Plenarrede: Michele Marsching zu mehr Transparenz im Bundesrat

Freitag, 21. Juni 2013

 

TOP 5. Nordrhein-Westfalen setzt sich für mehr Transparenz des Bundesrates ein

Antrag  PIRATEN
Block I
Direkte Abstimmung
Unser Redner: Michele Marsching
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

Die Transparenz des politischen Diskurses im Bundesrat ist mangelhaft und hinkt der Transparenz des NRW-Landtages sowie einiger anderer Landesparlamente hinterher. Obwohl der Bundesrat öffentlich tagt, geht aus den Protokollen in der Regel nicht das Abstimmungsverhalten hervor. Darüber hinaus tagen die Ausschüsse, in denen die inhaltliche Arbeit geleistet wird, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch die Protokolle anderer Sitzungen werden nicht veröffentlicht oder Abgeordneten der Länder zugänglich gemacht. Diese Intransparenz beeinträchtigt den demokratischen Willensbildungsprozess. Die Menschen müssen sich ein klares Bild vom Verhalten der Landesregierungen im Bundesrat machen können.

Michele Marsching, Abgeordneter der Piratenfraktion NRW: „Wir hier im Landtag sind wesentlich weiter, als es die Kollegen im Bundesrat sind. In den vergangenen Jahren ist die Erkenntnis bei den Parlamentariern hier im Landtag gereift, dass nicht-öffentliche Ausschusssitzungen die absolute Ausnahme sein sollten und wir haben die meisten unserer Sitzungen geöffnet – zuletzt den Haushaltskontrollausschuss. Diese Transparenz sollte auch im Bundesrat Standard sein – denn dort kann wegen der weit verbreiteten Nicht-Öffentlichkeit von Ausschüssen kaum ein Bürger Verfahren, Abläufe und Abstimmungsverfahren nachvollziehen. Soweit Vertraulichkeit in Ausschüssen erforderlich ist, gibt es jedoch keinen Grund, nach Beschlussfassung im Ausschuss den Verlauf und das Verhandlungsergebnis unter Verschluss zu halten.“

Dietmar Schulz, Abgeordneter der Piratenfraktion NRW und Mitverfasser des Antrags: „Es ist skandalös, dass die anderen vier Fraktionen größtenteils sachfremde Argumente anbringen und auf die Komplexität, mögliche Zeitverzögerungen und die aktuelle Geschäftsordnung des Bundesrates hinweisen, anstatt konstruktiv im Sinne einer breiten Transparenz positiv ändernd mitzuwirken. Der Tag heute ist ein schwarzer Tag für die politische Transparenz in Deutschland.“

Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde mit den Fraktionsstimmen der im Bundesrat vertretenden Parteien von SPD, CDU, Grüne und FDP abgelehnt.

Wortprotokoll zur Rede von Michele Marsching:

Michele Marsching (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren hier auf der Tribüne und zu Hause! Ich nerve Sie heute schon wieder mit dem Thema „Transparenz“. Ich habe da so eine Art Sprecherfunktion in meiner Fraktion bekommen.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Aber ich mache das tatsächlich mit Leidenschaft.

(Britta Altenkamp [SPD]: Toll!)

Allerdings geht es dieses Mal nicht um den Landtag – Sie können also aufatmen –, sondern es geht um den Bundesrat.

Angefangen hat das alles mit einem Antrag unserer Fraktion zur Schließung von Steuerschlupflöchern. Als Antwort kam von der Landesregierung die Aussage: Das machen wir doch schon längst.

Bei der Recherche in den Veröffentlichungen des Bundesrates habe ich dann tatsächlich zwei Vorgänge hierzu gefunden: eine Initiative der hiesigen Landesregierung mit der Aufforderung an die Bundesregierung, bei internationalen Verhandlungen darauf zu drängen, Steuerschlupflöcher zu schließen, und eine weitere Initiative zum Jahressteuergesetz, wobei es konkret um die deutsche Steuergesetzgebung ging; bei dieser Initiative ist allerdings nicht ersichtlich, aus welchem Bundesland sie überhaupt stammt.

Es gab also eine Gesetzesinitiative des Bundestages, welche in den Ausschüssen des Bundesrates besprochen wurde. Der Bundesrat forderte dabei mehrere Änderungen, um Steuerschlupflöcher zu schließen, und forderte zudem die steuerliche Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Diese Empfehlungen sind öffentlich, aber die Beratungen dazu und auch die Antragsteller leider nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Bundesratsplenum wurde diesen Forderungen zugestimmt. Es gab einen Redebeitrag von Rheinland-Pfalz zu den vier Änderungen. Man kann also vermuten, wer Antragsteller war – wissen kann man es nicht.

Bei der Schlussabstimmung ist – wie im Bundesrat üblich – aus dem Protokoll leider auch nicht ersichtlich, wer bei diesem Antrag wie abgestimmt hat. Ich habe das Protokoll hier und lese die Stelle kurz vor. Die amtierende Präsidentin Dr. Angelica Schwall-Düren sagt – es geht um die Anrufung des Vermittlungsausschusses –: Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. – Das wird protokolliert.

Die Sache ging dann in den Vermittlungsausschuss. Der tagt übrigens – Überraschung! – nichtöffentlich. Er hat empfohlen, die steuerliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften separat zu behandeln. Diese Empfehlung kann man wieder nachlesen.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Alle Ausschüsse des Bundesrates tagen nichtöffentlich, alle Ausschussprotokolle sind nichtöffentlich. Die einzige Ausnahme stellt hier die Europakammer dar; denn die kann endgültig über Anträge abstimmen, daher muss sie öffentlich tagen.

Unser Antrag fordert die Landesregierung auf, sich für mehr Transparenz im Bundesrat einzusetzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir gehen hier im Übrigen konform mit dem aktuellen Bundesratspräsidenten Winfried Kretschmann. Der hat bei seiner Antrittsrede am 2. November 2012 gesagt – Zitat –:

„Die Verfahren und Abläufe im Bundesrat sind für Außenstehende oft schwer oder gar nicht verständlich. Dies gilt zum Beispiel für unsere Abstimmungsverfahren.“

Wir hier im Landtag sind da wesentlich weiter – Gott sei Dank! Bei allen Gesprächen in allen Runden freue ich mich, immer wieder zu hören, dass wir hier in NRW ein anderes Verständnis von Parlamentarismus haben, ein Verständnis, das von Offenheit und Einladungskultur geprägt ist.

(Beifall von den PIRATEN)

In den letzten Jahren ist bei den Parlamentariern hier im Landtag die Erkenntnis gereift, dass nichtöffentliche Ausschusssitzungen die absolute Ausnahme sein sollten. Die meisten unserer Sitzungen haben wir geöffnet. – Danke schön dafür.

Bis vor Kurzem hatten wir dabei den Haushaltskontrollausschuss übersehen. Auf Nachfrage wusste keiner mehr, warum der eigentlich nichtöffentlich tagt. In Windeseile haben wir auch diesen Ausschuss geöffnet. – Danke schön dafür.

Unterstützen wir den Bundesratspräsidenten dabei, die Entwicklung hin zu mehr Offenheit und mehr Transparenz im Bundesrat zu forcieren, indem wir zeigen, dass die Kultur der Transparenz in Nordrhein-Westfalen sehr weit fortgeschritten ist und es sich lohnt, diese von hier zu exportieren. Ich würde mich über Ihre Unterstützung freuen. – Danke schön auch dafür.

(Beifall von den PIRATEN)

 

Die Reaktion der anderen: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP16-35.html#_Toc360021622

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