Wer fliegen will, muss den Mut haben, den Boden zu verlassen

Oliver Bayer, Vorsitzender der Enquetekommission Finanzierung, Innovation und Nutzung des Öffentlichen Personenverkehrs (EK IV) im Landtag NRW kritisiert die Landesregierung:

„Die Landesregierung ist im Luftverkehr völlig konzeptlos. Nordrhein-Westfalens anspruchsvolle Flughafenlandschaft mit stadtnahen Flughäfen und den vielen Regionalflughäfen darf nicht weitere Jahre mit einem Konzept hantieren, das auf einer Datenbasis aus den 90ern basiert.

Am deutlichsten wird Konzeptlosigkeit bei der von einigen angestrebten Verlagerung. Die Idee, Düsseldorf könne „touristische“ Flüge nach Weeze, Dortmund oder Münster abgeben, geht völlig an der Realität vorbei. Flugverkehr lässt sich nicht auf kleinere Flughäfen in anderen Städten verlagern. Mehr Flughäfen erzeugen im besten Fall nur mehr Flüge und mehr Fluglärm. Im schlechtesten Fall allein mehr Kosten. Dieses Verlagerungsmärchen ist dagegen das entscheidende Argument für noch mehr Subventionen vor Ort. Weiterlesen ›

Getagged mit: , ,
Veröffentlicht unter Bauen, Wohnen und Verkehr (A02), Homepage, Pressemitteilungen

Fraktionssitzung vom 10.05.2016

Live-Protokoll der Sitzung

Veröffentlicht unter Fraktionssitzungen

Verkehrssicherheit gewährleisten – Diskriminierung von Cannabiskonsumenten verhindern!

Archivierter Live-Stream der Debatte vom Mittwoch, 15. März 2017, auf Facebook, YouTube und Twitter

I. Sachverhalt

Das Ziel der Landesregierung im Rahmen präventiver Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei ist unter anderem die Reduzierung von Verkehrsunfällen. Dabei hat sich die Verkehrsüberwachung an der Unfallentwicklung und insbesondere an Unfällen mit schweren Folgen auszurichten. Nach Angaben des Innenministeriums NRW ist im Jahr 2014 ein Anstieg der Verkehrstoten zu verzeichnen. Zu den Hauptunfallursachen gehören zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen am Steuer sowie diverse Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung.

Die Antwort auf die Kleine Anfrage 16/8140 zeigt den Kontrollschwerpunkt der landeseigenen Ermittlungsbehörden auf. Hier werden Drogenfahrten gegenüber Alkoholfahrten viel häufiger zur Anzeige gebracht. So kamen im Jahr 2013 in NRW auf jeden Unfall mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss 2,6 Anzeigen. Hingegen auf jeden registrierten Unfall unter Einfluss anderer berauschender Mittel kamen im Jahr 2013 schon 28,6 Anzeigen. Der Ermittlungsdruck bei Drogenfahrten ist demzufolge circa zehnmal höher als bei Alkoholfahrten.

Insgesamt ist die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss (2.407 im Jahr 2013) aber ungleich höher, als die Anzahl der Unfälle mit Personenschaden unter Einfluss von anderen berauschenden Mitteln (354 im Jahr 2013) wie aus der Kleinen Anfrage 16/8140 hervorgeht.

Obwohl die Verkehrssicherheit nachweislich insbesondere durch Alkohol am Steuer gefährdet wird, ist für Cannabiskonsumenten die Wahrscheinlichkeit den Führerschein zu verlieren aufgrund falscher Prioritätensetzung sowie unverhältnismäßiger Anwendung von Verwaltungsrecht enorm gestiegen.

Der Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt bereits bei erstmaligem Nachweis ab 1,0 ng THC/ml im Blutserum. So ist es durchaus denkbar, dass ein Cannabiskonsument in einer Verkehrskontrolle mit 1,0 ng THC/ml Blutserum getestet wird, der Konsum allerdings Tage zurückliegt und sicher keine akute Beeinflussung der Leistungsfähigkeit mehr vorliegt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in dem Urteil vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 – festgestellt, dass § 24 a Abs. 2 Satz 1 und 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) verfassungsgemäß ist. So handelt ordnungswidrig, wer unter Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Ausschlaggebend für die Verhängung einer Ordnungswidrigkeit ist demzufolge die Wirkung eines berauschenden Mittels und nicht deren Nachweis.

Die Grenzwertkommission, eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung berät und von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie gegründet worden ist, empfiehlt einen Grenzwert von 3,0 ng THC/ml Blutserum. Danach liegt also eine Wirkung auf einen Betroffenen ab 3,0 ng THC/ml Blutserum vor. Somit ist die Verhängung von Ordnungswidrigkeiten beim schlichten Nachweis von bis zu 2,9 ng THC/ml Blutserum gemäß dem BVG-Urteil von 2004, wonach eine Wirkung festgestellt werden muss, verfassungswidrig.

Ungeachtet der wissenschaftlichen Erkenntnisse und des BVG-Urteils unterstellen die Verwaltungsbehörden dem Verkehrsteilnehmer ein „fehlendes Trennungsvermögen“, wenn sie von einem erstmaligen Nachweis von 1,0 ng THC/ml im Blutserum Kenntnis erhalten, was zum sofortigen und völligen Verlust der Fahrerlaubnis nach Verwaltungsrecht führt.

Im Gegensatz dazu wird der erstmalige Alkoholverstoß im Straßenverkehr (mehr als 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration BAK) nach Gesetzeslage mit Bußgeld und einem einmonatigen Fahrverbot geahndet. Den Betroffenen wir nach dem ersten Alkoholverstoß kein „fehlendes Trennungsvermögen“ unterstellt. Selbst Zweifel an der Trennungsbereitschaft, die die Anordnung einer medizinisch psychologischen Untersuchung (MPU) zur Folge hätte, werden seitens der Verwaltungsbehörde erst nach dem zweiten Verstoß festgestellt. Ein Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt hier regelhaft erst dann, wenn das geforderte Gutachten nicht eingereicht oder für den Betroffenen negativ ausfällt.

Die obersten Landesbehörden sind nach §73 und §74 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) für die Fahrerlaubnisbehörden zuständig. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Führerscheinstellen die verwaltungsrechtlichen Normen der Fahrerlaubnisverordnung und deren Anlage korrekt auslegen.

II. Der Landtag stellt fest:

  1. Alkohol am Steuer gehört zu den häufigsten Unfallursachen und gefährdet die Verkehrssicherheit erheblich.
  1. Der niedrige Ermittlungsdruck bei Alkoholfahrten im Vergleich zu Cannabisfahrten wirkt sich direkt auf die Anzahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss aus und gefährdet somit die Verkehrssicherheit.
  1. Die Diskriminierung von Cannabiskonsumenten auf Kosten der Verkehrssicherheit ist unverantwortlich.
  1. Ohne konkrete und erwiesene Gefährdungskonstellation werden Grundrechte (Gleichbehandlungsgrundsatz) ausgehebelt und Cannabiskonsumenten diskriminiert.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf

  1. den Runderlass „Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei NRW“ dahingehend umzusetzen, dass die Ermittlungsbehörden den Ermittlungsdruck bei Alkoholfahrten erhöhen, um die Verkehrssicherheit nicht zu gefährden.
  1. per Runderlass die Fahrerlaubnisbehörden anzuweisen die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) wie folgt anzuwenden: Erst nach wiederholtem Nachweis im Straßenverkehr von 3,0 ng THC/ml Blutserum oder mehr ist eine MPU gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 FeV anzuordnen. Die Feststellung „fehlendes Trennungsvermögen“ gemäß Anlage 9.2.1 ist analog zu Alkohol erst dann zu treffen, wenn die Trennungsbereitschaft nicht über das angeordnete MPU-Gutachten nachgewiesen werden kann.
  1. sich im Bundesrat für die Änderung von § 14 und Anlage 4 der FeV einzusetzen. Mit der Änderung von § 14 und der Anlage 4 der FeV soll eine Angleichung der Maßstäbe im Umgang mit Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr erreicht werden. Eine verkehrsunabhängige Überprüfung der Fahreignung soll gewahrt bleiben, wenn Tatsachen die Annahme einer Abhängigkeit (ICD10) oder eines Missbrauchs (DSM IV) begründen.
  1. sich im Bundesrat für die Änderung der Anlage zu § 24a StVG einzusetzen. Mit der Änderung soll den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf die akute Wirkungsdauer von Cannabis Rechnung getragen werden. So treten Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit bei circa 5 ng THC/ml Blutserum auf, die mit denen zu vergleichen sind, die bei etwa 0,5 Promille BAK auftreten. Dieser Cannabisgrenzwert von 5 ng THC/ml Blutserum soll explizit in die Anlage zu §24a StVG aufgenommen werden.
  1. den Ausbau der Forschungsvorhaben zum Gefahrenpotenzial von Betäubungsmitteln im Straßenverkehr voranzutreiben.
  1. sich für die Aktualisierung des Unterrichtsstoffes in den Fahrschulen insbesondere bezüglich der Auswirkungen von Mischkonsum auf die Fahrtauglichkeit einzusetzen.
  2. sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass ein bundeseinheitliches Verfahren zur toxikologischen Bestimmung der Konsumfrequenz eingeführt wird.
Getagged mit:
Veröffentlicht unter Anträge

Nach den TTIP-Leaks ist das öffentliche Vertrauen in das transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen vollkommen zerstört: TTIP muss ausgesetzt werden!

Antrag im Plenum: Donnerstag, 12. Mai 2016, TOP 5, ca. 13.45 Uhr

 

I. Sachverhalt

Am 02. Mai 2016 wurde nach knapp dreijährigen Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und der US-amerikanischen Regierung der aktuelle Stand des Handels- und Investitionsabkommens TTIP geleakt. Das schon zuvor höchst umstrittene Abkommen, der institutionelle Rahmen der Verhandlungen sowie die Verhandlungsführung haben durch die veröffentlichten Inhalte einen immensen öffentlichen Vertrauensverlust erfahren.

Der massive Vertrauensverlust in die europäischen Verhandlungsführer liegt zum einen in den Verhandlungsinhalten begründet. Nach vorläufiger Auswertung der Papiere muss der Eindruck entstehen, dass die US-Seite insbesondere auf die Einflussnahme auf die europäische Gesetzgebung abzielt: So sollen laut TTIP-Leaks einer Expertenkommission mit Vertretern beider Seiten Kompetenzen bei künftigen Gesetzesvorhaben oder Vertragsänderungen eingeräumt werden. Auch legen die veröffentlichten Leaks nahe, dass gewohnte Standards des europäischen Verbraucherschutzes, vor allem das bewährte Vorsorgeprinzip, durch TTIP ausgehöhlt oder sogar abgeschafft werden könnten. Die Kommission konnte diese und andere Befürchtungen zu keinem Zeitpunkt entkräften.

Zum anderen hat sich die EU-Kommission mit ihrer restriktiven Öffentlichkeitspolitik, die nur sehr zaghaft auf die Forderungen aus der Zivilgesellschaft nach mehr Transparenz und demokratischer Einflussnahme regierte, in den Augen der Menschen in Deutschland und NRW als Verhandlungsführer selbst diskreditiert. Die Beschwichtigungen der EU-Kommission infolge der Leaks klingen wenig glaubwürdig.

II. Der Landtag stellt fest

  1. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in das TTIP-Abkommen, den institutionellen Rahmen der Verhandlungen sowie die Verhandlungsführung der EU-Kommission ist nachhaltig erschüttert. Auf dieser Basis ist eine Fortsetzung der Verhandlungen nicht möglich.

III. Der Landtag beschließt

  1. Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, sich auf allen politischen Ebenen für ein Ende der aktuellen TTIP-Verhandlungen und einen demokratischen, transparenten und zivilgesellschaftlich getragenen Neustart einzusetzen.

Mitschnitt der kompletten Debatte:
Weiterlesen ›

Veröffentlicht unter Anträge

Steuergerechtigkeit herstellen – Taten statt Worte – mehr Betriebsprüfer jetzt!

Antrag im Plenum: Mittwoch, 11. Mai 2016, TOP 9, ca. 16.25 Uhr

 

I. Sachverhalt

Betriebsprüfer sind Ländersache

Die Finanzverwaltungen der Länder sind im bundesrepublikanischen System für die Durchsetzung der Steuergesetze verantwortlich. Nach der Betriebsprüfungsstatistik des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre 2012 beträgt der durchschnittliche Prüfungsturnus bei Großbetrieben etwa 4,5 Jahre, bei Mittelbetrieben etwa 15 Jahre und bei Kleinbetrieben ungefähr 30 Jahre. Kleinstbetriebe wurden statistisch nur alle 100 Jahre – also faktisch nie geprüft. Nach geltendem Recht im Bereich der Steuergesetzgebung gelten Fristen von 10 und 5 Jahren. Nachweislich ist der aktuelle Einsatz von Betriebsprüfern in der Bundesrepublik zu mangelhaft, um dem Gesetz ausreichend Geltung zu verschaffen.

Standortvorteil „fehlende Betriebsprüfer“

Politisch brisant wird diese Thematik zusätzlich, wenn Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland den Standortvorteil „fehlender“ Betriebsprüfer nutzen und damit Unternehmensansiedlungen fördern. So sinngemäß ausgeführt von Dieter Ondracek in der Süddeutschen Zeitung (online) am 04.03.2011. Er bezog sich hauptsächlich auf süddeutsche Bundesländer. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen bemängelte am 17.02.2016 in der Rheinischen Post (online) sogar die mangelnde Ausstattung der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen. Diese Frage wurde seitens der Piratenfraktion bereits im letzten regulären Beratungsverfahren zum Haushalt 2016 während der Anhörung und der dazu geführten Plenardebatten eindeutig thematisiert. Vollkommen unklar bleibt die Aussage des Finanzministers Nordrhein-Westfalens Dr. Norbert Walter-Borjans in der Debatte zu den Panama-Papers am 20.04.2016,  als er sich dahingehend äußerte, dass der „Ressortminister mit dem Haushaltsminister sprechen müsse“, um über die Erhöhung der Stellen im Bereich der Betriebsprüfungen und anderen zu streiten. Weiterlesen ›

Veröffentlicht unter Anträge

G9 jetzt – Die Landesregierung muss den Willen der Menschen in Nordrhein-Westfalen endlich ernst nehmen

Antrag im Plenum: Mittwoch, 11. Mai 2016, TOP 4, ca. 12.35 Uhr

 

I. Sachverhalt

Im Frühjahr 2015 sammelte die Initiative ‘G9Jetzt!’ über 100.000 Unterschriften für eine Rückkehr zu G9 und übergaben sie dem Landtag. Jetzt hat die Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen auf ihrer Mitgliederversammlung am Samstag (16.4.2016) die Ergebnisse einer Umfrage mit rund 54.000 Beteiligten präsentiert: 80 Prozent aller Befragten sind für G9 und damit dreizehn Schuljahre an den Gymnasien.

Die Elternschaft der nordrhein-westfälischen Gymnasien war schon lange unzufrieden mit der Situation an den Schulen. Daher beschloss der Verband eine Basisbefragung der Mitglieder. Darüber hinaus wurde eine Online-Befragung angeboten, bei der neben Eltern und Schülern auch Lehrer, Schulleiter und außerschulisches Personal ihre Meinung kundtun konnten.

Das Ergebnis der Umfrage ist eindeutig für G9!

Die Landeselternschaft der Gymnasien beauftragte Professor Dr. Rainer Dollase von der Universität Bielefeld mit der Durchführung der Befragung zu Akzeptanz und Ausgestaltung von G8 bzw. G9. An der Umfrage haben 54.644 Menschen teilgenommen. Dies geschah sowohl online als auch per Papierfragebogen. 88 Prozent der Onlineantworten und 79 Prozent der Postantworten sprachen sich für das neunjährige Gymnasium aus. Das ist auch eine Bestätigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen im Jahre 2014, die 76% (Forsa) bzw. 79% (Emnid für JAKO) festgestellt hatten. Weiterlesen ›

Veröffentlicht unter Anträge

Grade fragt Sommer: Transferfreier Mindestlohn

GradefragtSommerTransferfreierMindestlohn-e1462191621832

Ich habe David Grade ein Interview gegeben zum Thema transferfreier Mindestlohn:

David Grade (DG): Welche Idee verbirgt sich hinter „transferfreier Mindestlohn“?

Torsten Sommer (TS): Es geht darum, dass jeder Mensch, der Vollzeit arbeitet, so viel Lohn dafür bekommen muss, dass er keine staatlichen Transferleistungen braucht, um leben zu können. Kein Mietzuschuss, keine ergänzende Sozialhilfe, Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz und so weiter.
Es kann nicht angehen, dass der Staat auf Dauer Geschäftsmodelle subventioniert, die nur dann funktionieren, wenn der einzelne Arbeitnehmer beim Staat um Transferleistungen betteln muss, nur um halbwegs über die Runden zu kommen. Von Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ganz zu schweigen.

DG: Kannst du mir das auch so erklären, dass ich es als 5jähriger verstehen würde?

TS: Wenn ein Mensch (zum Beispiel Mama oder Papa) jeden Tag in der Woche den ganzen Tag arbeitet, dann muss er genug Geld dafür bekommen um Essen, Miete, Kleidung, Spielzeug, und so weiter. für sich und seine Familie bezahlen zu können.
Der Mensch soll nicht beim Sozialamt fragen müssen, um genug Geld für Miete, Essen und so weiter zusammen zu bekommen. Du willst doch auch, dass es genug zu Essen gibt, ohne Mama oder Papa jedes mal anbetteln zu müssen.

DG: In welchem Verhältnis steht das zu der Vision vom Bedingungslosen Grundeinkommen?

TS: Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein Ziel für die weitere Zukunft. Das wird sich nicht kurzfristig umsetzen lassen. Dafür sind die gesellschaftlichen Umwälzungen zu groß, die zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens notwendig sind. Da werden wir wohl eher in Jahrzehnten als in Jahren rechnen müssen. Bis dahin müssen wir aber dafür sorgen, dass Menschen auch im Niedriglohnsektor ein Auskommen haben, ohne auf staatliche Leistungen angewiesen zu sein.

DG: Was wird besser durch einen transferfreien Mindestlohn?

TS: Es ist unwürdig für Menschen ihr Auskommen durch aufstockende Sozialleistungen, Mietzuschüsse etc. sichern zu müssen. Wer Vollzeit arbeitet, muss sich und seine Familie ohne zusätzliche Sozialleistungen ernähren, unterbringen und kleiden können.
Letztendlich sind es die Unternehmen, die den Menschen zu wenig für ihre Arbeit bezahlen, die subventioniert werden. Sie sind die wahren Nutznießer von aufstockenden Sozialleistungen. Zusätzlich üben die Nutznießer Druck auf Unternehmen aus, die einen auskömmlichen Lohn an ihre Mitarbeiter zahlen. Denn diese seriösen Unternehmen werden von den Lohndumpern bei der Auftragsvergabe immer unterboten werden können. Die Dumpingunternehmen haben ja schließlich nicht so hohe Lohnkosten. Den fehlenden Lohn zahlt letztlich die Allgemeinheit über soziale Transferleistungen. Diesen schäbigen und entwürdigenden Geschäftsmodellen, die in verschiedenen Branchen seit Jahren schon sehr schlimme Lohnunterbietungsspiralen verursachen, gehört die Grundlage entzogen.
Daher fordern wir einen jährlich anzupassenden, transferleistungsfreien Mindestlohn.

DG: Danke für das Gespräch. Die nächsten Thema drehen sich um die Verfassungskommission in NRW.

TS: Ich danke Dir!
Das Interview führte David Grade (DG), Mitglied der Piratenpartei Dortmund und seit 2014 für die Piraten in der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord.

Torsten Sommer - Bürgerrechte muss man wählen!

Veröffentlicht unter Persönliche Blogposts

Fraktionssitzung vom 03.05.2016

Live-Protokoll der Sitzung

Veröffentlicht unter Fraktionssitzungen

Offener Brief an einen potenziellen AfD-Wähler

Sehr geehrter Herr Vorname Name,

am 24.4. erhielt ich die unten unter dem Strich stehende Email von Ihnen an meine Landtags-Email-Adresse, die Bezug nimmt auf einen Artikel in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung mit dem Titel: „Piraten kämpfen um Zukunft im Landtag“. Mit cc an meinen Neusser Kollegen Lukas Lamla und an diverse Adressen der Rheinischen Post und der NGZ.

Entschuldigen Sie bitte die späte Rückmeldung, aber ich befand mich vom 24. bis zum 28. auf einer Ausschussreise im Kosovo, so dass ich erst jetzt dazu komme, Ihnen zu antworten. Aus Datenschutzgründen habe ich Ihren Namen im öffentlichen Blogpost durch einen Platzhalter ersetzt. Wenn Sie möchten, kann ich ihn jedoch nachträglich wieder einsetzen.

In Ihrer Mail stellen Sie fest, dass man von den Piraten außer Austrittsnachrichten in dieser Legislaturperiode aus dem Landtag nichts gehört habe und stellen im nächsten Absatz für die kommende Landtagswahl die AfD – Angst für Deutschland – als Alternative hin. Dem muss ich – nicht nur als Pirat – deutlich widersprechen.

Sie verstricken sich in Widersprüche. Die AfD kritisiert ja die Presse des öfteren als „Lügenpresse“. Wenn Sie nun sagen, dass man von den Piraten nichts gehört habe, wäre dafür nach ihrer Auffassung folgerichtig nicht die sogenannte „Lügenpresse“ verantwortlich?

Ich mag diesen Ausdruck überhaupt nicht, er trifft auch nicht zu, denn unsere Presse – abgesehen von einigen schwarzen Schafen, die es in jeder Branche gibt – lügt nicht.

„Lückenpresse“ ist das bessere Wort. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In der letzten Plenarwoche gab es eine von CDU und FDP beantragte aktuelle Stunde zum Thema des schlechten Wirtschaftswachstums in NRW. Im Verlauf meiner Rede dazu verwies ich auf das irrsinige Potenzial der Menschen in unserem Land und fragte, warum nicht das Elektroauto, der Tesla, in NRW gebaut würde. Nach mir redete Reiner Priggen von den Grünen und stellte – fairerweise unter direktem Verweis auf meinen Vorschlag – dieselbe Frage: Warum wird der Tesla eigentlich nicht in NRW gebaut? Er wurde in der Presse damit mehrfach zitiert, ich – als Urheber – nicht ein einziges Mal. Berichterstattung durch Weglassen – die Lücke eben.

Deshalb haben Sie nichts von uns gehört, denn das ist nur ein kleines Beispiel. Ich könnte Dutzende nennen.

Noch ein anderes, damit ich nicht in den Verdacht komme, nur über Piraten zu schreiben. Als im letzten Jahr herauskam, dass Armin Laschet von der CDU im Rahmen eines Lehrauftrags an der RWTH Aachen eine Klausur verbummelt hatte, war im Landtag die Hütte im Hochschulausschuss voll. Wir mussten in den Fraktionssaal der CDU umziehen, damit alle Pressevertreter zum ersten TOP der Ausschusssitzung Platz hatten. Als zweiter Tagesordnungspunkt wurde der „Rahmenkodex gute Arbeit“ verhandelt, der die Beschäftigungsverhältnisse an unseren Hochschulen in NRW und damit viele Menschen betrifft. Da war jedoch kein einziger! Pressevertreter mehr im Raum.

Es geht also nur noch um potenzielle Skandale und Skandälchen, und da wundert man sich über die sogenannte Politikverdrossenheit.

Wir sehen, Medienkritik ist sehr wichtig, aber sachlich und konstruktiv, bitteschön. Mit konkreten Fällen. Und nicht AfD-Stil.

Für mich ganz persönlich habe ich daraus  die Konsequenz gezogen, dass ich nicht mehr jede Medienanfrage beantworte, nicht mehr über jedes Stöckchen springe, das man mir hin hält. Sondern nur dann, wenn ich es für sinnvoll halte und es um ein wirkliches Thema geht. Wenn der Pressevertreter dann nicht will, ok, mein Problem.

Besonders krass wird’s für mich immer dann, wenn ein Pressemensch mich im Interview fragt, warum man von den Piraten gerade nichts hört. Da könnte ich aus der Hose springen.

Aber, wir haben ja das Internet und Sie auch, sie haben ja gemailt. Sie könnten, wenn Sie es wirklich wollen, sich über das, was die Piraten im Landtag machen, auch hier informieren bei der Fraktion https://fraktion2012.piratenpartei-nrw.de, der Partei http://www.piratenpartei-nrw.de und was mich persönlich angeht hier bei http://www.vordenker.de/blog

Und was die AfD betrifft, sie ist ja nicht als Jungfernzeugung vom Himmel gefallen. Sie ist das stinkende unappetitliche Verwesungsprodukt des etablierten Politikversagens, des massiven Vertrauensverlusts von CDUSPDFDPGrünenLinken.

Und sie betreibt das Spiel mit der Angst, sie bedient Angst mit populistischen Parolen, die nicht nur rechts sind, sondern auch jeder rationalen Grundlage entbehren. Die AfD ist ein Fakt, ohne Zweifel, und Fakt ist auch, dass die Partei politische Themen komplett faktenfrei polemisiert.

Wenn man mal aus dem Programm der AfD die braunen, nationalistischen und anti-wasweißich-Punkte abzieht – was mir im Grunde ungeheuer schwer fällt -, dann bleibt ein retroneoliberales Programm übrig, das schon 1960 extrem unmodern und unsozial gewesen wäre. Also keine Alternative zu den Piraten. Lassen Sie das.

Aber eins macht die AfD mit brutaler Konsequenz, sie ist ja seit der letzten Kommunalwahl in NRW in so einigen Stadträten und Kreistagen vertreten, nämlich nichts, nix, niente, nada. Ein bisschen Stören, ein bisschen Randale vielleicht. Es wird ja eh nicht berichtet, also muss man auch nichts Sinnvolles machen. Die könnten das auch gar nicht, selbst, wenn sie es wollten.

Denn wenn mal ein Antrag oder eine Rede in einem Stadtrat kommt, dann so, dass sich jede ernstzunehmende Rechtschreibkorrektur einer Textverarbeitung übergeben muss. Selbst der Papierkorb verweigert die Annahme. Woher ich das weiß? Ich kenne so einige Kollegen in den Stadträten und Kreistagen, und das sind nicht nur Piraten.

Aber es ist schön, dass auch die AfD versucht, mit arabischen Zahlen zu rechnen. Ob sie weiß, woher die Zahlen kommen, ob sie’s kann, ob sie den Wert anderer Kulturen erkennt, ich denke nicht.

Punkt.

Hochachtungsvoll,
Ihr Joachim Paul
– nur echt mit Dr. und Piratenfahne


Sehr geehrte Damen und Herren,
die aktuellen Umfragewerte für die Piratenpartei im Landtag sind erwartungsgemäß mehr als schlecht, weil die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes von der Partei, die erstmals im Landtag vertreten ist, in der laufenden Legislaturperiode nichts gehört und gesehen hat, ausgenommen, dass zwei Mitglieder der Fraktion ins andere polititsche Lager gewechselt sind.

So ist der Untergang sicher für die Partei schmerzlich, für die Wählerinnen und Wähler in unserem Land aber sicher zu verkraften, wird es doch bei der Landtagswahl im Mai 2017 genügend Alternativen geben.

Siehe AfD, die gerade Bündnis 90/Die Grünen überholt und wohl drittstärkste Kraft werden wird.

Aber auch in Dormagen ist das mit der Präsenz nicht viel anders. Von Herrn Kazior, Mitglied des Rates der Stadt, hat man auch nicht viel konstruktives vernommen und wenn dann für die Kommunalparlamente demnächst die 2,5 %-Hürde kommt, wird auch er nicht mehr im Rat vertreten sein.

Freundliche Grüße

Herr Vorname Name

Veröffentlicht unter Persönliche Blogposts

Im Kosovo hat die Wirklichkeit viele Wahrheiten …

Hallo zusammen,
ich werde hier nicht viel von meinen persönlichen Einschätzungen und Eindrücken preisgeben, die ich auf der Reise des Ausschusses für Europa und Eine Welt – AEEW – des Landtages von NRW in den Kosovo gewonnen habe, denn, wie der Titel schon sagt, es gibt viele Wahrheiten in diesem Land. Und ich möchte nicht riskieren, dass da eine etwa zu kurz kommt. Wer mag, kann mich zum Thema Kosovo gerne persönlich ansprechen.

internet-prizren

Breitband-Internet in Prizren, Kosovo. Möglicherweise ein Sinnbild zu den Verknotungen der Probleme im Kosovo. Aber nichts, was nicht gelöst werden könnte …

Der Kosovo ist eine multiethnische Gemeinschaft auf dem Weg zu einem souveränen Staat – mit allen Problemen und Chancen, die das mit sich bringt. Überwiegend muslimische Albaner stellen die Mehrheit. Christlich-orthodoxe Serben bilden die größte Minderheit, daneben leben noch Türken, Bosniaken, Roma und die zu den Roma gerechneten Ashkali und Ägypter im Kosovo. (Wer hier eine Untergruppe von wem ist, wird durch die Gruppen selbst bestritten.) Gut aufgearbeitete Details dazu findet man hier.

Politisch hat mich die Reise ziemlich aus der Kurve getragen und auch nach vorne gebracht, wie auch immer. Ich beschränke mich hier auf die Listung der Stationen der Reise mit punktuellen kurzen Statements dazu.

Ziel der Reise war es, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, und das auch vor dem Hintergrund der ehemals zahlreichen Flüchtlinge aus dem Kosovo in Deutschland und in NRW. Mit von der Partie waren 10 Abgeordnete, vier von der SPD, drei von der CDU, 1 grüner MdL, einer der FDP und ich als MdL der Piratenfraktion. Hinzu kamen vier Fraktionsreferenten, ein Mitarbeiter der Staatskanzlei und ein Dolmetscher, also 16 Personen. Die Delegationsleitung hatte Dr. Ingo Wolf von der FDP inne. Seine Repräsentations- und Moderationsaufgaben waren durch eine sehr sympathische souveräne Lässigkeit gekennzeichnet. Das macht Sinn in einem Land, dass in erster Linie mit einem intensiven Prozess der Selbstfindung beschäftigt ist.

Die Stationen der Reise

Am Sonntag, den 24. April 2016 ging’s mit dem Flieger von Düsseldorf direkt nach Priština, in die Hauptstadt des Kosovo. Nachmittags um 15:00 folgte das erste Briefing vor Ort durch Frau Angelika Viets persönlich, die außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Kosovo. Sie hat sich in den zwei Jahren ihrer Botschaftstätigkeit im Kosovo den Respekt und die Wertschätzung aller politischen Parteien und Kräfte erarbeitet. Ihr Rat zählt. Ich habe einen Höllenrespekt vor dieser Frau und ihren Aufgaben – in Szenesprache, eine echt taffe Lady!

Beim anschließenden Besuch beim Deutschen Informationspunkt für Migration, Ausbildung und Karriere (DIMAK) ging es in den Gesprächen um Informationen und Chancen für Kosovo-Flüchtlinge aus Deutschland, die in ihre Heimat zurückkehren.

Am Montag, den 25. April fuhren wir morgens zum kosovarischen Parlament, wo wir vom Parlamentspräsidenten, Herrn Kadri Veseli, begrüßt wurden. Im Anschluss trafen wir uns mit dem Europaausschuss des Parlamentes für eine etwa einstündige Gesprächsrunde der ein Meeting mit dem kosovarischen Europaminister Bekim Çollaku folgte.

Der Kosovo „lebt“ u.a. von Überweisungen in die Heimat von Kosovaren, die im Ausland leben und arbeiten. Was das Land dringend benötigt, sind Investitionen aus dem Ausland, die es wirtschaftlich nach vorne bringen. Daher war wesentlich das Image des Kosovo im Ausland Thema der Gespräche. Es wurde auch über Image-Kampagnen gesprochen. Entgegen landläufiger Vorurteile hier ist der Kosovo relativ sicher. Wie uns eine Einheimische erzählte, kann es passieren, dass wenn man sich z.B. nachts um drei in Pristina verläuft, einen hilfsbereiten Kosovaren trifft, der einen persönlich nach Hause, bzw. zum Hotel bringt.

Gerade das Ansehen Deutschlands ist im Kosovo sehr hoch. Die Bundesrepublik war unter den ersten Staaten, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten.

Den Treffen im Parlament folgte ein Mittagessen mit der KFW-Landesdirektorin Frau Esther Gravenkötter.

Im Anschluss besuchten wir das Forum Ziviler Friedensdienst (ZFD) und ein spannendes Projekt der Handwerkskammer Dortmund in Zusammenarbeit mit einer Berufsschule in Priština und der kosovarischen Wirtschaftskammer. Kosovarische Jugendliche werden hier als KFZ-Mechaniker ausgebildet. Meine Enschätzung ist, dass solche Projekte es wirklich bringen, weil sie den Menschen vor Ort direkt helfen. Der Kosovo ist das jüngste Land in Europa. Mit einer Geburtenrate von 2,3 sind mehr als 50% der Kosovaren unter 25 Jahre alt.

Am Nachmittag besuchten wir das Rathaus und debattierten mit Herrn Shpend Ahmeti, dem Bürgermeister von Priština. Er hat sich neben der Verbesserung der städtischen Infrastruktur vor allem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahne geschrieben. Die Diskussion war auch insofern interessant, weil seine Partei, die Vetëvendosje! – dt. etwa „Selbstbestimmung!“ – die parlamentarischen Gepflogenheiten – hmm – „sehr frei“ auslegt.

Abends besuchte uns der ehemalige Staatspräsident des Kosovo, Herr Fatmir Sejdiu im Hotel. Wir hatten die Gelegenheit, mit ihm die allgemeine politische Lage auf dem gesamten Balkan offen zu diskutieren.

Am Dienstag, den 26. April besuchten wir zunächst ein UNHCR-Flüchtlingscamp, in dem serbische Inlandsflüchtlinge leben. Direkt im Anschluss fuhren wir nach Mitrovica, einer Stadt im Norden des Kosovo. Dort trafen wir die deutsche EULEX-Richterin, Dr. Katja Dominik, die zusammen mit anderen ausländischen Kollegen nach kosovarischem Recht Recht spricht in Strafprozessen.

Danach besuchten wir ein herausragendes Projekt der Diakonie in Mitrovica. Neben einem Kindergarten, einer Landwirtschaft und diversen Ausbildungsstätten für junge Frauen und Männer wird dort auch ein Zentrum zur Ausbildung von Traumatherapeuten betrieben.

Mitrovica ist eine geteilte Stadt. Nördlich des Flusses Ibar, der die Stadtteile trennt, leben Serben, im Süden Albaner. Der Chef der Diakonie dort regte den Bau eines Jugendzentrums direkt am Fluss an. Dort hat sich eine Tanzgruppe „Urban Dance Crew“ aus jungen Serben und Albanern zusammengefunden unter der Leitung eines 42-jährigen Roma, der die amtlichen geilen Dance-Moves drauf hat. Wir hatten Gelegenheit, eine Live-Performance der Gruppe anzusehen, beeindruckend!

urban-dance-crew

Die Urban Dance Crew in Aktion

Mich erinnerte das spontan an das Projekt „Rhythm is it!“ von Royston Maldoom und Sir Simon Rattle mit den Berliner Symphonikern, Selbstvertrauen und Chancen für Jugendliche, Sinnstiftung, Musik und Tanz als Verständigung. Man kann natürlich immer fragen, was solche Projekte bringen. Für mich sind sie kleine kulturelle Pflänzchen der Verständigung jenseits der Sprachen, die kräftig gegossen werden sollten.

Es folgte im serbischen Teil der Stadt ein Gespräch mit dem Berlin Center for Integrative Mediation (CSSP).

Im Anschluss besuchten wir zusammen mit Vertretern der kosovarischen Privatisierungsagentur das ehemalige Industriekombinat Trepca. Es laufen Bemühungen, diese Firma wieder auf Vordermann zu bringen, eine echte Chance für den Kosovo.

Denn was hierzulande der Allgemeinheit nicht so bekannt ist, der Kosovo ist ungeheuer reich an Bodenschätzen, die für moderne Hightech-Industrien sehr wichtig sind. Neben Unmengen an Blei- und Zinkerzen gibt es große Vorkommen an Gold und Silber, dazu kommen noch vier sonst sehr seltene Metalle – nein, keine seltenen Erden -, die im Boden in Form von Salzen der Halogen- Gruppe (sog. Halogenide, Verbindungen mit Fluor, Chlor, Brom, Jod und Astat) vorliegen, Germanium, Indium, Tellur und Selen.

Wenn jetzt jemandem im Zusammenhang mit der jüngeren kosovarischen Geschichte und den kommenden Rohstoffknappheiten ein Licht aufgeht, dann kann und will ich das nicht verhindern …

Am Mittwoch, den 27. April fuhren wir in den Südwesten des Kosovo, nach Prizren, und besuchten dort die Soldaten des deutschen KFOR-Kontingents. Der Kommandeur, ein Oberst, gab uns einen Überblick über die Lage im Kosovo und die weiteren internationalen KFOR-Partner, die dort stationiert sind. Die Truppen sind recht beliebt in Prizren, man möchte, dass sie noch eine ganze Weile bleiben, weil ihre Präsenz zur Stabilität beiträgt, beim Aufbau des Landes hilft und vielen Einheimischen Arbeit gibt.

Beim Manövrieren durch die Innenstadt von Prizren riss unser recht hoher Bus zwei tief über der Straße hängende LAN-Kabel ab (siehe Bild oben). Die Reaktion eines Bürgers, „egal, wird eh neu gemacht!“

paprika-mit-weisskraut

Paprika mit Weißkraut gefüllt – fertig für den Export

Danach fuhren wir nach Krusha e madhe. Dort gibt es eine Initiative von albanischen Kriegswitwen, die eine Landwirtschaft mit daran angeschlossener Produktion von Ajvar in zwei Schärfegraden und eingelegten gefüllten Gemüsen – Paprika mit Weißkraut – betreiben. Wir haben dort zu Mittag gegessen, den Frauen und ihren Familien kann man nur einen steigenden Absatz, neben der Schweiz vielleicht auch demnächst in Deutschland, wünschen, ein tolles Projekt.

Am Nachmittag besichtigten wir das Balkan Sunflowers Projekt der RAE (Roma, Ashkali, Egyptians) in Fushe Kosove. Dort erhalten Kinder der drei Minderheiten Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen und können Albanisch und Serbisch lernen. Der Analphabetismus in diesen Gruppen ist unerfreulicherweise immer noch sehr hoch, ein nicht nur sinnvolles sondern auch dringend notwendiges Projekt also. Mehr davon!

Im Anschluss trafen wir uns mit Nenad Maksimovic im Center for Peace and Tolerance in der von Serben bewohnten Stadt Gracanica. Seine direkte Art der Darstellung und seine unverblümte und kritische Sicht auf sein Land lieferte uns Delegationsteilnehmern eine weitere Facette zu der an Eindrücken so reichen Kosovo-Reise.

Ein abendlicher Empfang in der Residenz der Botschafterin mit interessanten Gesprächen mit den geladenen Gästen rundete unsere Reise ab.

Am Donnerstagmorgen ging es per Flieger nach Berlin und von dort per ICE zurück nach Düsseldorf.

Hier noch ein Link zum Reisebericht meines SPD-Kollegen Volker Münchow.

Mein Fazit:

So schwer es ist, die Balkanstaaten Kosovo, Serbien, Albanien, Montenegro, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sollten gemeinsam an einer Verkehrsinfrastruktur für den ganzen Balkan arbeiten und dann ebenfalls gemeinsam in die EU kommen. Bis dahin aber muss sich noch Einiges ändern – nicht nur auf dem Balkan – auch in der EU. Aber das ist eine andere Story.

Bis dann, Nick H. aka Joachim Paul

Veröffentlicht unter Persönliche Blogposts

Home Widget 1

Dies ist dein erstes Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 1. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.

Home Widget 2

Dies ist dein zweites Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 2. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.

Home Widget 3

Dies ist dein drittes Homewidget-Kästchen. Um diesen Text zu bearbeiten, gehe zu Designs > Widgets > Home Widget 3. Benutze ein Text-Widget. Titel ist auch Einstellbar.