Joachim Paul zu Innovation, Wissenschaft und Forschung in der Haushaltsdebatte 2013

Mittwoch, 27. November 2013

Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013

V. Einzelplan 06
Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung
Unser Redner: Joachim Paul
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Joachim Paul:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Herr Berger, ich muss Ihnen wirklich danken. Sie haben uns gerade einen detaillierten Einblick in ihr intellektuelles und rhetorisches Waffenarsenal geliefert. Bei „Planwirtschaft“ wird mir angst und bange. Haben Sie eigentlich einmal ein Unternehmen gefragt, ob die nicht vielleicht einen Plan haben? So schlecht sind Pläne an der Stelle nicht.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Die Union belegt wieder einmal eindrucksvoll, dass sie offensichtlich keine eigenen Ideen außer den rekurrierenden Studiengebühren zum Einzelplan 06 entwickeln möchte. Ich möchte daher vorschlagen, zur Abwechslung einmal eine seriöse Analyse dieses Einzelplans vorzunehmen.

Wenn man die nackten Zahlen betrachtet, könnte man zu der Annahme kommen, dass die rot-grüne Landesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. Eine Steigerung des Hochschuletats um 6,5 % gegenüber dem Vorjahr lässt diese Vermutung zu. Aber mit Molière lässt sich auch sagen: „Wie leicht doch bildet man sich eine falsche Meinung geblendet vom Glanz der äußeren Erscheinung.“

So ist das mit Statistik. Denn in der Aufbereitung der Zahlen kann auch festgehalten werden, dass die Ausgaben bereinigt nach Durchlaufposten wie den BAföG-Geldern oder den Programmmitteln eher stagnieren, teilweise sogar zurückgehen.

Mit dieser Bewertung befinden wir Piraten uns übrigens in prominenter Gesellschaft. Prof. Sternberg von der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen stellte fest, dass die Budgets der Hochschulen bereinigt um Hochschulpakt- und Qualitätsverbesserungsmittel in den letzten Jahren stagnierten oder sogar gesunken sind, die Hochschulen auf der anderen Seite aber immer neue Aufgaben wahrnehmen sollen.

Das lässt bei uns die Alarmglocken klingeln und zeigt nur, dass sich nicht wirklich viel an der chronischen Unterfinanzierung der nordrhein-westfälischen Hochschulen geändert hat.

Das von Ihnen vorgelegte Zahlenwerk ist jedes Jahr ein Dokument dieser Unterfinanzierung. Mit der von Jahr zu Jahr steigenden Auslastung wird es an den Hochschulen immer enger. Das hat eine klare Qualitätsverschlechterung zur Folge; denn Geld ist nicht immer gleich Geld. Wir müssen zwischen Grundfinanzierung und Programmmitteln unterscheiden. Die Probleme der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs sind noch längst nicht ausgestanden, wie die Studierendenzahlen zum neuen Semester derzeit belegen.

Globalhaushalte sind für die Hochschulsteuerung der einzelnen Hochschulen ein Segen. Sie erlauben eine kreative Verwaltung des Mangels durch Umschichtung in den Haushaltstiteln sowie zwischen den Fakultäten. Ist es das, was den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen weiter nach vorne bringt? Daran haben wir unsere berechtigten Zweifel; denn gerade das Prinzip der Globalhaushalte hat mittlerweile eine sich verstetigende Kultur der Intransparenz zur Folge. So ist es erklärlich, dass sich in der Anhörung zu unserem Antrag zur Hochschulfinanztransparenz Experten verwundert die Augen rieben, wie wenig über die Mittelverwendung im Haushalt zu finden ist. Besonders die Aussage von Herrn Dr. Nonne aus Marburg ist weit mehr als bloß ein Indiz für die fehlende Transparenz.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Dr. Paul, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schultheis zulassen?

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Ja, bitte.

Karl Schultheis (SPD): Herr Kollege Dr. Paul, Sie erwähnten Ihr Gespräch mit Herrn Prof. Sternberg. Ich habe dazu Informationsbedarf. Hat er Ihnen gegenüber die Forderung aufgestellt, die Globalhaushalte abzuschaffen?

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Nein, diese Forderung hat er nicht aufgestellt. Aber wir dürfen aus seiner Aussage ja unsere Schlüsse ziehen.

Besonders die Aussage von Herrn Dr. Nonne aus Marburg ist weit mehr. Er konstatierte, dass ihm als Außenstehendem bei einem Blick in den nordrhein-westfälischen Haushalt die Kinnlade vor Überraschung darüber herunterfällt, wie wenig Informationen über die Hochschulfinanzierung im Haushaltsplan zu finden sind. Herr Präsident, ich gebe einen O-Ton aus der Anhörung wieder:

Man liest einen blanken Betrag. Aber wie diese Beträge zustande kommen, können Sie im Haushalt überhaupt nicht erkennen.

Und über solche Haushalte sollen wir hier entscheiden? Nicht ausreichende Mittel ziehen sich wie ein roter Faden durch diesen Haushalt.

Auch bei der leistungsorientierten Mittelvergabe weht uns ein eisiger Wind entgegen. So fordern die Fachhochschulrektoren für 2014 und 2015 ein Aussetzen dieser leistungsorientierten Mittelvergabe, um eine neue adäquate Hochschulfinanzierung zu schaffen. In dieses Bild passt auch das, was das von Ihnen, Herr Berger, so geschätzte Centrum für Hochschulentwicklung in seinem aktuellen Arbeitspapier Nr. 173 die Hochschulleitungen gefragt hat, nämlich welche Mechanismen der Projektgestaltung sie für zielführend halten. Bei einer möglichen Mehrfachnennung haben nur 20 % der Befragten finanzielle Anreizsysteme und leistungsorientierte Mittelvergabe als gutes Führungselement genannt. Leistungsmessung und Leistungsvergleiche sind gar nur von 16 % genannt worden.

Aber die Landesregierung bemüht sich, die Finanzierung anzugehen, Frau Ministerin Schulze. Das muss durchaus anerkannt werden. Nach unserer Auffassung bleiben Sie aber auf halber Strecke stehen. So sind zum Beispiel auch die 20 Millionen € für gestiegene Energiekosten im Grunde genommen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sicherlich können Sie nicht alle Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufarbeiten, Frau Ministerin. Aber ein wirkliches Bekämpfen dieser strukturellen Unterfinanzierung ist ebenfalls nicht erkennbar.

Wir erfahren aus dem gerade veröffentlichten Koalitionsvertrag, dass auch die Grundfinanzierung der Universitäten in Deutschland eine Rolle spielen soll. Bei den insgesamt entstehenden Mehrkosten in Höhe von 20 Milliarden € ist die Finanzierung noch nicht klar. Wir müssen uns wirklich fragen, wie da etwas umgesetzt werden kann.

Frau Ministerin Schulze hat in der mündlichen Vorstellung des Einzelplans 06 Folgendes gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Der Entwurf des Einzelplans für das Haushaltsjahr 2014 beweist, dass wir es mit unserem Versprechen, beste Bildung für alle zu garantieren, wirklich ernst meinen. Es fließen zusätzliche Mittel in die Verbesserung der Studienbedingungen und in ein gerechtes Bildungssystem.“

Das können wir anhand der Zahlen allerdings nicht feststellen. Wenn man die Zahlen um die vertraglichen Bund-Länder-Mittel bereinigt, dann stagniert die Hochschulfinanzierung seit Jahren. Ich hatte es schon gesagt. Durch Elemente wie die leistungsorientierte Mittelvergabe wird die Bilanz im Grunde genommen noch schlechter. Frau Schulze sagte weiter:

„Die Entwicklung des Einzelplans 06 seit 2010 zeigt, die Investitionen in Bildung, Forschung und Lehre liegen mit dem Haushaltsentwurf 2014 um 36 % über dem Niveau von 2010. Wir haben also eindeutig einen Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik eingeleitet.“

Für uns bleibt die Frage bestehen, ob Paradigmenwechsel tatsächlich in Prozent zu messen sind. Was das genau sein soll, konnten Sie im Ausschuss nicht wirklich beantworten. Ein bloßer Verzicht auf Studiengebühren – das war Ihr Hinweis – reicht nach unserer Auffassung nicht. Vielleicht können Sie heute mit neuen Erkenntnissen Licht in die Begrifflichkeit des Paradigmenwechsels bringen. Diese Wahrnehmung bei einer fehlenden Grundfinanzierung der Hochschulen im Umfang von ca. 800 Millionen € nur in Nordrhein-Westfalen würden wir gerne erklärt bekommen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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