Gestern wurde im Landtag über die neue Geschäftsordnung des Landtages abgestimmt. Ganz am Ende der Tagesordnung und ohne Debatte. Die Vorteile der neuen Geschäftsordnung sind aus meiner Sicht marginal. Echte Fortschritte in Richtung Transparenz blieben aus. Insbesondere ist Streaming immer noch kein Thema für den Landtag. Meine Fraktion stimmte mehrheitlich für die neue Geschäftsordnung. Ich habe von meinem Recht als Abgeordneter Gebrauch gemacht, mein abweichendes Abstimmungsverhalten zu erklären:
Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauer!
(…)
Die vorliegende Neufassung der Geschäftsordnung würde der eine oder andere vielleicht als Quantensprung bezeichnen. Das ist entgegen der allgemeinen Auffassung, was diesen Begriff betrifft, wahrscheinlich sogar auch zutreffend, weil „Quantensprung“ die kleinstmögliche Zustandsveränderung bezeichnet.
Ich möchte zugestehen, dass die Neufassung durchaus kleinere Verbesserungen enthält. Andererseits enthält sie auch eine Verschlechterung, was insbesondere das Verfahren bei namentlichen Abstimmungen betrifft. Das könnte man im Wege der elektronischen Abstimmung durchaus kürzer haben. (Anm.: Diese Möglichkeit enthält die neue Geschäftsordnung nicht mehr). Aber das ist gar nicht mein Hauptpunkt.
Was mir in dieser Geschäftsordnung fehlt, ist ein klares Bekenntnis zur Transparenz bei der Arbeit des Landtages. Das Parlament bezeichnet sich selbst als Arbeitsparlament. Die spärliche Präsenz während mancher Sitzungen wird insbesondere damit begründet, man sei ein Arbeitsparlament, und die tatsächliche Arbeit finde in den Ausschüssen statt.
Hiervon bekommt der Bürger aber so gut wie gar nichts mit, insbesondere was Sachverständigenanhörungen angeht. Hier wäre ein Streaming die zeitgemäße Antwort, die ins 21. Jahrhundert passt.
Vielleicht hätte ich mich noch einmal auf weitere Verhandlungen vertrösten lassen. Aber ich muss sagen, das Verhandlungsklima, in dem sich diese Geschäftsordnungsdebatte abgespielt hat, ermuntert mich nicht dazu, hier auf zukünftige Verhandlungserfolge zu setzen. Das zeigt einmal die Arbeitsgruppe Geschäftsordnung, aber auch die Arbeitsgruppe Landtags-IT. Wie dort verhandelt wurde, spiegelt einfach nur pur die Machtverhältnisse in diesem Parlament wider, ohne irgendwie ein besonderes Entgegenkommen zu signalisieren.
Das ist mir wesentlich zu wenig. Mir ist absolut unverständlich, wie meine Fraktion diesem Antrag beitreten konnte. Ich werde diesen Antrag aus den besagten Gründen ablehnen!
Daniel Schwerd und Daniel Düngel haben ebenfalls über den Vorgang gebloggt.
Die Videoaufzeichnung des Tagesorndungspunktes findet man hier ab Minute 559:20.
PS: Von Daniel Schwerd weiß ich, dass er ebenfalls dagegen gestimmt hat. Angeblich hat noch ein weiterer Pirat gegen die Geschäftsordnung gestimmt. Das konnte ich aber selbst nicht sehen. Ich bin gerne bereit, denjenigen hier aufzulisten, wenn er oder sie sich meldet.
Hallo Nico,
toll, daß Du den Mut hast und zu Deiner Überzeugung stehst und gegen die Mehrheit stimmst, und zwar offen.
Abgesehen davon teile ich Deine Kritikpunkte an der neuen GO.
Schön, daß es noch PIRATEN gibt, die sich nicht nur Lieb Kind mit der Regierung machen wollen.
Hallo Sascha,
vielen Dank für Deinen Zuspruch.
Es ist nicht immer leicht, bei all den Widrigkeiten, die der Parlaments- und Politikbetrieb für einen bereit hält, den richtigen oder gar optimalen Weg einzuschlagen. Da hat jeder seine eigene Wahrnehmung und Einschätzung.
Ich kann Dir aber versichern, dass ich nicht der Einzige Mandatsträger bin, der gute Piratenpolitik und nicht sich „lieb Kind mit der Regierung“ machen will. Da gibt es viele von. Sowohl im Landtag, als auch in den Gemeinderäten und Kreistagen.
Schön, wenn man sieht, dass dieser Einsatz auch außerhalb des Parlaments wahrgenommen wird.