Kai Schmalenbach über die Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers

Mittwoch, 9. April 2014

 

Top 1. Unterrichtung durch die Landesregierung Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers – weiteres Verfahren zu Garzweiler II

in Verbindung damit
SPD und Grüne opfern Arbeitsplätze sowie die sichere und bezahlbare Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen dem   Koalitionsfrieden
Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP
direkte   Abstimmung
Unser 1. Redner: Kai Schmalenbach
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Das Wortprotokoll der Rede von Kai Schmalenbach folgt in Kürze – derweil hier der vorbereitete Redetext. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,„Wenn die schmutzigsten, ältesten und klimaschädlichsten Kraftwerke den größten Gewinn abwerfen und gleichzeitig hochmoderne, klimafreundlichere Gaskraftwerke vom Netz gehen, läuft etwas grundlegend falsch“Es handelt sich hierbei um ein Zitat! Gesagt hat es Minister Johannes Remmel am 07. Januar diesen Jahres.Und er hat vollkommen Recht. Wir stimmen dem ohne Einschränkung vollumfänglich zu. Es läuft etwas falsch bei der Energiepolitik im Land NRW. Der Beschluss zur Verkleinerung des Abbaugebietes im Tagebau Garweiler II, über den wir heute diskutieren, ändert daran genau nichts und auch Herr Remmel weiß das ganz genau.Herr Minister Duin bestätigte in der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses am 3. April, dass sich nichts Grundlegendes bei der Verstromung der Braunkohle ändern wird. Es werden lediglich die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umgesetzt.

Die Effizienzsteigerung der neuen BoA-Kraftwerke gegenüber ihren Vorgängern führt zu einem geringeren Brennstoffbedarf bei gleicher Stromproduktion und nicht mehr als die so eingesparte Menge Braunkohle soll nun nicht mehr abgebaggert und verbrannt werden. Das ist eine gute Nachricht für die Bewohner von Holzweiler, aber es ist keine wirklich gute Nachricht für das Weltklima.

Es ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit, die alles andere als eine Überraschung sein sollte. Und wenn dann CDU und FDP im Ausschuss ein beeindruckendes Empörungsfeuerwerk liefern, muss man sich schon fragen, was haben die eigentlich verpasst?

Die Rahmenplanung für Garzweiler II begann in den achtziger Jahren, die Leitentscheidungen wurden 1987 und 1991 getroffen!

Eine Zeit in der weder die Bundesregierung noch die in NRW über den Ausstieg aus der Kohleverstromung nachdachten. Unter den Ministerpräsidenten Rau und Clement wurden die Rahmenbedingungen für Garzweiler II geschaffen.

Für Herrn Clement der zwischenzeitlich im Aufsichtsrat der RWE Power AG saß, ist die Idee einer Energiewende bis heute Werk grüner Spinner, auch, wenn sie gemeinhin fälschlicherweise mit Frau Merkel verbunden wird.

Nun hat aber nicht nur ein neues Jahrtausend begonnen, es muss heute jedem klar sein, dass auch in der Energieversorgung eine Zeitenwende kommen muss. Wir fordern seit Monaten, auf die veränderten Bedingungen zu reagieren. Den Ausstieg aus der Braunkohle zu planen.

Dennoch will die aktuelle Regierung weiterhin auf die schmutzigsten Kraftwerke setzen, die es gibt und belächelt uns für unsere Forderung in der öffentlichen Debatte. Auch wenn alle hier wissen, zwei der größten CO2 Schleudern Europas stehen hier in NRW, Neurath und Niederaußem sind die Standorte.

Das muss sich dringend ändern, wenn die Energiewende als wichtige Aufgabe begriffen wird, zu der es keine Alternative gibt.

Aber genau daran hält die Regierung unverändert fest. Das läuft grundlegend falsch und die Devise ist:

Kurs halten!

Doch wohin führt dieser Kurs? Die Anzeichen sind längst da, selbst die Aktionäre erkennen es, das Unternehmen RWE ist nicht mehr profitabel und das Kerngeschäft, die Stromerzeugung, basiert weiterhin auf der Technik des letzten Jahrtausends. Statt auf die einzige Ressourcen zu setzen, die wirklich dauerhaft zur Verfügung stehen, eben die erneuerbaren Energiequellen, hofft man weiterhin mit der Kohleverstromung Gewinne machen zu können. Gewinne auf Kosten des Weltklimas und auf Kosten der Gesundheit der Menschen. Kein Energieträger ist so schmutzig und so belastend für die Umwelt. Würden alle externen Kosten und Subventionen in den Strompreis eingerechnet, so transparent, wie man das zum Beispiel bei  der EEG-Umlage tut, niemand würde auf die Kohle setzen und niemand käme auf die Idee, zu sagen, die Energiewende sei teuer.

Nur, weil die Politik sich weigert dies anzuerkennen, weil zum Beispiel die FDP auch offen gegen die Energiewende stänkert, läuft es weiterhin grundlegend falsch und die Stimmung „proEnergiewende“ gerät zunehmend in Gefahr.

Wundern darf auch das nicht angesichts der über Generationen gepflegten Beziehungen zwischen Energieversorgern und der Politik.

Der aktuelle Klimabericht der Uno zeigt, wie brisant die Lage schon ist. Wir haben nur noch ein sehr kurzes Zeitfenster zum Handeln. In den Ausschüssen reden alle von Nachhaltigkeit und ich wäre froh, wenn jedem die Bedeutung der Nachhaltigkeit bewusst wäre. Nachhaltigkeit heißt nicht, das Klima nachhaltig zu schädigen und es heißt auch nicht, veraltete Geschäftsmodelle am Leben zu erhalten.

Wer heute ernsthaft den Begriff Nachhaltigkeit  in den Mund nimmt, der muss aktiv werden. Er muss die Zukunft der Energieversorgung auf regenerative Quellen aufbauen und er muss sich von der Kohle verabschieden.

Für NRW bedeutet das: Es ist allerhöchste Zeit den Ausstieg aus der Braunkohle zu planen. Wir fordern ein Braunkohleausstiegsgesetz!

Es darf kein weiter so wie bisher geben. Wir haben das Jahr 2014 und die 80er Jahre und das Denken dieser Zeit hinter uns gelassen.

Die Investition in ein neues Braunkohlekraftwerk ist die eine Investition in die Vergangenheit der Energieversorgung.

Wenn die Regierung dies zulässt, dann werden am Ende die Menschen im Land mit ihren Steuergeldern dafür haften müssen, entweder direkt oder indirekt, denn weitere Kohlekraftwerke werden ihre Finanzierungskosten nicht mehr einspielen.

Herr Remmel, sie haben Recht. Es muss sich etwas ändern und spätestens, wenn der Zertifikatehandel endlich zu einem wirksamen Instrument der Klimapolitik wird, dann werden die Dinosaurierkraftwerke untergehen. Bitte machen sie sich genau dafür stak.

Mit den Kraftwerken werden auch die Arbeitsplätze verloren gehen, die heute noch als Argument für die verfehlte Energiepolitik herhalten müssen. Arbeitsplätze lassen sich nicht auf Dauer mit Technik der Vergangenheit erhalten. Das ist weder möglich, noch sinnvoll.

Die Debatte hier verweist ohnehin ständig auf wegfallende Arbeitsplätze. Das ist korrekt, es fallen Arbeitsplätze bei RWE weg, aber uns erschließt sich nicht, warum das in diesem Land immer noch eine Drohkulisse ist. Eine Drohkulisse, die vor allem die Großindustrie immer wieder nutzt, um die Politik gefügig zu machen.

Dabei wird immer außen vor gelassen, dass in einem Wandel, Arbeitsplätze nicht einfach wegfallen, sie verlagern sich einfach nur, wenn man statt die Risiken zu beschwören, auf die Chancen setzt. Ja, ich bin sogar fest davon überzeugt, wenn wir die Chancen erkennen, werden deutlich mehr Arbeitsplätze entstehen, als bei den Energieriesen wegfallen. Die dezentrale Energieindustrie von Morgen, ist keine Großindustrie mehr, sondern eine Industrie der Bürger und des Mittelstandes, was immer auch damit verbunden ist, dass ein weggefallener Mittelständler eben keinen Tagesordnungspunkt über Wochen im Wirtschaftsausschuss setzt, wie es bei Opel geschehen ist.

Dem ganzen wohnt ein Systemfehler inne, ein Systemfehler, den die Politik seit Jahren permanent und dankbar befördert.

Wir müssen weg vom Bild der Erwerbsarbeit, das Politik und Industrie dem Bürger einflössen und das sowohl Bürger, als auch politik permanent erpressbar macht.  Aus meiner Sicht gibt es überhaupt kein Bedürfnis nach oder gar ein Recht auf Erwerbsarbeit. Es gibt Bedürfnisse nach Versorgung, Teilhabe und Selbstverwirklichung.

Der Mensch hat die Automation doch gerade erfunden, um sich selbst aus der Geißel der Arbeit zu befreien, es ist doch absolut erstrebenswert nicht zu arbeiten um versorgt zu sein, sondern zu arbeiten, weil es eine sinnvolle Beschäftigung sein kann, die dem Gemeinwohl dient und der Selbstverwirklichung. Etwas zu tun, weil man es tun möchte ist obendrein erwiesenermaßen deutlich produktiver, als es zu tun, weil man sonst nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, oder keine vernünftigen Lebensmittel bekommt.

Wir müssen, um das zu wiederholen, dringend von diesem Bild weg. Machen sie sich frei von einem Weltbild das nicht erwerbstätige ausgrenzt, lassen sie uns die Gesellschaft neu denken, eine Gesellschaft, die Teilhabe für alle zu jedem Zeitpunkt ermöglicht, in der alle vom Wohlstand profitieren, in dem beinahe alle anpacken für das Gemeinwohl, nicht weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen.

Finden sie endlich den Mut, die Zukunft zu planen und zwar langfristig, bei der Braunkohle und auch bei den Arbeitsplätzen.

Vielen Dank!

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Veröffentlicht unter Bergbausicherheit (A18.1), Kai Schmalenbach, Reden

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