Skandalanordnung von Massengentests bei „jungen Mädchen und Frauen“ in Krefeld

Ein skandalöser Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom heutigen Montag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Krefeld infolge bisher ausgebliebenen Ermittlungserfolgs in einem Fall von Säuglingstötung löst sog. „Massengentest“ (DNA-Reihenuntersuchung) aus. Der tote Säugling wurde vor 3 Wochen im Krefelder Südpark aufgefunden. Dies berichtet u.a. die Rheinische Post Online und FOCUS online. So heißt es:

 

„Untersucht werden sollen alle jungen Mädchen und Frauen, die ein Kind gebären können. Dieser DNA-Test sei freiwillig. Frauen, die diesen Test ablehnen, sind grundsätzlich nicht automatisch verdächtig. Es werden jedoch seitens der Polizei weitere Ermittlungen, insbesondere im Umfeld der Frau durchgeführt, um einen Tatverdacht sicher ausschließen zu können.“

Sog. Massengentests auf Basis von § 81 h Strafprozessordnung stehen insbesondere wegen Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung seit Jahr und Tag in der Kritik. Ferner steht in der Kritik, dass mit der gleichwohl auf Basis richterlicher Anordnung stattfindenden Untersuchung und teils über das Ziel hinaus schießenden Ermittlungspraktiken eine Umkehr der Unschuldsvermutung einhergeht. Das Tor zu einer Fülle weiterer rechtlich problematischer, insbesondere auch verfassungsrechtlicher Fragen wird damit weit aufgestoßen.


Die Unschuldsvermutung ist eines der höchsten Rechtsgüter unseres Staatswesens und folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz. Die aktuell in Krefeld angeordnete Maßnahme ist aus meiner Sicht geeignet, eine rechtsfehlerbehaftete Alibinachweispflicht einer unbestimmt großen Anzahl von unschuldigen Betroffenen auszulösen. Dies gilt vor allem, weil eine nicht ohne weiteres näher bezifferbare Anzahl von Kindern und Jugendlichen einbezogen wird bzw. ihre Erziehungsberechtigten, falls diese – was sie dürfen – eine freiwillige Teilnahme an der DNA-Reihenuntersuchung verweigern. Jegliche etwa nötigenden Elemente bei der Ankündigung und Durchführung der Tests sind unbedingt zu vermeiden und haben zu unterbleiben. Stattdessen sind die Betroffenen umfassend und eingehend über ihre Rechte aufzuklären.

Unabhängig davon, dass Kosten und Nutzen (Fahnungserfolg ist fraglich) bei Massengentests zuweilen in einem auffälligen Missverhältnis stehen, schießt die Krefelder Anordnung deutlich über das Ziel hinaus. Dies zumal potentielle Täter nicht zwingend innerhalb des untersuchten räumlichen Bereichs ihren ständigen Aufenthalt haben müssen.


Eine Untersuchung „aller jungen Mädchen und Frauen in Krefeld und Umgebung, die ein Kind gebären können“ halte ich schlechterdings für einen von mangelnder Weitsicht kaum zu überbietenden Justizirrsinn. Zunächst müsste nämlich einmal die Empfängnis- und Gebärfähigkeit tausender Betroffenen festgestellt werden. Alleine das Unterbleiben dieser Feststellung führt zu einer Situation von Generalverdacht, der deutlich die Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahme in Frage stellen lässt. Stattdessen wird hier durch die angestrebte Fahnungsmaßnahme auch noch eine wahllose Verletzung von Kindeswohl in Form etwaiger Traumatisierungen billigend in Kauf genommen, wenn es um die Untersuchung explizit auch von „jungen Mädchen“, also Minderjährigen geht.

Es steht außer Zweifel, dass die Justiz in einem solch furchtbaren, wie vorliegenden Fall von Kindstötung wie in jedem Fall von Tötungsdelikten dem rechtsstaatlichen Strafanspruch gerade auch durch zweckdienliche Ermittlungsmethoden gerecht werden soll und muss. Eine wie vorliegend zweifelhafte Abwägung führt aber auch dazu, dass hier Folgendes zu prüfen sein wird: Ob nämlich nicht eine die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Gerichts oder dann auch der Handlungen der Ermittlungsbehörden indizierende Zweck-Mittel-Relation zur Annahme von Nötigung (§ 240 StGB) zu führen geeignet sein wird, da der Einsatz des Mittels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen sein könnte.

Die Folge der Verweigerung der Teilnahme am Massengentest insbesondere auch in Bezug auf „junge Mädchen“ würde zu weiteren Ermittlungen im persönlichen Umfeld der Verweigernden führen und im Weiteren auch zur richterlichen Anordnung von Zwangsmaßnahmen oder deren Androhung; nicht müssen, aber können. Dies folgt bereits aus der zwangsläufigen Drucksituation in Verbindung mit dem Ermittlungsanlass, in welche Betroffene beim Klingeln an der Haustür gebracht werden, was den Grad der Freiwilligkeit in Zweifel ziehen lässt. Dies gilt besonders hinsichtlich solcher Betroffener, die nach dem Gesetz als Jugendliche oder Kinder einzustufen sind. Die Frage sei erlaubt, ob es sich die Justiz im vorliegenden Fall nicht doch etwas zu leicht macht.

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3 Kommentar auf “Skandalanordnung von Massengentests bei „jungen Mädchen und Frauen“ in Krefeld
  1. Benjamin Blume sagt:

    Entschuldigung, aber was ist denn das für ein Schwachsinn?

    Wo ist denn das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hier gestört?
    Dieser DNA-Test ist freiwillig, nichts anderes wird von der Polizei auch gesagt, womit der ganze Kommentar an Blödsinn schon nicht zu überbieten ist.
    Außerdem bezieht sich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hauptsächlich auf die Verarbeitung _und Speicherung_ persönlicher Daten.
    Diese Daten werden aber nicht gespeichert, sondern nach dem (negativen) Vergleich sofort gelöscht/zerstört.

    MdL? Du meine Güte… ich sollte mir meine Zugehörigkeit zu dieser Partei noch einmal überlegen. Wahlbedingter Populismus um sich ins Gespräch zu bringen ist nur sinnvoll wenn die Argumentation Hand und Fuß hat, denke ich.

  2. A. Tessun sagt:

    Die Geschichte ist in ihrer ganzen Tragweite schrecklich und sehr traurig.
    Aber rechtfertigt sie einen Aufwand in der Form, in der die Krefelder Polizei dies jetzt vornimmt?
    Wie hoch sind die Kosten dieses Massengentests und wer trägt die Kosten dafür?
    Und wäre dieses Geld nicht besser in eine Babyklappe investiert?
    Krefeld hat ca. 120 Tsd. Bürgerinnen. Wenn man bei einem gebärfähigen Alter von 15 bis 45 Jahren ausgeht, sind das laut Krefelder Statistik ca. 42.000 Bürgerinnen. Meiner Meinung nach werden hier hohe Kosten bei einer zweifelhaften Effizienz generiert. Ein aufwendiger und teurer Massengentest ist wenig erfolgversprechend und jede zur Teilnahme aufgeforderte Person, insbesondere die gesuchte Täterin kann ohne weitere Konsequenzen die Teilnahme einfach ablehnen.
    Wer sagt den, dass die Täterin überhaupt aus Krefeld kommt? Kann es nicht genauso gut sein, dass sie aus dem näheren Umfeld wie Neuss, Mönchengladbach oder Viersen angereist ist um ihre Spuren zu verwischen?
    Bei einem solchen, zweifelhaften Unterfangen seitens der Polizei, wird diese dann nicht vielleicht versuchen auf Testverweigerer Druck auszuüben und Verdachtsgründe zu finden, um sie zu einer Testteilnahme zu bewegen?
    Wie hoch ist die Gefahr des Datenmissbrauchs? Ist es im Rahmen eines Massengentests, mit hohem personellen und finanziellen Aufwand, der zum sammeln der genetischen Daten notwendig ist, nicht genauso möglich, dass die Daten anderweitig verwendet, statt unwiderruflich gelöscht werden?
    Sind Laborfehler auf Grund menschlicher Fehlleistungen wie Ablesefehler oder Verwechslungen ausgeschlossen?
    Sind hier Begehrlichkeiten, ob des hohen Wertes der Daten und ein Missbrauch wirklich auszuschließen?
    Noch einmal die Frage:
    Wie hoch ist, gemessen an den Erfahrungen vergangener Massengentests, der Erfolg?
    Nun zu den Kosten. Bei einem aktuellen Massengentest im Norden Deutschlands sind für 3000 Speichelproben 60.000 Euro an Kosten angegeben worden.
    Werden dem nach, umgelegt auf den aktuellen Test in Krefeld hier Kosten in Höhe von ca. 850.000 Euro generiert?
    Wer bezahlt diese Kosten?
    Eine Babyklappe kostet in Ihrer Einrichtung ungefähr 60.000 Euro!
    In Ihrem Betrieb werden jährlich ca. 25.000 Euro generiert!
    Diese Daten sind dem Interview von Franziska Gruner mit dem Oberkirchenrat Dieter Kaufmann im Dezember 2013 entnommen.
    Es gibt aktuell Diskussionen darüber ob eine Babyklappe ihren Sinn wirklich erfüllt. Zu diesem Thema, dem „Für“ und „Wider“, gibt es auch einiges im Internet nachzulesen.
    Meine Meinung ist, dass das Geld für diesen Massengentest besser in Präventionen angelegt wäre.

  3. Bernd Schlüter sagt:

    Selbstverständlich werden die Gentestergebnisse dauerhaft gespeichert. Für die Kriminalitätsbekämpfung können solche Daten wertvoll sein. Insbesondere haben kriminelle Organisationen innerhalb unserer Geheimdienste dann die Möglichkeit, die Daten zu fälschen und somit die Nichtbeteiligung von Personen in ihren eigenen Reihen „nachzuweisen“.
    Ich persönlich hätte nichts gegen einen allgemeinen genetischen Fingerabdruck einzuwenden, wenn unsere Geheimdienste direktdemokratisch kontrolliert und vertrauenswürdig wären. Meine ganz persönlichen Erfahrungen mit diesen beweisen mir aber, dass sie es nicht sind.

    Es ist da Einiges faul in unserem Staate. Es gibt nicht viele Parteien, die den kriminellen Umtrieben in unseren Geheimorganisationen mit Direkter Demokratie und Kontrolle an den Kragen wollen.
    Krefeld soll wohl ein Testfall für die Einführung des allgemeinen genetischen Fingerabdrucks werden.
    Es geht nicht um den einen Fall.

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