Nico Kern über das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen

Donnerstag, 27. März 2014

Top 13. Das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP läuft nordrhein-westfälischen Interessen grundsätzlich zuwider!

Antrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/5278

Unser 1. Redner: Nico Kern

Abstimmungsempfehlung: Zustimmung
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Protokoll der Rede von Nico Kern

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Kern das Wort. Bitte sehr.

(Christian Lindner [FDP]: Die AfD ist auch gegen das Freihandelsabkommen!)

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank.  Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Es ist nicht ganz einfach, nach diesem schwierigen, etwas nachdenklich machenden Thema wieder zur Tagespolitik überzuleiten. Ich versuche es trotzdem. Ich möchte auch etwas in die Vergangenheit zurückblicken  wenn auch nicht ganz so weit. Es ist knapp zwei Jahre her, dass das hinter verschlossenen Türen ausgehandelte ACTA-Abkommen am zivilen Widerstand in ganz Europa gescheitert ist.

(Beifall von den PIRATEN und den GRÜNEN)

Nun jedoch sehen wir uns dem nächsten Angriff auf unsere Demokratie in Form eines geplanten Abkommens gegenüber. Es trägt den trügerisch wohlklingenden Namen Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen, kurz: TTIP. Wenn ACTA die Vorhut war, dann ist TTIP die gesamte Armada. TTIP ist hochaktuell; denn jetzt werden die Weichen für Daten-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz für die Zukunft gestellt. Lassen Sie mich die landespolitische Relevanz an drei Punkten verdeutlichen.

Erstens. Über TTIP sollen sogenannte Investor-Staat-Klagen eingeführt werden. Unternehmen sollen Staaten vor Schiedsgerichten verklagen können, wenn nationale Gesetzgebung ihrer Ansicht nach den Wert ihrer Investitionen mindert. Unter dem Deckmantel des Investorenschutzes wird den Großkonzernen ein Sonderklagerecht eingeräumt. Somit wird ein Einfallstor für milliardenschwere Schadensersatzklagen gegen für Konzerne unbequeme Regelungen auf Bundes- und Landesebene geschaffen. Schauen Sie sich einfach mal an, wie Vattenfall sich aktuell den Ausstieg aus der Atomenergie vergolden lassen will. So etwas brauchen wir nicht auch noch flächendeckend in unserer Rechtsordnung.

(Beifall von den PIRATEN)

Zweites Beispiel. Über TTIP ist eine Absenkung der Datenschutzstandards in Deutschland  auch in NRW  zu befürchten. Denn TTIP würde auch US-Datenkraken wie Facebook oder Google ein Recht auf das Angebot ihrer Dienstleistungen in Europa einräumen. Unter Berufung auf „nicht zu rechtfertigende Diskriminierung“ werden US-Konzerne europäische Einschränkungen bei Datentransfers in die USA einfach aushebeln. Damit hätten wir uns der allerletzten Möglichkeit beraubt, unsere Daten noch vor den USA zu schützen. Das kann nicht im Interesse von NRW sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Drittes Beispiel. TTIP verfolgt einen radikalen und undifferenzierten Liberalisierungskurs im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens. Hier besteht die immanente Gefahr der Verdrängung lokal verwurzelter Unternehmen aus NRW bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. Zudem stellt sich die Frage, ob Kommunen im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit weiterhin kooperieren dürfen. Und was ist eigentlich mit dem sensiblen Bereich der Trinkwasserversorgung? Nachdem wir uns hierzu im Landtag bereits deutlich gegen Privatisierungsbestrebungen ausgesprochen haben, gerät dieser Bereich mit TTIP wieder ins Visier. Meine Damen und Herren, Trinkwasser ist und bleibt keine Handelsware!

(Beifall von den PIRATEN)

Was sagt die NRW-Landesregierung, die Regierung des größten deutschen Bundeslandes, zu TTIP?

(Zuruf von den PIRATEN: Nix!)

Die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf. Sie sieht keinerlei Notwendigkeit für eine öffentliche Debatte zu TTIP und seinen Auswirkungen. In ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage rechtfertigt die Regierung ihre Untätigkeit mit  ich zitiere  „limitierten Mitwirkungsmöglichkeiten“. Meine Damen und Herren, diese Einstellung ist ignorant. Bei jedem Arbeitnehmer zöge solch eine Arbeitsverweigerung eine Abmahnung nach sich. Schon heute müssen wir davon ausgehen, das TTIP schwerwiegende Folgen für die nordrhein-westfälische Bevölkerung, für regionale Unternehmen und für die kommunale Familie hätte. Wir Piraten bleiben dabei: Diese Wirtschafts-NATO auf Annexionskurs muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Wir fordern weiterhin ein Ende der Verhandlungen unter den jetzigen Bedingungen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Landesregierung muss ihr gesamtes politisches Gewicht für den Stopp der Gespräche einsetzen und zeitgleich endlich eine öffentliche Debatte in NRW anstoßen. Nur auf Brüssel und Berlin zu zeigen reicht hier nicht.

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege.  Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Töns das Wort.

 

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