Torsten Sommer zur Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung durch Kassenkredite

Donnerstag, 20.02.2014

 

Top 6. Kassenkredite gefährden die kommunale Selbstverwaltung – Das Land hat die Kommunen vor ausufernder Verschuldung zu schützen

 

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 16/5033

Unser Redner: Torsten Sommer

Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Aussuschussüberweisung

 

 

 

 

 

Die Rede von Torsten Sommer wurde zu Protokoll gegeben :

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream Kassenkredite sind eigentlich kurzfristige Kredite, die der Überbrückung von Liquiditätsengpässen einer Kommune dienen sollen. Viele Gemeinden nutzen Kassenkredite jedoch zur fortlaufenden Ausgabenfinanzierung und unterlaufen somit die kommunalrechtlichen Bestimmungen. Da die Kassenkreditlinien immer wieder über ein Jahr hinaus verlängert werden, haben sich in der Folge gigantische Sockel aufgebaut, die nur unter schwierigen Bedingungen wieder abgebaut werden können.

Ende des Jahres 2012 lag die Summe der Kassenkredite der 396 nordrhein-westfälischen Kommunen bei 23,7 Milliarden EURO. Dies widerspricht dem eigentlichen Sinn und Zweck der Kassenkredite. Die Einführung der grundsätzlichen Schuldenbremse führt in vielen Bundesländern dazu, dass nicht genügend Landesmittel für den kommunalen Haushaltsausgleich zur Verfügung stehen. Hier wird von den Landesregierungen  erwartet, dass die Kommunen einen großen Teil der Mittel selbst aufbringen, um sich zumindest perspektivisch wieder dem Haushaltsausgleich anzunähern.

Schaut man sich an dieser Stelle jedoch die Förderung in den einzelnen Ländern an, wird deutlich, dass hier sehr unterschiedliche Bedingungen gelten. Relativ günstig sieht es für Kommunen in Rheinland-Pfalz aus, hier macht die Förderung immerhin 63% der aufgelaufenen Kassenkredite aus. Schlusslicht ist hier, neben Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen. Hier liegt die Förderquote sage und schreibe bei 24%. Erschwerend kommt für NRW noch hinzu, dass der Stärkungspakt keine freiwillige Veranstaltung ist, sondern 10% der Kommunen dazu gesetzlich verpflichtet wurden.

Diese Kommunen müssen zur Konsolidierung einen Haushaltssanierungsplan anstelle des üblichen Haushaltssicherungskonzeptes aufstellen. Gelingt der Ausgleich im Planungszeitraum bis 2016 nicht, wird nicht nur die Schuldenhilfe entzogen, es wird auch mit dem Einsatz von Staatskommissaren – und damit dem Verlust der kommunalen Selbstverwaltung – gedroht. Bei so kurzfristigem Konsolidierungsdruck und verhältnismäßig geringen Schuldenhilfen sehen viele Kommunen keinen anderen Weg, als die Grundsteuer B zu erhöhen. Das hat in NRW in gewissem Maße Tradition, weil schon seit den 1990er Jahren die Aufsichtsbehörden unter Androhung von Nothaushaltsrecht und Entsendung von beratenden Sparkommissaren immer wieder Hebesatzerhöhungen durchsetzen.

Allerdings waren diese Erhöhungen immer noch recht übersichtlich. Erst seit Herbst 2012 wird von den nordrhein-westfälischen Aufsichtsbehörden mit der Umsetzung des sog. Stärkungspakts der Druck auf die Kommunen massiv erhöht. Kommunen, wie die Ruhrgebietsstädte Hagen, Marl und Waltrop, die zuvor mit beratenden Sparkommissaren schon die tiefsten Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung hinnehmen mussten, werden durch den Stärkungspakt nun noch deutlich stärker in ihrer grundgesetzlich garantierten Hebesatzautonomie beschnitten.

In der Stadt Hagen steigt so beispielsweise der Hebesatz der Grundsteuer B von 530 unvermittelt auf 750 v. H. in 2013. Dies ist kein Ausnahmefall, sondern im Durchschnitt steigen bei allen Stärkungspaktkommunen der Stufe 1 in nur einem Jahr die Grundsteuerhebesätze um fast 100 Punkte an. Besonders massiv sind die Steuererhöhungen im Kreis Recklinghausen (z.B. Waltrop, Marl, Haltern, Dorsten), in dem die Haushaltsaufsicht alle Bürgermeister versammelte und nach schriftlichen Aussagen der Stadtverwaltungen massiv auf extreme Hebesatzerhöhung auf über 800 v. H. hinwirkte. Damit wurden die Hebesatzerhöhungen im Kreis bereits für die nächsten Jahre rechtsverbindlich festgelegt. Ein Blick auf die Grundsteuer B in allen bundesdeutschen Kommunen über 50.000 Einwohner zeigt, dass die Ruhrgebietskommunen damit zum Teil sogar den jetzigen Spitzenreiter Berlin (810 v. H.) überrunden werden. Bei der Grundsteuer werden sie deutlich vor Hamburg, München und Frankfurt liegen, die ihren Bürgerinnen und Bürgern dafür eine deutlich bessere öffentliche Infrastruktur bieten können als die drei „Industriedörfer“ des Ruhrgebiets.

Immer höhere Steuern für immer weniger öffentliche Leistungen werden dauerhaft den Trend der Abwanderung aus dem Ruhrgebiet weiter verstärken, was wiederum die Haushaltsprobleme verschärfen wird. Insofern ist auch nicht abzusehen, dass durch diese kurzfristigen Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung die Problemkommunen saniert und damit zumindest langfristig wieder ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen werden. Zwar ist es den meisten NRW-Kommunen in den Haushaltsanierungsplänen gelungen den Haushaltsausgleich für 2016 nominell darzustellen, aber nach den Erfahrungen mit den seit 20 Jahren geschönten Haushaltssicherungskonzepten, sollte man das sicherlich nicht unkritisch betrachten. So stellen die Regierungspräsidien als Haushaltsaufsicht zu den neuen Sanierungsplänen bereits folgendes fest: „Aber jeder weiß, dass die bisherigen Konsolidierungspläne oft von sehr optimistischen Grundannahmen ausgegangen sind, die sich sogar durch die der Planung zugrunde zulegende Erlasse ziehen wie etwa auch durch den Orientierungsdatenerlass und natürlich auch durch unsere Genehmigungspraxis“.

Da wohl kaum für jedes Jahr bis 2016 damit gerechnet werden kann, dass immer die sehr optimistischen Annahmen (z. B. gute konjunkturelle Entwicklung) eintreten, erreichen die Mehrzahl der Stärkungspaktkommunen wohl nicht den Haushaltsausgleich und werden somit immer weiter unter Daueraufsicht stehen. Trotz hoher Eigenleistungen und starker Eingriffe in die grundgesetzlich garantierte kommunale Selbstverwaltung ergibt sich für die meisten NRW-Kommunen also keine bessere Zukunftsperspektive, sondern bestenfalls weiter, aber stetig wachsende Kassenkredite und Zinszahlungen. Im Ergebnis dürfte damit der nordrheinwestfälische Stärkungspakt sicherlich nicht die kommunale Selbstverwaltung stärken. In den altindustriellen Verliererregionen werden die Steuern für immer weniger öffentliche Leistungen weiter erhöht und dies wird die Abwanderung junger gutausgebildeter Familien – mit all ihren negativen Auswirkungen auf den Kommunalhaushalt– weiter verstärken.

Um einen Missbrauch der Kassenkredite durch Wiederaufnahmen zukünftig zu verhindern, müssen diese spätestens innerhalb einer bestimmten Frist getilgt werden. Zudem könnten die Höchstbeträge unter den Genehmigungsvorbehalt der Rechtsaufsicht gestellt werden.

 

 

 

 

 

 

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