Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom Dienstag den 13. Mai entschieden, dass sich Personen an Suchmaschinen wenden dürfen, die dann unter bestimmten Voraussetzungen Suchergebnisse aus der Trefferliste zu ihrem Namen entfernen muss. In der Medienberichterstattung, aber auch in der Darstellung von Netzpolitikern und Datenschutzexperten wird diese Entscheidung als „Recht auf Vergessen“ gefeiert und als Sieg gegen die Suchmaschine Google dargestellt. Doch dieser Sieg ist ein Pyrrhussieg. Im vorgelegten Fall war ein Spanier von einer Zwangsversteigerung im Jahr 1989 betroffen, über die eine Zeitschrift unter Namensnennung berichtete. Der Artikel ist im Archiv der Zeitung aufrufbar, wird von Suchmaschinen daher gefunden und indiziert. Unter der Angabe des Namens des Mannes kann man also diesen Artikel auffinden. Da eine solche Information für die Kreditwürdigkeit des Mannes ein dauerhaftes Problem darstellt, hat er selbstverständlich ein berechtigtes Interesse, nach einer so langen Zeit und nach Erledigung seiner Pfändung mit diesen Nachrichten nicht mehr belastet zu werden. Ein Zweiklassen-Datenschutz Gegen den Verlag war die Klage jedoch erfolglos: Die ursprüngliche Veröffentlichung war rechtens, die Gerichte sahen keine rechtliche Grundlage, dass die Veröffentlichung zurückgenommen werden müsse. Hier haben die Richter in der Abwägung der Pressefreiheit gegenüber Privatsphäre und Datenschutz der Person, über die berichtet wurde, offenbar die Rechte der Zeitschrift höher gewertet. Anders jedoch gegenüber Google. Das Unternehmen wird für die Veröffentlichung von persönlichen Daten in Form seiner Suchergebnisse in Anspruch genommen – auf ein vergleichbares, stärkeres Recht wie die Pressefreiheit kann es sich offenbar nicht berufen. Das Urteil führt also zu dem schizophrenen Effekt, dass rechtmäßig und legal veröffentliche Inhalte dennoch aus Suchmaschinenergebnisse aufgrund von Datenschutz entfernt werden müssen. Es entsteht also ein Datenschutz erster und zweiter Klasse – ein Datenschutz, der sich auf Veröffentlichung im Internet bezieht, und einer, der sich auf die Wiedergabe von Suchergebnisse, also auf die bloße Referenz auf diese Inhalte bezieht. Oder kurz gesagt: Ein Recht, dass vollkommen legal veröffentlichte Inhalte nicht verlinkt werden dürfen. Daraus ergibt sich aber gerade kein Recht auf Vergessen, sondern lediglich ein Recht auf Nichtauffindbarkeit in europäischen Suchmaschinen. Das Internet ist nicht Google Das Internet besteht aber nicht aus Google. In Google nicht angezeigte Ergebnisse sind aber nicht gelöscht oder „vergessen“, im Gegenteil. In allen möglichen anderen Zusammenhängen können die Ergebnisse dann doch auftauchen, und selbstverständlich im Zeitungsarchiv jederzeit nachgelesen werden. Und Suchmaschinen ohne Sitz in Europa sind gar nicht betroffen. De facto entsteht ein „Recht auf Sperren“ in europäischen Suchmaschinen, welches deutlich geringeren Anforderungen unterliegt als das, Inhalte zu löschen. Es stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar, vollkommen legal veröffentlichte Inhalte aus den Suchmaschinen zu zensieren, gegen die ansonsten keine rechtliche Handhabe besteht. Es wird gar nichts „vergessen“. Google kann die Inhalte aus dem Suchindizes nicht endgültig löschen, da sie beim nächsten Suchlauf wieder aufgefunden werden. Im Gegenteil: Google muss in Zukunft speichern, dass ein bestimmter Inhalt auf Wunsch einer Person als Verletzung seiner Privatsphäre zu werten ist. Ein zusätzlicher, überaus sensibler und personenbezogener Datensatz. Keine Datensparsamkeit. Rechtsunsicherheit Das Urteil mag zwar als eine „Lex Google“ anmuten, hat seine Wirkung aber gegen sämtliche Suchmaschinen. Und … Weiterlesen →