Dortmund. Alles wie immer. Oder schlimmer?

04.06.2016 Die Naziszene zelebriert den „Tag der deutschen Zukunft“ (tddz)

Dortmund. „Nazihochburg“ hört die Stadt nicht so gerne. Allerdings gibt sich die Stadtgesellschaft schon ausgesprochen viel Mühe, damit dies auch so bleibt. 

Man kann durchaus unterschiedlich mit Naziaufmärschen umgehen. Beliebt war in Dortmund über Jahre das Bratwurstessen gegen rechts. Praktisch also das eigene Abfeiern der demokratischen Haltung, ohne den Nazis auch nur irgendwie in die Quere zu kommen. 

Dies wird dann gelegentlich abgelöst durch „friedliche, bunte“ Demonstrationen. Auch rein symbolisch. Aufhalten möchte da niemand etwas. 

Das wäre auch alles nicht so schlimm, wenn nicht gleichzeitig versucht würde, jeglichen anderen Protestformen unmittelbar zu diskreditieren und zu kriminalisieren. Es ist ok, dass Menschen deutlich machen wollen, dass sie Nazis doof finden, ohne diesen wirklich gegenüber stehen zu wollen. 

Was jedoch wirklich in großem Stil schadet, sind die wiederholten, sich durch manche Presseerzeugnisse immer wieder ziehenden Märchen von den gewalttätigen Blockierer*innen, die die Stadtgesellschaft nicht wünscht. Wir reden hier nicht mal von echter Militanz. Wir reden hier nur von Versuchen, durch Sitzblockaden Aufmärsche stoppen oder verkürzen zu wollen. Auch hier hat Dortmund verdeutlicht, dass dies nicht gewünscht ist. Einer Stadt, der es lieber ist, dass ein Naziaufmarsch durchgesetzt wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (Route der Nazis schützen, Gegenproteste wegpfeffern, ein Aufgebot von 5.000 Polizist*innen, die verhindern, dass man zu angemeldeten Kundgebungen kommt und Gruppen stattdessen lustig im Kreis führen), hat zu verantworten, dass Dortmund Nazihochburg bleiben wird. Es ist sogar zu befürchten, dass die Neonazis durch eben diese Haltung nun mehr Zulauf bekommen werden. 

Es sei deshalb mal diese Frage erlaubt: Wann gerät „friedlich, bunt“ (und symbolisch) in Konflikt mit „Wehret den Anfängen?“


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Grundschulen „Stiefkinder“ der Bildungspolitik in NRW – Unterrichtsbedingungen in den Grundschulen müssen verbessert werden!

Antrag auf Aktuelle Stunde

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The Ages of Cargo-Cult Require Some Trotzdem Gurus

cargo-bahn-445Nicks Anmerkungen zur diesjährigen re:publica TEN

Leider konnte ich nicht zur Republica fahren, denn ich hatte Verpflichtungen bei zwei Cargo-Kulten.

Jedenfalls, wenn man Gunter Dueck Glauben schenken darf. Denn ich habe mir inzwischen Beiträge als Video angesehen, – nein, den Richard Sennett hebe ich mir noch auf -, also den von Gunter Dueck über Cargo-Kulte und den von Sascha Lobo mit dem Titel „The Age of Trotzdem“.

Die Beiträge waren ja beide ganz pfiffig und rhetorisch erquicklich, die Stimmung bei den Rednern und im Publikum hingegen „eher so mittel“ – bis ohnmächtig, wenn man ehrlich ist. Wenn so gar nix mehr hilft, dann gibt man sich das Kabarett.

(Anm.: Wer gar nicht weiß, was ein Cargo-Kult ist, kann sich bei der Wikipedia informieren, hier und hier, oder sich das Video des Beitrags von G. Dueck ansehen.)

Ähm, gut, ich war also nicht da. Ich war in zwei politischen Ausschüssen. Im Landtag von NRW. Für mich als Abgeordneter Pflichtveranstaltungen. Also, folgt man Dueck, dann muss das wohl „Cargo-Pflicht“ oder „Pflicht-Cargo“ genannt werden.

„In der Politik ist das so, wenn man keine Lust hat, irgendwas zu machen, macht man einen Ausschuss, das ist so was wie eine Landebahn planieren“, sagte Dueck so ungefähr in seinem Beitrag, „man gründet Ausschüsse, deren Ergebnis eh schon feststeht“, also Cargo-Kulte. (Video ab min 18:20)

Hmm. Dem sympathischen Gunter Dueck und seinem wunderbaren Vortragsstil zuliebe will ich mal annehmen – er hat ja „Ausschuss“ gesagt -, dass er eigentlich „Enquetekommission“ gemeint hat. In Parlamentsausschüssen ist das nämlich nicht ganz so. Da werden ab und zu Entscheidungen gefällt. Echt. Über Anträge, Gesetzentwürfe und das Ausgeben von Geld (sofern der Staat mal welches hat, was ja auch nicht unbedingt besser geworden ist.)

Für eine Enquetekommission kann ich das Cargo-Dingsbums aber bestätigen und sogar noch steigern, siehe Video.

„Wir sind im Grunde damit zufrieden, dass irgendwie Aktivität simuliert wird“, sagt Dueck bezüglich der Politik und meint mit „wir“ wohl die Zuschauer der repTEN im Publikum. (ab min 25:00)

Moment mal, hat nicht der Expirat-Piratenkritiker Christopher Lauer, der auf Podiumsdiskussionen i.d.R. mit der Berufsbezeichnung „Netzexperte“ geführt wird, den Piraten Cargo-Kult in Tateinheit mit Politiksimulation vorgeworfen? Also Parteitage machen, Abstimmungen und so, Mitglieder werben, Plakate aufhängen und Flyer verteilen, ganz so wie eine „richtige“ Partei, aber alles ohne wirkliches Ergebnis?

Wenn jetzt aber laut Dueck die Politik heutzutage selber eine Simulation, und zwar eine Aktivitätssimulation ist, handeln die Piraten dann nicht eigentlich völlig konsequent? Herrje, ich frag ja nur …

Oder muss man noch zusätzlich differenzieren zwischen Simulation und Simulation der Simulation, bzw. Metasimulation, also Blödheit und Metablödheit?

Vielleicht sind das ja neuere Formen der Selbstreferenz, die über simples Feedback hinausgehen.

[tl;dr Eine Randnotiz über siechende Piraten:
Oft muss ja, damit ein positives Feedback, diese Rückkopplung auch funktioniert, ein Verstärker, hier eine medial vermittelte Ankündigungslogik des Toterklärens nachgeschaltet werden, damit eine Partei wie die Piratenpartei, zu deren Siechtum man – mehr oder weniger präzise der politischen Gesäßgeographie des 19. Jahrhunderts folgend – als frisch nach Links Ausgetretener auch selbst aktiv beigetragen hat, nur ja tot bleibt. Also – nix machend – Cargo-Kult-mäßig den Cargo-Kult dieser Partei erklären. Gewissermaßen also die Quadratur (=hochzwei) des politischen Totseins … das eigene mit eingeschlossen. Weil, das eine macht cargomäßig ja nix und das andere auch nicht.]

Egal.

Wie es mir geht damit? Eher so mittel.

Weil, wir in der Politik machen ja nix  (und die Piraten also jetzt mal so medial wahrgenommen nix) und die anderen machen ja auch nix, kriegen aber Kohle dafür. Nur fürs Reden – übers nix machen jetzt wieder der Anderen, hier jetzt über Ausschüsse/Enquetes. Wie sagte Lobo? Irgendwas mit unverschämt … Es sei ihm TROTZDEM gegönnt. Nein wirklich. Echt keine Ironie.

Also, Dueck, Lobo, ihr Lieben. Ja und den Welzer und den Pörksen u.v.a. Mit-, Vor-, Nach- und Querdenker nehme ich auch noch mit. Wie wär’s denn mal damit, eine Partei zu gründen?

Politik ist doch Bürgersache. Oder? Und Publizisten und Wissenschaftler sind doch auch Bürger?

Oder seid ihr frustriert, weil ihr alle den Manuel Castells gelesen habt, der im Vorwort von seinem „Das Informationszeitalter“ – und das schon 1998 – von der zunehmenden Kurzlebigkeit politischer Bewegungen gesprochen hat? Kurzlebigkeit gleich Sinnlosigkeit?

„Die politischen Systeme stecken in einer strukturellen Legitimitätskrise, sie werden periodisch von Skandalen erschüttert, sind in ihrem Kern abhängig von Medienberichterstattung und personalisierten Führungsformen und zunehmend von den Bürgern isoliert. Soziale Bewegungen sind meist zersplittert, lokal fixiert, auf Einzelfragen orientiert und kurzlebig; sie haben sich entweder in ihre innere Welt vergraben oder brechen nur für einen Augenblick um ein medienwirksames Symbol herum hervor.“ (M. Castells, Das Informationszeitalter Band 1, Opladen 2001, S.3)

Ihr wisst doch Bescheid, ihr erkennt doch was. Es gab mal einen Philosophen, der schrieb einen Beitrag zu einer kybernetischen Theorie der Subjektivität. Und damit über die unauflösliche Verknüpfung von Erkennen und Wollen. Erkennen gleich Beurteilen und Wollen gleich Entscheiden, Handeln, und das auch politisch. Warum wird immer so getan, als sei Erkennen vom Wollen unabhängig, als könne man einen eher erkennenden Job, z.B. Wissenschaftler oder Publizist, von einem eher wollend-entscheidenden Job, Manager oder Politiker, noch trennen? Im technischen Zeitalter?

Es brennt ja überall, politisch jetzt. Können wir uns das überhaupt noch leisten mitten in der informationstechnologischen Revolution? Die Woller, die Entscheider wissen nix und die Wissenden entscheiden nix …. aber sie reden wenigstens übers Nichtentscheiden.

Cargo-Kulte sind ein Krisenphänomen. In Melanesien der Unterversorgung mit Lebensmitteln und Glück. In der Politik der Unterversorgung mit KnowHow. Cargo-Kulte waren ein Krisenphänomen. Übrigens seit der Jungsteinzeit.

Und sie sind flankiert von Gurus, von hellen, von dunklen, von bebrillten, besmartphoneten und solchen in Grautönen.

Heute abend höre ich mir nochmal eine Liveversion von „Cosmik Debris“ von Frank Zappa an.
Wer’s lieber Deutsch mag, kann sich auch „Heeyoh Guru“ von Lindenberg auflegen.

Und ein Wein dazu.

Herzlich, Nick

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The Ages of Cargo-Cult Require Some Trotzdem Gurus

cargo-bahn-445Nicks Anmerkungen zur diesjährigen re:publica TEN

Leider konnte ich nicht zur Republica fahren, denn ich hatte Verpflichtungen bei zwei Cargo-Kulten.

Jedenfalls, wenn man Gunter Dueck Glauben schenken darf. Denn ich habe mir inzwischen Beiträge als Video angesehen, – nein, den Richard Sennett hebe ich mir noch auf -, also den von Gunter Dueck über Cargo-Kulte und den von Sascha Lobo mit dem Titel „The Age of Trotzdem“.

Die Beiträge waren ja beide ganz pfiffig und rhetorisch erquicklich, die Stimmung bei den Rednern und im Publikum hingegen „eher so mittel“ – bis ohnmächtig, wenn man ehrlich ist. Wenn so gar nix mehr hilft, dann gibt man sich das Kabarett.

(Anm.: Wer gar nicht weiß, was ein Cargo-Kult ist, kann sich bei der Wikipedia informieren, hier und hier, oder sich das Video des Beitrags von G. Dueck ansehen.)

Ähm, gut, ich war also nicht da. Ich war in zwei politischen Ausschüssen. Im Landtag von NRW. Für mich als Abgeordneter Pflichtveranstaltungen. Also, folgt man Dueck, dann muss das wohl „Cargo-Pflicht“ oder „Pflicht-Cargo“ genannt werden.

„In der Politik ist das so, wenn man keine Lust hat, irgendwas zu machen, macht man einen Ausschuss, das ist so was wie eine Landebahn planieren“, sagte Dueck so ungefähr in seinem Beitrag, „man gründet Ausschüsse, deren Ergebnis eh schon feststeht“, also Cargo-Kulte. (Video ab min 18:20)

Hmm. Dem sympathischen Gunter Dueck und seinem wunderbaren Vortragsstil zuliebe will ich mal annehmen – er hat ja „Ausschuss“ gesagt -, dass er eigentlich „Enquetekommission“ gemeint hat. In Parlamentsausschüssen ist das nämlich nicht ganz so. Da werden ab und zu Entscheidungen gefällt. Echt. Über Anträge, Gesetzentwürfe und das Ausgeben von Geld (sofern der Staat mal welches hat, was ja auch nicht unbedingt besser geworden ist.)

Für eine Enquetekommission kann ich das Cargo-Dingsbums aber bestätigen und sogar noch steigern, siehe Video.

„Wir sind im Grunde damit zufrieden, dass irgendwie Aktivität simuliert wird“, sagt Dueck bezüglich der Politik und meint mit „wir“ wohl die Zuschauer der repTEN im Publikum. (ab min 25:00)

Moment mal, hat nicht der Expirat-Piratenkritiker Christopher Lauer, der auf Podiumsdiskussionen i.d.R. mit der Berufsbezeichnung „Netzexperte“ geführt wird, den Piraten Cargo-Kult in Tateinheit mit Politiksimulation vorgeworfen? Also Parteitage machen, Abstimmungen und so, Mitglieder werben, Plakate aufhängen und Flyer verteilen, ganz so wie eine „richtige“ Partei, aber alles ohne wirkliches Ergebnis?

Wenn jetzt aber laut Dueck die Politik heutzutage selber eine Simulation, und zwar eine Aktivitätssimulation ist, handeln die Piraten dann nicht eigentlich völlig konsequent? Herrje, ich frag ja nur …

Oder muss man noch zusätzlich differenzieren zwischen Simulation und Simulation der Simulation, bzw. Metasimulation, also Blödheit und Metablödheit?

Vielleicht sind das ja neuere Formen der Selbstreferenz, die über simples Feedback hinausgehen.

[tl;dr Eine Randnotiz über siechende Piraten:
Oft muss ja, damit ein positives Feedback, diese Rückkopplung auch funktioniert, ein Verstärker, hier eine medial vermittelte Ankündigungslogik des Toterklärens nachgeschaltet werden, damit eine Partei wie die Piratenpartei, zu deren Siechtum man – mehr oder weniger präzise der politischen Gesäßgeographie des 19. Jahrhunderts folgend – als frisch nach Links Ausgetretener auch selbst aktiv beigetragen hat, nur ja tot bleibt. Also – nix machend – Cargo-Kult-mäßig den Cargo-Kult dieser Partei erklären. Gewissermaßen also die Quadratur (=hochzwei) des politischen Totseins … das eigene mit eingeschlossen. Weil, das eine macht cargomäßig ja nix und das andere auch nicht.]

Egal.

Wie es mir geht damit? Eher so mittel.

Weil, wir in der Politik machen ja nix  (und die Piraten also jetzt mal so medial wahrgenommen nix) und die anderen machen ja auch nix, kriegen aber Kohle dafür. Nur fürs Reden – übers nix machen jetzt wieder der Anderen, hier jetzt über Ausschüsse/Enquetes. Wie sagte Lobo? Irgendwas mit unverschämt … Es sei ihm TROTZDEM gegönnt. Nein wirklich. Echt keine Ironie.

Also, Dueck, Lobo, ihr Lieben. Ja und den Welzer und den Pörksen u.v.a. Mit-, Vor-, Nach- und Querdenker nehme ich auch noch mit. Wie wär’s denn mal damit, eine Partei zu gründen?

Politik ist doch Bürgersache. Oder? Und Publizisten und Wissenschaftler sind doch auch Bürger?

Oder seid ihr frustriert, weil ihr alle den Manuel Castells gelesen habt, der im Vorwort von seinem „Das Informationszeitalter“ – und das schon 1998 – von der zunehmenden Kurzlebigkeit politischer Bewegungen gesprochen hat? Kurzlebigkeit gleich Sinnlosigkeit?

„Die politischen Systeme stecken in einer strukturellen Legitimitätskrise, sie werden periodisch von Skandalen erschüttert, sind in ihrem Kern abhängig von Medienberichterstattung und personalisierten Führungsformen und zunehmend von den Bürgern isoliert. Soziale Bewegungen sind meist zersplittert, lokal fixiert, auf Einzelfragen orientiert und kurzlebig; sie haben sich entweder in ihre innere Welt vergraben oder brechen nur für einen Augenblick um ein medienwirksames Symbol herum hervor.“ (M. Castells, Das Informationszeitalter Band 1, Opladen 2001, S.3)

Ihr wisst doch Bescheid, ihr erkennt doch was. Es gab mal einen Philosophen, der schrieb einen Beitrag zu einer kybernetischen Theorie der Subjektivität. Und damit über die unauflösliche Verknüpfung von Erkennen und Wollen. Erkennen gleich Beurteilen und Wollen gleich Entscheiden, Handeln, und das auch politisch. Warum wird immer so getan, als sei Erkennen vom Wollen unabhängig, als könne man einen eher erkennenden Job, z.B. Wissenschaftler oder Publizist, von einem eher wollend-entscheidenden Job, Manager oder Politiker, noch trennen? Im technischen Zeitalter?

Es brennt ja überall, politisch jetzt. Können wir uns das überhaupt noch leisten mitten in der informationstechnologischen Revolution? Die Woller, die Entscheider wissen nix und die Wissenden entscheiden nix …. aber sie reden wenigstens übers Nichtentscheiden.

Cargo-Kulte sind ein Krisenphänomen. In Melanesien der Unterversorgung mit Lebensmitteln und Glück. In der Politik der Unterversorgung mit KnowHow. Cargo-Kulte waren ein Krisenphänomen. Übrigens seit der Jungsteinzeit.

Und sie sind flankiert von Gurus, von hellen, von dunklen, von bebrillten, besmartphoneten und solchen in Grautönen.

Heute abend höre ich mir nochmal eine Liveversion von „Cosmik Debris“ von Frank Zappa an.
Wer’s lieber Deutsch mag, kann sich auch „Heeyoh Guru“ von Lindenberg auflegen.

Und ein Wein dazu.

Herzlich, Nick

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Grade fragt Sommer: BlockaDO?

GradefragtSommerBlockDO

Ich habe mit David Grade über BlockaDO gesprochen:

David Grade (DG): Am 04.06.2016 marschieren Nazis durch Dortmund. Es hat sich breiter Protest formiert. Unter anderem BlockaDo – ein Bündnis, dass auch blockieren will. Wie stehst du dazu?

Torsten Sommer TS: Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) [1] können Sitzblockaden durchaus ein legitimes Mittel sein, um das eigene Demonstrationsrecht durchzusetzen und politisch wahrgenommen zu werden.

Ich zitiere mal einen Teil der Begründung:
„Dass die Aktion die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für bestimmte
politische Belange bezweckte, lässt den Schutz der Versammlungsfreiheit
nicht entfallen, sondern macht die gemeinsame Sitzblockade, die somit
der öffentlichen Meinungsbildung galt, erst zu einer Versammlung im
Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG.“

Meint, auch für Sitzblockaden gilt der Schutz der grundgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit. Gerade und im Besonderen, wenn die Blockade zur „Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit“ führt.

DG: Sind denn alle Blockaden strafrechtlich zu verfolgen, wie es der Dortmunder Polizeipräsident ankündigt?

TS: Wenn man sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes durchliest und dazu noch die diversen Kommentierungen anderer Rechtsgelehrter, die sich mit der Materie beschäftigt haben, scheint mir die Aussage vom Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange zu pauschal. Es kommt wohl eher auf den Einzelfall und die rechtliche Bewertung dessen an.

DG: Wenn die Polizei nicht objektiv informiert und handelt, wie sollen dann Blockierende wissen, ob sie sie schon im Rahmen des Strafrechts handeln oder nicht?

TS: Können die Teilnehmenden nicht. Können nicht einmal der Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen vor Ort rechtsfest entscheiden. Kann immer nur im Nachgang ein Gericht. Und manchmal auch erst das Bundesverfassungsgericht.

DG: Was für Tipps hast du denn für Menschen, die die Nazis blockieren wollen?

TS: In meinen Augen hat das Bundesverfassungsgericht sehr klar gemacht, dass es auch auf die Verhältnismäßigkeit ankommt. Ich möchte das an einem fiktiven Beispiel erläutern.

Man stelle sich vor, Gruppierung B führt eine Demonstration auf einem mittelgroßen Platz als Standkundgebung durch. Laut Auflage der Polizei darf diese Kundgebung nur bis 12 Uhr andauern, da Gruppe N auf dem gleichen Platz ab 14 Uhr die Abschlusskundgebung ihres Demonstrationszuges abhalten möchte.

Die Durchführung der der Abschlusskundgebung auf dem mittelgroßen Platz kann aber nicht stattfinden, weil Gruppierung B den zeitlichen Rahmen nicht einhält, auf dem Platz verbleibt und ihn auch nicht freigibt, also quasi blockiert.
Gruppierung N will aber partout die Abschlusskundgebung auf dem mittelgroßen Platz durchführen.

Hier muss jetzt die Verhältnismäßigkeit abgewogen werden.

1. Ist der Verbleib von Gruppierung B als Nötigung anzusehen?
Meiner Meinung sagt hier das Bundesverfassungsgericht: Nein, denn auch die Teilnehmer auf dem mittelgroßen Platz nutzen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit.
Und wenn ich die Situation zum Urteil des BVerfG vergleiche, geht es ja wie im Ursprungsfall darum, einen Platz als Zeichen des politischen Ausdruckes nicht freizugeben. Und genau das stellt dann diese Sitzblockade auch unter den Schutz des Artikel 8 Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Und diese Versammlung ist genau so zu schützen und zu ermöglichen, wie jede andere Versammlung auch.

2. Wäre es verhältnismäßig den mittelgroßen Platz mit Gewalt zu räumen?
Meiner Meinung nach nur dann, wenn lediglich eine sehr kleine Menschenansammlung auf dem Platz wäre, die ihr Versammlungsrecht auch am Rande des Platzes wahrnehmen könnte.

3. Welchen Anspruch hat Gruppe N auf genau diesen mittelgroßen Platz?
Meiner Meinung hat die Gruppe zwar mit der Polizei die Route, wie auch den Platz der Abschlusskundgebung abgesprochen, aber es muss abgewogen werden, ob nicht auch ein direkt zugänglicher Ausgleichsplatz (Wiese nebenan, etc.) für die Abschlusskundgebung ausreichen würde. Denn das Recht auf Versammlungsfreiheit schließt ja eben nicht das Recht auf Versammlung an einem ganz bestimmten Platz ein, wenn dieser aus objektiven Gründen nicht verfügbar ist. Zum Beispiel werden auch keine Demonstrationen zeitgleich zu einem Wochenmarkt genehmigt.
Wenn also der geplante Platz der Abschlusskundgebung nicht mit verhältnismäßig einfachen Mittel zu räumen ist und ohne in die gleich zu bewertenden Grundrechte anderer Demonstranten einzugreifen (Versammlungsrecht, aber auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit), dann muss die Abschlusskundgebung eben ausweichen, wenn das einfacher zu bewerkstelligen ist.
Ein Wasserwerfereinsatz auf einem Platz voller Menschen wäre hingegen sicher nicht verhältnismäßig. Bilder wie bei Stuttgart21 will niemand mehr sehen.

Und ich bin der festen Überzeugung, dass Polizeipräsident Gregor Lange seinen ausführenden Beamten sehr genau mitgegeben hat, dass es genau auf diese Verhältnismäßigkeit ankommt.

DG: Jetzt wissen wir, wie du das Thema blockieren siehst, wie sehen es denn die Piraten als Partei?

TS: Wir sagen immer wieder, nicht nur auf Wahlplakaten, „Wir halten uns an das Grundgesetz, da sind wir konservativ“. Wenn wir uns also an die Grundgesetzauslegung des Bundesverfassungsgerichtes (unser höchstes, deutsches Gericht) zum Thema halten, gibt es keinen Unterschied zwischen der Parteimeinung und meiner Meinung.

DG: Herzlichen Dank.

[1] PM des Bundesverfassungsgerichtes:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/bvg11-025.html
Urteil im Wortlaut:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/03/rk20110307_1bvr038805.html

Torsten Sommer - Bürgerrechte muss man wählen!

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Ausstellung PIRATE ART SET 1 – 31.05.-12.07.2016

Am 31. Mai haben wir in unserem Fraktionsfoyer im Landtag NRW die Ausstellung eröffnet.

PIRATE ART SET 1
„Operation am offenen Auge“
Künstler Heinz Morszoeck

Die Ausstellung ist vom 31.05. bis 12.07.2016 zu besuchen im Foyer der Piratenfraktion im Landtag NRW, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf.

Anmeldung erforderlich: art@piratenfraktion-nrw.de

Impressionen von der Vernissage

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Pressemitteilung: Weiterhin Rechtsunsicherheiten beim freien WLAN

Lukas Lamla,

Netz- und Medienpolitischer Sprecher der Piratenfraktion in NRW kommentiert den im Bundestag
eingebrachten Gesetzentwurf:

Trotz vollmundiger Ankündigungen im Vorfeld, schaffen es SPD und
Union im Bundestag nicht die WLAN-Störerhaftung abzuschaffen. Nun
wurde ein halbherziger und handwerklich schlechter Gesetzesentwurf
vorgelegt.

 

Statt endlich Klarheit zu schaffen und die Betreiber von offenen WLAN
von der Störerhaftung zu befreien, lässt die GroKo im Entwurf
Interpretationsspielraum in den wesentlichen Punkten zu und übergibt
die Verantwortung wieder einmal an die Gerichte.

 

Weiterhin wird für die Betreiber von offenen WLAN Netzwerken das
Risiko einer kostenpflichtigen Abmahnung bestehen bleiben, denn das
Gesetz lässt völlig offen, ob Betreiber von offenen WLAN Netzwerken
für Rechtsverstöße der Nutzenden nicht weiterhin auf Unterlassung
in Anspruch genommen werden können. Eine bloße Absichtserklärung in
der Erläuterung des Gesetzes reicht nicht aus, um der Störerhaftung
eine Absage zu erteilen.

 

Es bleibt ein Wischiwaschi-Gesetz und wird nicht dazu führen, dass
die Menschen im Land flächendeckend ihre WLAN Netzwerke öffnen
werden.

 

Ein offenes und barrierefreies öffentliches WLAN wird so eine
Seltenheit bleiben. Deutschland bleibt damit weiterhin digitales
Entwicklungsland. Es bleibt der Frust, bei vielen Menschen die
tatsächlich auf die Abschaffung der Störerhaftung gehofft haben.

 

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Untersuchungsausschuss Silvester: Das Ende der Unschuld – auf beiden Seiten

Wenn man denkt, dass es nicht schlimmer kommen kann, kommt es so: Der Untersuchungsausschuss Silvester verabschiedet sich gerade endgültig von seinem Aufklärungsauftrag und tritt in den reinen Wahlkampfmodus ein. Ich habe bereits in den letzten Tagen beklagt, dass CDU und … Weiterlesen
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Untersuchungsausschuss Silvester: Das Ende der Unschuld – auf beiden Seiten

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Fraktionssitzung vom 31.05.2016


Live-Protokoll der Sitzung

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