Nein, ich werde hier nicht lospoltern und verunglimpfen. Aber der Tisch der Berichterstattung in der Neuen Westfälischen und mit gleichem Titel und leicht verändertem Text in der Neuen Osnabrücker Zeitung „Piratenpartei in NRW: Untergang der Eigenbrötler“ gehört schon – ein bisschen! – gerade gerückt. Dabei kann ich – bei aller Faktenorientierung – Quietsch- und Kratzgeräusche vielleicht nicht vermeiden.

An die Adresse eines Fraktionskollegen ….
Florian Pfitzner hat für die genannten Beiträge Michele Marsching als Fraktionsvorsitzenden der Piratenfraktion NRW und mich als ehemaligen Fraktionsvorsitzenden per Email interviewt. Hier sind nun meine vier Antworten auf Florian Pfitzners Email-Interview mit mir. Die Fragen dazu lasse ich mal weg, denn die hat Herr Pfitzner mir nicht „freigegeben“.
Antwort Eins:
Bleiben wir mal bei der großen Anfrage zum Einfluss der Bertelsmann-Stiftung. Bislang hat keine Fraktion in irgendeinem Parlament in Deutschland je eine große Anfrage zu diesem Thema gestellt. Es steht im Kontext des Transparenzgedankens, den die Piraten besonders hochhalten. Die Antwort der Landesregierung wird zur Zeit von Fachleuten ausgewertet. Das wird die Politik auch in Zukunft beschäftigen müssen.
Auch in Zahlen kann sich unsere Bilanz sehen lassen, 19 eigene Gesetzentwürfe, Mitarbeit an 7 weiteren, 530 Anträge, 908 kleine und 5 große Anfragen, dazu 16 aktuelle Stunden. Unsere Expertise insbesondere in allen Fragen, die die digitale Revolution betreffen, wird geschätzt und bisweilen gefürchtet, da wir hier den umfassendsten Ansatz haben und die Anderen vor uns hertreiben konnten.
Desweiteren konnten wir in der Verkehrspolitik, sogar in Umwelt- und Energiepolitik und in der Bildungspolitik, Schule und Hochschule, punkten. Wir waren die ersten, die den Wunsch vieler Eltern nach G9 wirklich ernst genommen haben!
Antwort Zwei:
Für eine kleine Oppositionsfraktion, die konstruktiv und rebellisch vorgeht, ist es normal, auch mal an Grenzen zu kratzen. Zu weit gegangen sind wir dabei keinesfalls. Wenn man dies mit den Skandalen und Fragwürdigkeiten im Regierungshandeln hier in NRW oder in Berlin vergleicht, waren das ausnahmslos Petitessen. Und klar, im Umgang damit, auch im medialen Umgang, sind uns auch Fehler unterlaufen, das ist menschlich.
Antwort Drei:
Ich vermisse bei den Altparteien den systemischen, systemkritischen Ansatz. Die Kernfragen sind doch, wie lässt sich Demokratie in Zukunft unter den globalen Randbedingungen wie z.B. dem Klimawandel und der rasenden technologischen Veränderung noch realisieren? Und zwar so, dass weder die gesellschaftliche Solidarität, das Wir, noch die individuelle Freiheit, das Ich, darunter leidet?
Piratenpolitik bewegt sich grundsätzlich im Dreieck zwischen Solidarität, Freiheit und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Menschen in unserem Land. Da sehe ich bei den Anderen immer nur Teilaspekte und Klientelpolitik. Und oft fehlt der Wagemut, mal neu oder anders zu denken. Da sind wir eindeutig vorn und Impulsgeber, smart und gerecht eben.
Antwort Vier:
Die Piraten sind als ein langfristiges Projekt einer „Demokratie der Vielen“ angelegt, unabhängig davon, ob wir den Wiedereinzug in den Landtag NRW schaffen oder nicht. Wir sind in vielen Kommunen in NRW in Stadträten und Kreistagen etabliert mit ca. 130 Mandaten und dort als Anpacker und Macher bekannt. Darauf lässt sich aufbauen, sollten wir den Wiedereinzug nicht schaffen. Aber erstmal ist Wahlkampf!
Soweit das Interview sofern es meine Äußerungen betrifft.
In den Zeitungsbeiträgen wird jedoch in aller Breite der Ex-Piratenabgeordnete und designierte „Netzexperte“ des Landesverbandes von „Die Linke“, Daniel Schwerd, zum Zustand der NRW-Piraten und seiner ehemaligen Fraktion vor der Wahl zitiert.
Erinnern wir uns. Eine Woche vor der Wahl zum Berliner Feierabendparlament, dem Abgeordnetenhaus, wurden in Berliner Printmedien bis hin zu Spiegel Online gleich vier Ex-Piraten, Christopher Lauer, Martin Delius, Anke Domscheit-Berg und sogar die ehemalige politische Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Marina Weisband, bemüht, sich zum Zustand der Partei zu äußern. Die Wortzitate von Frau Weisband waren nahezu ein Jahr alt, wie sie glaubhaft versicherte.
Man braucht kein scharfes analytisches Messer, um da ein Muster herauszuschälen. Es springt förmlich ins Auge. Die ehemaligen gehypten Medienlieblinge von der Piratenpartei kriegen nun ordentlich aufs Dach. Und in Berlin war es noch schlimmer, dort kamen fast ausschließlich Ex-Piraten zu Wort, Ex-Piraten denen auf diese Weise mal wieder ein klein wenig mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde – Frau Weisband hier mal ausgenommen.
Dem gegenüber hat Herr Pfitzner jedoch auch Michele Marsching als Fraktionsvorsitzenden und mich als ehemaligen Fraktionsvorsitzenden interviewt. Allerdings steht die Kritik unseres Ex-Mitglieds vorn.
„Schwerd hat sich in der Fraktion der Eigenbrötler nie wirklich wohlgefühlt“, heißt es in beiden Zeitungsbeiträgen. Und das sagt genau wer? Mit dem Vorwurf „Eigenbrötler“ verhält es sich ja so, er kann flugs auf den Urheber zurückschlagen. Ich bin jeder Zeit bereit – als ehemaliger Kollege und auch als ehem. Fraktionsvorsitzender, Herrn „unterbrich mich nicht, wenn ich dich ignoriere“ Schwerd eine sehr stark ausbaufähige Teamfähigkeit zu bescheinigen.
Ein Beleg? Gern. Aber nur einer. Schwerd hielt mal eine Rede auf einem Bundesparteitag der Linken. Gastreden auf Parteitreffen anderer Parteien gehören für mich durchaus zu einem guten politischen Stil, sie fördern den überparteilichen Meinungsaustausch. Und ich als Fraktionsvorsitzender erfuhr davon – ohh Wunder – aus den Medien. Ausnahmslos alle! meine Telefonate mit Daniel Schwerd hatten genau einen Ausgangspunkt, nämlich mein Smartphone. Und wer mag, kann ja mal seine ehemaligen Ausschusskollegen Kai Schmalenbach und Lukas Lamla zur Zusammenarbeit befragen …
Und Schwerd beklagt sich über Pöbeleien auf Twitter und anderswo. Dabei liegt er mit über 66.000 Tweets auf Twitter – selbstverständlich nur wichtige Inhalte, kicher – weit vor allen anderen aus seiner ehemaligen Fraktion. Wer im Glashaus …. und so weiter.
Es sei den Piraten „nicht gelungen, ein gemeinsames Gesellschafts- und Menschenbild zu entwickeln“, sagt Schwerd weiter in der Neuen Westfälischen. Zugegeben, das hat etwas gedauert. Das ist aber normal für eine junge Partei, denen Menschen aus verschiedenen, aus liberalen und linken Lagern zuströmten.
Eines von mehreren möglichen Gegenargumenten liegt in der Existenz eines abgestimmten netzpolitischen Manifestes.
Demgegenüber veranstaltete Schwerd, der sich jetzt bei den NRW-Linken ganz sicher mit sehr viel mehr dogmatischen und fundamentalistischen Positionen auseinandersetzen muss, jüngst im Landtag von NRW eine Fachtagung des NRW-Landesverbandes von „Die Linke“ zur Digitalisierung, die an inhaltlicher Armseligkeit kaum zu überbieten war. Als Referentin war auch die Expiratin und Parteihopperin (Grüne → Piraten → jetzt Nähe Linkspartei) Anke Domscheit-Berg zugegen. Ihr Beitrag, der neben Jeremy Rifkins „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ stark auf Jubelbücher und Tech-Innovationen aus dem Silicon Valley Bezug nahm, unterstrich deutlich die Ideenlosigkeit der Linken in Sachen Informationstechnologische Revolution.
Auch der ehemalige Fraktionskollege Robert Stein wurde in den Beiträgen bemüht. Ich wage es nicht, ihn als Ex-Pirat zu bezeichnen, gefühlt war er schon immer in der CDU … aber lassen wir das.
Nein, mir haben Florian Pfitzners Beiträge in den beiden Zeitungen nicht gefallen. Das müssen sie aber auch nicht. Und ich setze mich jederzeit für ihn und für die journalistische Freiheit ein. Ich kann ja antworten, so wie hier. Was möglicherweise weggelassen worden ist, kann ergänzt werden. Die Frage ist nur, wer kriegt‘s mit?
Schönen Tag noch und den NRW-Piraten einen schönen Landesparteitag in Bielefeld, möglichst #smartgerecht ….
Nick H. aka Joachim Paul
PS.: Ohh wait!
Ist jemand an sachlicher Kritik an der Medienlandschaft interessiert?
Hier sind drei lesenswerte Bücher … mit Links dazu. (Nein! Nicht zu Amazon.)
Thomas Meyer, Die Unbelangbaren
„Die große Meinungsvielfalt in der deutschen Presse ist Geschichte“
Uwe Krüger, Meinungsmacht
Telepolis: Journalismusforschung:“Ganz auf Linie mit den Eliten“
Wolfgang Herles, Die Gefallsüchtigen
„Merkel verhält sich nicht anders als quotensüchtige Medien“