Mittwoch, 29. April 2015
1. Nordrhein-Westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/8531
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Protokoll der Rede von Joachim Paul
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen. liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist jetzt wirklich nicht einfach.
Aber seit Donnerstag letzter Woche steht ein skandalöser Verdacht im Raum. Nach Informationen des „Spiegel“ hat der Bundesnachrichtendienst in tausenden Fällen Kommunikationsdaten von deutschen Unternehmen und Politikern gesammelt und an den amerikanischen Nachrichtendienst NSA weitergegeben. Das Bundeskanzleramt war nachweislich seit dem Jahr 2008 informiert. Wir Piraten haben in der Begründung zur heutigen Aktuellen Stunde diesen Vorgang als „Amtshilfe“ des BND an die NSA bezeichnet. Im Grunde ist das ein Euphemismus. Denn wenn die Informationen stimmen das hat bisher keine Seite angezweifelt , handelt es sich hierbei um Landesverrat auf Bundesebene, der höchstwahrscheinlich auch das Hightechland Nordrhein-Westfalen betrifft.
Wir Piraten warnen seit Jahren vor den technischen Möglichkeiten und dem Willen der Nachrichtendienste, im In- und Ausland massenhaft Kommunikationsdaten abzugreifen und ihre Inhalte zu nutzen. Nicht erst seit Edward Snowden steht dabei auch der Verdacht auf Wirtschaftsspionage im Raum. Doch spätestens mit den neuesten Enthüllungen wird klar: Die NSA-Affäre ist zur Bundeskanzleramtsaffäre geworden. Die zuständigen Politiker tragen die politische Verantwortung.
Als wir Piraten das letzte Mal dieses Thema in den Landtag brachten, wurde uns vom Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Landesinnenministerium mitgeteilt, dass kein Grund zur Besorgnis bestehe. In seiner Stellungnahme ließ er das Parlament wissen, es lägen keine Erkenntnisse vor, dass sogenannte befreundete Dienste Wirtschaftsspionage in Nordrhein-Westfalen betrieben. Weiter hieß es beschwichtigend: Auch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz liegen nach eigener Aussage keinerlei Erkenntnisse vor, die die These einer Wirtschaftsspionage aus dem Westen stützen.
Ist also alles nur grundloses Gerede, Verschwörungstheorie oder hanebüchene Spekulation? Nun stellt sich heraus, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz vielleicht nur mal seinen Kollegen vom Bundesnachrichtendienst oder das zuständige Bundeskanzleramt hätte fragen sollen, das seit 2008 vollumfänglich darüber im Bilde war, wie die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland von sogenannten befreundeten Diensten ausspioniert werden.
Das allein ist schon unglaublich genug, unfassbar aber ist, dass dies noch unter aktiver Mithilfe des vom deutschen Steuerzahler mit Millionen finanzierten BND geschieht. Da fehlen einem schlicht die Worte.
(Beifall von den PIRATEN)
Der Super-GAU in der deutschen Innenpolitik ist also da. Seit 2013, als Edward Snowden mit seinen mutigen Enthüllungen an die Öffentlichkeit trat, hat es nicht lange gedauert bis zur Kernschmelze jeglichen Vertrauens in die staatliche Integrität. Seitdem galt auf allen Ebenen der deutschen Politik in dieser Thematik nur eine einzige Handlungsanweisung, ob im Bund oder hier im Land: weggucken, vertuschen, leugnen, und wenn es gar nicht mehr anders geht und die Last der Beweise erdrückend wird, alles kleinreden und für komplett erledigt erklären. Damit muss jetzt ein für alle Mal Schluss sein!
(Beifall von den PIRATEN)
Selbst der Hilferuf der Geschädigten gab unserer Landesregierung keinen Anlass zum Umdenken. So erklärte die Arbeitsgemeinschaft Produkt- und Know-how-Schutz in Ihrer Stellungnahme zu der Anhörung Wirtschaftsspionage, die, von uns Piraten verlangt, im Februar 2014 hier im Plenarsaal stattfand ich zitiere :
„Die Hilfe der Politik, auch in NRW, ist verschwindend gering. Es gibt für Behörden und Politik einiges zu tun!“
Die Piraten haben bereits im Jahre 2013 Aufklärung gefordert, als wir das Thema „Wirtschaftsspionage“ hier einbrachten. Als ein Jahr später bekannt wurde, dass am Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt, übrigens von einem Kölner Unternehmen betrieben, ein millionenfacher Abgriff von Daten erfolgt ist Stichwort: Eikonal , haben wir wieder Aufklärung gefordert. Und auch heute fordern wir eine vollumfängliche Aufklärung der BND-Affäre. Doch damit allein kann es diesmal nicht getan sein. Die Salamitaktik des Bundesnachrichtendienstes hat es selbst verursacht: Kein Mensch glaubt mehr daran, dass sich der Nachrichtendienst freiwillig einer ehrlichen Aufklärung und den daraus folgenden Konsequenzen unterzieht.
Wer trägt dafür die Verantwortung? Ist es Frank-Walter Steinmeier, der den Bundesnachrichtendienst bis ins Jahr 2005 beaufsichtigte? Ist es sein Nachfolger Thomas de Maizière oder etwa Ronald Pofalla, der zudem im August 2013 wider besseres Wissen die Unverfrorenheit besaß, die NSA-Affäre für beendet zu erklären? Oder ist es der derzeitige Amtschef Peter Altmaier? Fest steht: Es gibt ein eklatantes Staatsversagen der Sicherheitsbehörden.
(Beifall von den PIRATEN)
Das Bundeskanzleramt hat bei der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes versagt, und zwar sowohl unter christdemokratischer als auch unter sozialdemokratischer Führung. Deswegen erneuern wir Piraten unsere Forderung: Das Eigenleben der deutschen Nachrichtendienste schändet unsere Demokratie!
(Beifall von den PIRATEN)
Die Nachrichtendienste müssen wieder Teil des Rechtsstaats werden. Sie gehören an die parlamentarische Kette. Was muss also getan werden, um die Bürger und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen vor staatlichen Nachrichtendiensten zu schützen? Erstens. Der Skandal muss vollumfänglich aufgeklärt werden, insbesondere im Hinblick auf betroffene Bürger und Unternehmen hier im Land. Zweitens. Es muss endlich Schluss sein mit der Vertuschung und Verharmlosung des Spionageskandals sowohl im Bund als auch hier in NRW. Sie, Herr Minister Jäger, und der Ihnen unterstellte Verfassungsschutz, der einen gesetzlichen Auftrag zur Spionageabwehr hat, müssen Ihre „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“Linie endlich aufgeben.
(Beifall von den PIRATEN)
Drittens. Die Bundesbehörden scheinen nicht willens oder in der Lage zu sein, dem Eigenleben des Dienstes Herr zu werden. Die Landesregierung und der Landtag müssen daher aus ureigenem Interesse die Bundesregierung auffordern, die Kontrolle über den BND zurückzuerlangen.
Viertens. Wir, die Mitglieder unserer Fraktion, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei und der Landesvorsitzende der Piratenpartei, erstatten beim Generalbundesanwalt Strafanzeige bezüglich § 99 Strafgesetzbuch gegen die Führungsebene des BND und gegen die aufsichtsführenden Politiker im Bundeskanzleramt. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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