Plenarrede: Joachim Paul zu Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie

Donnerstag, 17. Oktober 2013

 

Top 2. Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/1255

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation,

Wissenschaft und Forschung

Drucksache 16/4086

Block I

2. Lesung

in Verbindung damit

Finger weg von der Hochschulautonomie – Positionspapier der Hochschulratsvorsitzenden nutzen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP

Drucksache 16/1190

 

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft und Forschung

Drucksache 16/4094

Unser Redner: Joachim Paul

Das Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie soll die akademische Selbstverwaltung stärken. Durch das aktuelle Hochschulgesetz können externe Mitglieder die maßgeblichen strategischen Entscheidungen treffen. Die Piraten fordern die Abschaffung der Hochschulräte oder ihre Umwandlung in Beiräte mit lediglich beratender Funktion. Wir wollen die Senate als höchstes  Entscheidungsgremium an den Hochschulen wieder stärken.

Joachim Paul, Hochschulpolitischer Sprecher der Piratenfraktion: „Die Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit und die Mehrung von Weltwissen sollten ein Maximum an Unabhängigkeit besitzen. Das verstehen wir unter wirklicher Wissenschaftsautonomie im Sinne der verfassungsmäßig garantierten Freiheit von Forschung und Lehre – alles andere wirkt sich kontraproduktiv aus.“

Abstimmungsergebnis: Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU, FDP und Robert Stein (fraktionslos) abgelehnt.

Audiomitschnitt der kompletten Debatte anhören (Rede von Joachim Paul ab ca. 23:12 Min)

Audiomitschnitt der kompletten Debatte als Download

Protokoll der Rede von Joachim Paul:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Lassen wir doch noch einmal Revue passieren, wie in der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie im Ausschuss argumentiert worden ist. Die Kernfrage für uns blieb dabei: Was ist Autonomie, insbesondere im Kontext der Wissenschaften?

Wir definieren Autonomie so, dass die Hochschulen ihre Entscheidungen mit allen Mitgliedern treffen und dies für Gesellschaft und Politik transparent und nachvollziehbar sein soll. Der Staat hat nach unserer Auffassung dabei eine Gewährsträgerfunktion, die in etwa mit der Funktion für die Jurisdiktion als dritter Kraft in der Demokratie im Rahmen der Gewaltenteilung vergleichbar ist.

Die Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit und die Mehrung von Weltwissen sollte ein Maximum an Unabhängigkeit besitzen. Alles andere wirkt sich kontraproduktiv auf unsere Innovationskraft aus. Das verstehen wir unter wirklicher Wissenschaftsautonomie, ganz im Sinne der verfassungsmäßig garantierten Freiheit von Forschung und Lehre! Auffassungen – Herr Berger, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit –, die entweder in Richtung Staatsdirigismus oder Marktdiktat gehen, sind hier gleichermaßen fehl am Platze.

Wir konnten im Rahmen der Beratungen im Ausschuss allerdings und leider den Eindruck gewinnen, dass sich die politische Diskussion wie ein Pendel zwischen nur diesen beiden Polen bewegt. Dafür stehen nach unserer Auffassung insbesondere die rückwärtsgewandten Ideen von Union und FDP. Uns geht es aber im Prinzip um die Abschaffung dieses Pendels. Durch die Ausgestaltung der Hochschulräte wurde der Generalangriff auf die akademische Selbstverwaltung gestartet.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wieso das denn?)

Diese Auseinandersetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, gilt es zu führen. Aber Sie bleiben bei einem „Weiter so“. An die Kernfrage der Wissenschaftsautonomie wollen Sie nach unserer Auffassung nicht wirklich ran.

Unser Gesetzentwurf zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie jedoch wirkt positiv zugunsten einer generellen Mehrung von Unabhängigkeit. Die Senate – Frau Seidl hat es angesprochen – werden wieder gestärkt und die hochschulinterne Demokratie gestärkt sowie ausgebaut, was auch das Erlernen von Demokratie für zukünftige Führungskräfte in der Hochschule ermöglicht.

(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

Die Frage, die sich die regierungstragenden Fraktionen gefallen lassen müssen, ist allerdings, warum sie ihre wahlprogrammatischen Positionen zur Frage der Hochschulräte wieder revidiert haben. Denn es gilt, Folgendes festzuhalten – Frau Seidl hat es schon angesprochen –:

Erstens. Hochschulräte sind demokratisch nicht legitimiert und auch – zumindest teilweise – verfassungsrechtlich bedenklich. Vor allem die Wahl der Rektorate ist so nicht legitimiert und damit verfassungswidrig.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Zweitens. Hochschulinterne Demokratie wurde abgebaut im Gegensatz zum Anspruch, angehende Führungskräfte Demokratie aktiv erfahren zu lassen.

Drittens. Externe sollen teilhaben an der Kontrollaufsicht für Hochschulbedienstete. Das ist für uns ein absolutes No-Go.

Viertens. Die Hochschulräte werden nicht öffentlich bestellt, und sie tagen auch nicht öffentlich. Da sie über Steuergelder befinden, ist dies allein unter den Gesichtspunkten der Transparenz ein Grund, sie abzuschaffen oder aber in Beiräte umzuwandeln.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das gibt es doch gar nicht!)

Fünftens. Die Zusammensetzung der Hochschulräte ist systemfremd. Denn Hochschulen sind, egal, ob Landeseinrichtungen oder Körperschaften öffentlichen Rechts, keine Unternehmen, die am Markt agieren.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Sechstens. Hochschulen erfüllen ihren gesellschaftlichen Auftrag in der Erarbeitung neuer Erkenntnisse und in Bildung und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, und das tun sie mit nicht unerheblichen Steuergeldern. Diese Verwendungen sind nicht gegenüber externen Hochschulratsmitgliedern zu rechtfertigen, sondern gegenüber den Steuerzahlern bzw. den demokratisch legitimierten Parlamenten.

Dieser Generalangriff auf die akademische Selbstverwaltung ist unserer Auffassung nach nur zu stoppen, wenn die Hochschulräte abgeschafft oder in Beiräte mit geringerer Befugnis umgewandelt werden und dazu die Senate wieder zum höchsten Gremium an der Hochschule werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Siebtens. Das ist mir ganz wichtig zu sagen: Externe gesellschaftliche Expertise vom Standpunkt der Hochschule aus ist selbstverständlich an Hochschulen notwendig und sollte gewollt sein, allerdings – ich sage es noch einmal – in Form von Beiräten, die Stellungnahmen und Empfehlungen abgeben. Hierbei sind auch regionale Besonderheiten zu berücksichtigen, weil Hochschulen für Kommunen einen nicht unerheblichen Standortvorteil darstellen.

Leider wird heute eine Chance vergeben, eine wirkliche Wissenschaftsautonomie zu stärken. Aber ich möchte Rot-Grün an der Stelle einladen. Wir stehen für die Copy-and-Paste-and-Mix-Kultur. Bedienen Sie sich bei einigen Elementen aus unserem Antrag!

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Wir sehen, ob wir Ihnen dann zustimmen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

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