Joachim Paul zu den Übergriffen auf Asylbewerber durch Sicherheitspersonal

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Top 1.  Unterrichtung durch die Landesregierung

Übergriffe auf Asylbewerber durch Sicherheitspersonal in Unterbringungseinrichtungen des Landes

in   Verbindung damit

Vernachlässigung und Misshandlung von   Flüchtlingen in den Landesaufnahmen beenden – Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung für Schutzsuchende in Nordrhein-Westfalen stellen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/6909

in   Verbindung damit

Landesregierung versagt bei Aufsicht und lässt Kommunen allein: Misshandlung Asylsuchender in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften muss dringend aufgeklärt werden!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/6910

in   Verbindung damit

Transparenz schaffen – Die Landesregierung darf sich nicht hinter den Aussagen von privaten Betreibern von Flüchtlingsunterbringungen verstecken

Eilantrag auf Antrag der Fraktion der   PIRATEN

Drucksache 16/6911

Unsere 1. Redner: Joachim Paul

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Videomitschnitt der kompletten Debatte

Protokoll der Rede von Joachim Paul

Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner spricht für die Fraktion der Piraten der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank.  Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Art. 1 des Grundgesetzes ist heute zu Recht schon mehrfach bemüht worden. Das möchte ich nicht wiederholen. Die Aufnahme, Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen ist grundsätzlich eine staatliche Hoheitsaufgabe, und das nicht nur jetzt in Krisenzeiten. Sie liegt in der Hand von Bund, Ländern und Kommunen. Aber tut sie das wirklich?

Denn was wir gegenwärtig in den Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge erleben, kann auch unter der Überschrift „Willkommen im schlanken privatisierten Staat“ abgehandelt werden, so Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, CDU-Mitglied, in einem Interview im „ZDF-Morgenmagazin“ vom 28. dieses Monats. Wendt wies zudem deutlich auf das Kontrollversagen der Politik hin. Ich zitiere:

Wenn hoheitliche Aufgaben auf ein gewinnorientiertes Unternehmen übertragen werden, sind die Scheunentore weit geöffnet für Kriminelle, im Übrigen auch für Extremisten. Nun kann man, wie ich finde, durchaus schlüssig argumentieren, dass Private hier schneller und auch flexibler sein können. Aber wenn man das konsequent zu Ende denkt, heißt das auch, dass die staatliche Kontrolle dieser Privaten noch schneller sein muss.

(Beifall von den PIRATEN)

Und das kann nur greifen, wenn entsprechend Kräfte vorgehalten und die aktuell steigenden Bedarfe vom verantwortlichen Ministerium auch antizipiert werden. Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Minister Jäger. Was Sie wirklich aus dem Effeff können  das muss man Ihnen wirklich lassen , ist, sich PR-technisch gut in Szene zu setzen. Sie haben sich ein paar tolle Sachen ausgedacht: Blitzermarathon, Rockeraufstand, Salafistenkampf. Sie stellen sich immer als der harte Hund, der zupackende Macher dar. Und so manch einer hat Ihnen das vielleicht auch abgenommen.

In Ihren martialischen Auftritten im Lande, aber auch hier im Plenum haben Sie unsere sehr konkreten Forderungen zur Erstaufnahme, ja zur Asylpolitik im Allgemeinen stets vom Tisch gewischt. Und jetzt fällt Ihr Kartenhaus in sich zusammen.

(Beifall von den PIRATEN  Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die abscheulichen, übrigens im Internet geborenen Vorfälle in Burbach und anderswo zeigen deutlich, dass Sie Ihr Haus und dessen Verantwortlichkeiten nicht im Griff haben. Warnungen zu Zuständen, die Ihnen nicht passen, werden nicht einmal angehört. Sie hätten sich mal lieber um Blitzermarathons bei den privaten Sicherheitsfirmen kümmern sollen!

(Beifall von den PIRATEN  Vereinzelt Beifall von der CDU)

Immerhin hat die Dortmunder Ordnungsdezernentin erst vergangene Woche auf die hoffnungslos überfüllten Aufnahmeeinrichtungen aufmerksam gemacht und wurde von Ihnen postwendend mundtot gemacht mit der Begründung,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist das! Das ist der Demokrat da vorne!)

solche Aussagen stünden ihr nicht zu.  Da hätten Sie mal genauer hinhören sollen, aber das ist ja nicht jedermanns Stärke. Aber auf die Spitze treibt es Ihre Aussage vom letzten Dienstag. Sie gaben auf der Pressekonferenz mit Herrn Bollermann zu verstehen, dass es sich bei den Vorgängen aus Ihrer Sicht um das Werk einzelner Krimineller handele.  Diese Aussage ist wirklich schwer zu ertragen, denn sie ist eine Verhöhnung der Betroffenen.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

In Wirklichkeit handelt es sich hier um politisch zu verantwortende Systemfehler, Systemfehler, für die Sie und die Landesregierung die politische Verantwortung tragen, Systemfehler, auf die vorher mehrfach hingewiesen wurde, unter anderem auch von uns Piraten.

Eine Aufbereitung der Vorfälle sollte mit einer ehrlichen Analyse beginnen. Aber das scheinen Sie, Herr Minister, bedauerlicherweise nicht tun zu wollen. Was machen Sie stattdessen?  Sie machen weiter im Modus Ihrer PR-Politik, mit einer zehnköpfigen Taskforce gegen die Missstände im System und in den 19 Aufnahmeeinrichtungen. In alten Westernfilmen kommt die Kavallerie aus dramaturgischen Gründen immer fünf vor High Noon, aber sie kommt. Ihre vollmundig angekündigte Taskforce hingegen kommt zu spät, viel zu spät.

(Beifall von den PIRATEN)

Und noch einmal: Sagen Sie nicht, es hätte keine Warnungen gegeben. Das ehrliche Bedauern  das gilt für Sie und auch für Frau Ministerpräsidentin , Ihre Betroffenheit, Ihre Beschämung, das kaufe ich Ihnen ab. Aber Bedauern und Betroffenheit ersetzen eben nicht aktive und vorausschauende Verantwortung! Und sie ersetzen darüber hinaus auch nicht die Notwendigkeit eines ganz grundsätzlichen Paradigmenwandels in der deutschen und der nordrhein-westfälischen Flüchtlingspolitik! Und der grüne Umfaller Kretschmann in Baden-Württemberg ist da auch nicht hilfreich!

(Beifall von den PIRATEN)

Von moralisch- ethischen Bekenntnissen haben die schwer traumatisierten Betroffenen nämlich nichts. Das bitte ich zu bemerken.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.

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