Plenarrede: Marsching zu Ladenöffnungszeiten

Plenarsitzung 16 am 30. November 2012

Michele Marsching zu TOP 3: Bewährte Ladenöffnungszeiten in Nordrhein-Westfalen erhalten

Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/1471

Mitschnitt der Rede von Michele Marsching

Redeprotokoll:

Danke. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Mitbürger auf der Besuchertribüne und vor den Bildschirmen, in der Zukunft auf dem Mars in Gotham City! – Ich glaube, jetzt ist allen Vorurteilen gegenüber Piraten Genüge getan.

Zum Ernst! Wir behandeln heute den FDP-Antrag zur Beibehaltung der aktuellen Ladenöffnungszeiten. Bereits in der letzten Legislaturperiode ist das Gesetz vom Wirtschaftsministerium evaluiert worden. Verschiedene Akteure konnten ihre Expertise in einer öffentlichen Anhörung äußern. Eines ist damals deutlich geworden und gilt nach wie vor: Die Meinungen der Bürger zum Ladenöffnungsgesetz gehen weit auseinander.

Wir Piraten sind allerdings nicht seit Jahren hier. Deswegen konnten wir uns in dieser kontroversen Angelegenheit nicht im Voraus positionieren. Damit sind wir Gott sei Dank auch frei, eine sachliche Prüfung aller Argumente vorzunehmen.

Wir haben in der letzten Zeit Ansichten beider Seiten gesammelt und zusammengestellt. Dabei fällt auf: Die Bürger in Nordrhein-Westfalen sind eben kein homogener Block und haben nicht nur eine Meinung. Sie haben eine Vielzahl von Interessen. Sie sind Mitglieder verschiedenster Kulturen und Religionen, bzw. sie sind Atheisten.

Wir Piraten setzen uns für eine Politik ein, die Freiraum für individuelle Lebensentwürfe lässt. Dem Tatbestand des Hausfriedensbruchs, dem Eindringen in die Lebensplanung durch staatliche Bevormundung, stehen wir kritisch gegenüber. Warum sollte der Staat vorschreiben, wann ein Bürger seine Brötchen kaufen darf?

(Beifall von den PIRATEN)

Gestatten Sie mir, dazu folgendes Zitat des Bundeswirtschaftsministers vorzutragen:

„Eine offene Regelung durch die Länder würde die Chance für eine möglichst flexible, unbürokratische und den Verhältnissen vor Ort angepaßte Handhabung des Ladenschlusses eröffnen. Das würde den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dienen, aber auch dem sich ändernden Käuferverhalten in einer modernen Gesellschaft gerecht werden.“

Jetzt verrate ich Ihnen: Das ist kein Satz des aktuellen FDP-Wirtschaftsministers Rösler oder von Rainer Brüderle. Dieses Zitat stammt

(Zuruf von der FDP)

– vielen Dank – von unserem ehemaligen Bundeswirtschaftssuperminister Wolfgang Clement, der auch ehemaliger Ministerpräsident dieses Landes ist. Er hat uns das gesagt.

Wenn ich mir die beabsichtigten Beschränkungen an Sonn- und Feiertagen ansehe, muss ich feststellen, dass sich die Ausübung der Religion nicht mit dem Ladenschluss beißt.

Wenn wir auf andere betroffene Länder mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung sehen, zum Beispiel Australien, die Niederlande und die USA, dann erkennen wir, dass dort sogar mehr Menschen als bei uns in die Kirche gehen, obwohl sonntags verkauft wird. Ein flexibler Umgang mit Sonn- und Feiertagen würde im Gegenteil auch andere Religionen ansprechen, die beispielsweise freitags oder samstags nicht zu arbeiten erlauben.

Im Ergebnis hat die Flexibilisierung des Ladenschlusses die Verbraucherinteressen gestärkt und so dazu geführt – das ist ein Argument –, die Handels- und Verkaufszeiten zu entzerren und den Stress beim Einkaufen zu reduzieren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich habe inzwischen sogar zwei Zwischenfragewünsche.

Michele Marsching*) (PIRATEN): Ja, sicherlich. Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist schön. – Bitte sehr, Herr Abel.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Marsching, vielen Dank für die Möglichkeit zur Zwischenfrage. Ich möchte eine Frage zu Ihren Ausführungen zum Sonntagsschutz stellen. Ist Ihnen die Stellungnahme der evangelischen Kirchen in NRW bekannt? In der heißt es wörtlich:

„Die Evangelischen Kirchen in NRW sprechen sich … für eine spürbare Überarbeitung des Gesetzes aus, da die derzeitigen Regelungen zu einer drastischen Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes nachweisbar geführt haben.“

Wie stehen Sie zu dieser Stellungnahme, und wie ist das mit Ihren Äußerungen zur Haltung der Religionsgemeinschaften zum Sonntagsschutz vereinbar?

Michele Marsching*) (PIRATEN): Es kommt gleich noch eine Äußerung zum Sonntagsschutz. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu ja auch geäußert. Das Argument für den Sonntagsschutz werde ich also gleich noch bringen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich danke Ihnen, Herr Kollege Marsching. Mir geht es um die Beschäftigten. Wie sehen Sie denn da den Interessenausgleich? Was bedeutet die Möglichkeit, rund um die Uhr einzukaufen, für Frauen und deren Familien, die als Verkäuferinnen in den Geschäften diese Zeiten auszuhalten haben?

Michele Marsching*) (PIRATEN): Vielleicht hätte ich doch keine Zwischenfragen zulassen und diese erst am Ende ermöglichen sollen. Denn auch das kommt nämlich gleich noch.

Ich habe ja gesagt, dass wir Argumente gesammelt haben. Im Moment bin ich bei der einen Seite. Ich komme gleich zu den Argumenten für die andere Seite. Danke dennoch für diesen Hinweis, Frau Kollegin Beer!

Mit der bestehenden Regelung können Sie ganz gemütlich am Feierabend einkaufen, was Ihnen fehlt, oder Sie können an einigen Sonntagen mit Ihrer Familie einkaufen gehen. Die Öffnungszeiten sind länger als ehedem und haben sich den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst.

Bei aller Sympathie für die Beibehaltung eines liberalen Ordnungsrahmens, nehmen wir aber auch zur Kenntnis, dass die Novelle der Landesregierung nur wenige Eingriffe in das bestehende Gesetz vornimmt. Dabei gilt es, sich mehr als ein oder zwei Minuten Zeit zu nehmen und auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema „Sonntagsöffnung“ Rechnung zu tragen.

Eine Novellierung des Gesetzes ist unabhängig von der eigenen politischen Meinung notwendig. Bei der Beurteilung tut es Not, wenn man sich zum Schutz der Arbeitnehmer auch mit dem Arbeitsrecht beschäftigt und sich nicht nur auf der Seite der Konsumenten aufhält. An dieser Stelle gibt es wirklich massiven Änderungsbedarf.

Sie sehen, Polemik und ein „Du, du, du!“ ist fehl am Platz. Wer hier einseitig polemisiert und nicht den Schritt zurück macht, um das große Ganze zu sehen, der ist nicht weniger als ein Winkeladvokat für seine Sache.

(Beifall von den PIRATEN)

Letztendlich müssen wir beim Ladenöffnungsgesetz zu einer vernünftigen Abwägung kommen, bei der alle Interessen berücksichtigt werden müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich gehe gleich einkaufen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Zur Beruhigung aller Zuhörerinnen und Zuhörer: Er wird das natürlich erst dann tun, wenn das Parlament seine Sitzung geschlossen hat, nehme ich an, Herr Marsching.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Natürlich!)

Aber dann viel Spaß beim Einkaufen!

(Heiterkeit)

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