Joachim Paul über das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen

Donnerstag, 27. März 2014

Top 13. Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP läuft nordrhein-westfälischen Interessen grundsätzlich zuwider!

Antrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/5278

Unser 2. Redner: Joachim Paul

Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

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Videomitschnitt der kompletten Debatte (die Rede von Joachim Paul ab ca. 54:35 Min)

Protokoll der Rede von Joachim Paul

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank.  Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eines klarstellen: Es geht hier nicht um Chlorhühnchen.  Ich versuche mit Ihnen einmal so etwas wie einen historischen Schnelldurchlauf. In den 80er-Jahren setzt eine neue Welle der regionalen Integration, genannt offener Regionalismus, ein: APEC 1989, MERCOSUR 1991 und NAFTA 1994. In der Folge erhöhen die transnationalen Konzerne den Druck auf Regierungen, den globalen und handelspolitischen Kontext gemäß ihren Vorstellungen anzupassen. Es entstehen Verträge für Dienstleistungen, GATS 1995, Immaterialgüterrechte, TRIPS 1996, und handelsbezogene Investitionsmaßnahmen, TRIMS 1995. Dabei wird die Entwicklung hin zu einem neuen Typus von Handelsabkommen getrieben. Es handelt sich um die Erzeugung einer wettbewerbszentrierten transnationalen Rechtsstaatlichkeit, die einerseits Effizienz, Disziplin und Investorenvertrauen betont, gleichzeitig aber Kernfragen einer demokratischen politischen Kontrolle aushöhlt und diese den Staaten de facto entzieht.

Minister Duin, es sollte Ihnen zu denken geben, dass einer der führenden US-Ökonomen, Joseph Stiglitz, sich konkret in „Le Monde diplomatique“ gegen TTIP geäußert hat und die Europäer gewarnt hat, dieses Vertragswerk zu unterschreiben.

(Beifall von den PIRATEN)

Der neue Typus ist durch einen Dreiklang aus Marktförderung, Eigentumssicherung aus Sicht der transnationalen Konzerne und Entdemokratisierung charakterisiert. Beispiele für diese neue Generation der Abkommen  es wurde schon genannt  sind ACTA, TPP im pazifischen Raum, unser TTIP und CETA. Das TTIP-Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, dessen Regelungen quasi in Stein gemeißelt sind. Das gilt auch dann, wenn eine demokratisch gewählte Regierung in Zukunft dringenden Änderungsbedarf sehen würde. Dann wird es schwierig mit den Schiedsgerichten. Die Staaten, die regionale Wirtschaft und die Bevölkerungen sind den Wirkungsweisen der einzelnen bis jetzt bekannten TTIP-Kapitel, also dem, was da diskutiert wird, ausgeliefert  selbst dann, wenn sich herausstellen sollte, dass die vorgeschobenen Ziele mit dem Vertrag gar nicht erreicht werden können. Die Frage ist: Wieso unterwirft sich die Politik so bedingungslos dem Ruf der Märkte, und wo ist die Stimme der Zivilgesellschaft? Die Vorverhandlungen sind dominiert  es wurde schon gesagt  von Industrieinteressen unter privilegierter Einflussnahme von Konzernvertretern während des Prozesses. Für uns Piraten ist das Intransparenz in Reinkultur.

(Beifall von den PIRATEN)

TTIP wird darüber hinaus über Hochglanzbroschüren von Bertelsmann und Co. der Bevölkerung verkauft  mit sehr zweifelhaften gesamtwirtschaftlichen Folgen für Nordrhein-Westfalen, Deutschland und die EU insgesamt. In Wirklichkeit werden aber die Großkonzerne profitieren. Das ist jetzt abzusehen. Die Eigentumsrechte des Big Business werden zementiert. Es geht natürlich auch um die Sicherung der Ressourcen von morgen. Gerade Wissen ist da der entscheidende Punkt. Ich schwöre Ihnen, Herr Ellerbrock: Die Väter des Liberalismus und des Neoliberalismus würden sich bei dem Konzept, das zurzeit auf dem Tisch liegt, kollektiv im Grab umdrehen. Jetzt habe ich nur noch drei Sekunden Redezeit.

(Beifall von Lutz Lienenkämper [CDU])

Ich fordere die Landesregierung auf, die Bevölkerung zu informieren  Herr Duin hat es auch gesagt , die Debatte wirklich anzustoßen und Transparenz einzufordern. Von uns fordere ich zivilgesellschaftlichen Widerstand. Wer von Ihnen gegen das Programm eingestellt ist und genügend Wumms in der Hose hat, der geht demnächst mit uns Piraten auf die Straße.  Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Dr. Paul.  Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Schluss der Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5278 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt  federführend , an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlung oder möchte sich enthalten?  Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung so angenommen.

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