb sind die geschlossenen Verträge meistens vertraulich und stehen der öffentlichen Kontrolle nicht zur Verfügung. Die Parlamente – das sagt die Erfahrung – sind überfordert mit der Prüfung und Abwägung solcher Verträge, die von teuren Kanzleien erstellt werden und regelmäßig so umfangreich sind, dass eine parlamentarische Kontrolle effektiv nicht möglich ist.

Demokratische Defizite drohen

In der Praxis sorgen die nicht zugänglichen Verträge für weniger öffentliche Beteiligung und deutlich weniger Transparenz. So umgehen private Konzerne sehr leicht die Parlamente und deren Haushaltsrecht. Letzteres ist ein Vorteil, wenn man die Schuldenbremse austricksen will, aber damit hält man sie noch lange nicht ein.

Wenn die Schuldenbremse die Politik nur zu Tricksereien wie ÖPP führt und eben nicht sogenannte Konsumausgaben – also Wahlgeschenke wie die „Rente mit 63“ oder die Herdprämie – bremst (was Erfahrungswerte zeigen), dann geht sie ganz entschieden zu Lasten von Investitionen und dem Erhalt unserer Infrastruktur in allen Bereichen. Weil den Wählerinnen und Wählern nach Meinung der Großen Koalition zeitgleich keine Steuererhöhungen zugemutet werden sollen, sind die Politiker und Politikerinnen in den Ländern und Kommunen zunehmend dazu gezwungen, von einer allgemeinen Steuerfinanzierung Abstand zu nehmen und ständig nach neuen Finanzierungsquellen zu suchen.

Die Botschaft aus der heutigen Anhörung zum Thema im Landtag NRW ist dazu eindeutig:

ÖPP ist keine Lösung!

Was uns daher gleich zu Beginn der Auswertung der Stellungnahmen wundert, ist dass es in der Stellungnahme von ÖPP Deutschland AG heißt (Seite1): „Eine ÖPP Realisierung ist nach inzwischen herrschender Meinung keine Finanzierungsform, sondern eine strategische Organisationsalternative der Bereitstellung von Immobilien und Infrastruktur“.

Aber dazu passt die Kritik der Gewerkschaften: Die Gewerkschaften in der Fratzscher-Kommission – einer Kommission, die sich vermeintlich mit der Zukunft und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beschäftigte – stellten am Ende der Kommissionarbeit in ihrem Sondervotum fest, dass es einer Mehrheit der Kommissionmitglieder nicht um die Finanzierung unserer Infrastruktur gegangen sei, sondern um „die Behebung des ‚Notstands‘ niedriger Zinsen für Finanzinvestoren“ – damit sind zum Beispiel Lebensversicherern gemeint, die in der Finanzkrise nach neuen Investitionsmöglichkeiten suchen. Interessanterweise wird bei ÖPP der Renditeaufschlag (also, dass die Öffentliche Hand draufzahlt) oft mit der damit einhergehenden Risikostreuung begründet; als Vorteil für die Anleger, steht aber die Sicherheit der ÖPP-Anlage im Vordergrund.

Somit stellt sich die Frage, ob ÖPP eine Lösung für eine bessere Infrastruktur bietet oder ob wir endlich einmal über dieses für die Steuerzahlenden am Ende teures ÖPP-Lobbying aufklären sollten.

Die Antwort vorweg: Wir sollten nicht nur aufklären, sondern das ÖPP-Lobbying und die ÖPP-Abzocke SOFORT einstampfen!

ÖPP bedeutet „Private“ (P) kassieren die Öffentliche Hand (Ö) ab!

Und sind wir nicht alle ein bisschen „Ö“? Schließlich haben alle Steuerzahlenden die Infrastruktur bereits bezahlt. Warum nennen wir das dann eigentlich Partnerschaft? Es ist vielmehr so, dass in den meisten Fällen private Konzerne uns abkassieren. Und dies auf Dauer!

  • ÖPP lohnt sich aufgrund der hohen Transaktionskosten nur bei Bauvorhaben über 10 Mio. (Faustformel)
  • ÖPP-Projekte werden nur dort realisiert, wo eine Rendite schnell und sicher vom Projektträger erwirtschaftet werden kann: zum Beispiel für stark frequentierte Auto- und Bundesbahnen oder ein notwendiges wichtiges Brückenbauwerk
  • Die Öffentliche Hand muss allerdings flächendeckend auch Bauvorhaben ausführen, die nicht immer hoch rentabel sind (Lückenschlüsse, Tunnelbauten, Land- und Umgehungsstraßen). ÖPP eignet sich somit – wenn überhaupt –  nur stellenweise als Instrument

Das nötige Bauwissen ist bereits heute in öffentlichen Verwaltungen nicht mehr ausreichend vorhanden. ÖPP-Projekte setzen Anreize, in Zukunft noch weniger Baufachwissen in öffentlichen Verwaltungen zu versammeln. Schon bald müssen bei einem flächendeckenden ÖPP-Einstieg immer mehr der in einer Baubehörde zur Verfügung stehenden Mittel für Juristen ausgegeben werden, um die hunderte Seiten umfassenden Verträge mit den hochspezialisierten Anwälten der ÖPP-Konzerne zu diskutieren. Für die zukünftige Fachaufsicht ist dies eine Aushöhlung der Kompetenzen! Diese Juristen können vielleicht halbwegs die hochkomplizierten ÖPP-Verträge aufsetzen, aber sicherlich keine Fachaufsicht führen. Eine öffentliche Verwaltung ohne Bauwissen hat keine Wahl mehr und muss sich auch Preise diktieren lassen.

Werden die Mittel für Bauaufsicht systematisch falsch eingesetzt beginnt eine Abstiegsspirale. Wir sollten stattdessen – wie es der DGB gemeinsam mit uns fordert – die Landesbauverwaltungen stärken!

Ein großer Vorteil von ÖPP sollen kürzere Bauzeiten sein. Doch hier lautet zunächst die Frage: Wie kann die Öffentliche Hand ebenso schnell oder schneller werden? Eine Lebenszyklusplanung, eine gute Terminplanung, all das funktioniert auch ohne ÖPP.

Wir sagen: Dadurch, dass wir die Landesbaubehörden mit dem nötigen Personal stärken, mit zusätzlicher Transparenz und dem Einsatz von BIMS (Building Information Management Systems) und einer umfassenden Bürgerkontrolle und –beteiligung, soll die Qualität der Bauleistungen durch die öffentliche Hand wieder gesteigert werden.

Prof. Holger Mühlenkamp schreibt in seiner Stellungnahme zu ÖPP: „Gewichtet man die kurzfristigen Effekte stark und die langfristigen gering, dann wird man eher zu einer Vorteilhaftigkeit gelangen als im umgekehrten Fall“.

D.h. die Verträge sind so kalkuliert, dass auch in ÖPP-Phase 2 die Kosten für die Steuerzahlenden erst am Ende überproportional ansteigen und auf den Kopf fallen. Das ist eine Einladung für Betrugs- und Täuschungsverträge, bei denen das Risiko für den Staat erst am Ende steigt.

Mittelstand und Handwerk sind bei der Auftragsvergabe benachteiligt und sind unterrepräsentiert. Die Transaktionskosten sind derart hoch, dass erst mit einem Bauvolumen von 10 Millionen Euro überhaupt eine Rentabilität erreicht werden kann. Durch ÖPP erreichen wir also das Gegenteil unseres Zieles, dezentrales und lokales Wirtschaften für Handwerk und Mittelstand umzusetzen.

Eine Anekdote dazu: Die IHK lieferte zuerst eine Stellungnahme ab, die eindeutig „pro ÖPP“ war. Nun gibt es eine aktualisierte Fassung, die im letzten Absatz plötzlich den Mittelstand berücksichtigt, den man vorher wohl schlicht vergessen hatte; nun steht dort, was vorher fehlte: „Ein nicht zu unterschätzendes Risiko einer Ausweitung von ÖPP bei großen Infrastrukturvorhaben liegt in einem weitgehenden Ausschluss des Mittelstandes“. Die IHK will sich nun dafür einsetzen, „dass das mittelständische Baugewerbe nicht ausschließlich in die Rolle des Subunternehmers gedrängt wird. Witzig und abstrus, was Stellungnahmen manchmal bieten; die Stellungnahme der IHK schrieb wohl zunächst einer der Großunternehmer in der IHK. Aber diese wurde noch rechtzeitig geändert und überarbeitet.

Dies sollten wir nun auch insgesamt tun – in der Landespolitik.

Abgeordnete müssen alles wissen und können doch nichts richtig. Gerade dieser Knackpunkt ist für mich das reizvollste an meiner neuen Aufgabe. Ich liebe es, breitgefächertes Halbwissen anzuwenden anstatt es nur anzuhäufen. Um kompetent zu sein, muss ich vielen Menschen viele Fragen stellen. Dabei darf man mir zuschauen – und gerne mitwirken. Denn Politiker, die das Fragenstellen überspielen, sind anfällig für Lobbyisten und Auslöser von Politikverdrossenheit.

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