Joachim Paul zum Wissenschaftsgesetz NRW

Donnerstag, 15. Mai 2014

Top 10. Wissenschaftsgesetz NRW  (WissG)

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN
Unser Redner: Joachim Paul
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
Zusammenfassung des Antrags:

Das Wissenschaftsgesetz NRW soll den Hochschulen einen verbindlichen Rahmen für mehr Transparenz, Demokratisierung und Selbstverwaltung bieten. Außerdem steigert er die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule, da die Mitarbeiter in den Landesdienst zurückgeholt werden. Eine weitere zentrale Forderung ist Open Access. Wer mit öffentlichen Geldern forscht, soll die Erkenntnisse dem Bürger zur Verfügung stellen. Der Gesetzentwurf stellt endlich wieder die Wissenschaftler in den Fokus.

 

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Protokoll der Rede von Joachim Paul

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke:

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 10 Wissenschaftsgesetz NRW (WissG)  Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5747 erste Lesung Ich eröffne die Aussprache und erteile jetzt für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Dr. Paul das Wort. Bitte, legen Sie los.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte zu dieser späten Stunde natürlich auch ein bisschen Zeit sparen, allerdings bin ich Fraktion und Partei an der Stelle etwas Detailliertes schuldig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten mit einem Zitat beginnen. Dieses Zitat stammt aus einer Erklärung eines Zusammenschlusses von 40 Studierendengruppen der Volkswirtschaftslehre aus 19 Ländern, mehr als die Hälfte davon aus der Europäischen Union, von Mai dieses Jahres auch Deutschland ist dabei : „Neben den für gewöhnlich gelehrten auf der Neoklassik basierenden Ansätzen ist es notwendig, andere Schulen einzubeziehen. Beispiele für diese Schulen sind die klassische, die post-keynesianische, die institutionelle, die ökologische, die feministische, die marxistische und“ man höre und staune! „die österreichische Tradition. Die meisten Studierenden der Volkswirtschaftslehre verlassen die Universität, ohne jemals von einer dieser Perspektiven auch nur gehört zu haben.“

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Doch! Alle!)

Weiter heißt es in der Erklärung, dass die Studierenden zum Üben des reflektierten ökonomischen Denkens mit Wirtschaftsgeschichte und den Klassikern der Ökonomie konfrontiert werden sollten. Das fehle oder finde nur am Rande der Lehrpläne statt. Denn diese würden von der Neoklassik dominiert, wo der voll rationale Roboter und Superstatistiker namens Homo oeconomicus auf der Basis von Big Data versuche, die Zukunft zu errechnen. Doch diese Modellwelt blendet die reale Welt weitgehend aus, wie an der Finanzmarktstabilitätskrise und dem Schweigen im Walde dazu an deutschen VWL-Lehrstühlen zu erkennen war. Wir laufen Gefahr, auch an NRW-Hochschulen nur lauter weltfremde neoklassisch Ausgebildete auszubilden, die noch nicht mal etwas dafür können. Wir fordern Vielfalt statt markt-theologische Monokultur.

(Beifall von den PIRATEN)

Dies ist nur einer der Gründe, warum wir einen eigenen Entwurf für ein Wissenschaftsgesetz NRW einbringen. Dieser besteht hier in Reihenfolge, jedoch gleich wichtig aus vier Säulen:

Erstens. Wir möchten einen dritten Weg, Demokratie und Selbstverwaltung statt Fremdsteuerung vorwiegend durch Staat und Markt. Wir Piraten wollen mit unserem Gesetzentwurf endlich wieder die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, also auch die Studierenden, in den Fokus der Betrachtung stellen. Wo sonst als in Bildungseinrichtungen kann Demokratie und gegenseitige Verantwortung gelebt und erlernt werden, gerade für Führungskräfte? Deswegen bleiben wir dabei, dass die Hochschulräte wegmüssen.

(Beifall von den PIRATEN)

Selbstverwaltung heißt auch, Vertrauen in die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu leben und sie selbstbestimmt via Senat entscheiden zu lassen.

Zweitens: Transparenz. Es war unsere Kleine Anfrage zu den Rektorengehältern, die die Gemüter erhitzt hat. Wir Abgeordnete sind die Anwälte der Steuerzahler und möchten wissen, was mit ihren Geldern passiert. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf den Passus der Offenlegung der Gehälter wieder verstärkt.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir fordern Transparenz der Hochschulhaushalte, der Gehälter auch von Leitungen sowie der Forschungsverträge.

Drittens: Attraktivitätssteigerung des Arbeitsplatzes „Hochschule“. Eine Betrachtung der Hochschulgesetze der anderen Bundesländer ergibt in Bezug auf das Hochschulpersonal Folgendes: Das Hochschulpersonal ist Landespersonal. Das wollen wir in NRW wieder einführen und nehmen damit die Anregungen der Landespersonalräte auf. Dass die SPD da nicht so ganz heranwill, ist uns ein wenig schleierhaft. Stattdessen ist ein Kodex „Gute Arbeit“ bloß ein Placebo und öffnet leider weiterhin den sachgrundlosen Befristungen bis zu 80 % an unseren Hochschulen Tür und Tor. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Bundesebene können wir leider nicht novellieren, aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern statt Hire and Fire eine Perspektive zur Lebensplanung bieten.

Viertens: das Hochschulnetzwerkgesetz mit Open Access und Massive Open Online Courses. Das sind wesentliche Motoren der Innovation; sie fördern die Teilhabe an Bildung immens. Wenn Studierende die Möglichkeit haben, an jedem Ort zu jeder Zeit Materialien abzurufen und online an Vorlesungen teilzunehmen, dann sind wir in der Informations- und Wissensgesellschaft angekommen.

(Beifall von den PIRATEN)

Was Open Access angeht: Dies gehört bei außeruniversitären Spitzenforschungen wie Helmholtz, Fraunhofer oder Max Planck längst zum Standard.

Gleichzeitig erhören wir endlich den Ruf der Fachhochschulen, die forschungsstark sind, dass auch ihnen ein restringiertes Promotionsrecht verliehen werden kann. Neu wäre auch, dass die Kluft zwischen Fachhochschulen und Universitäten aufgebrochen werden soll und dass die Hochschulen angehalten werden, interdisziplinäre Netzwerke zu bilden. Denn die eigentliche Hochschule, um die es geht, meine Damen und Herren, ist das ganze Land Nordrhein-Westfahlen. Gleiches gilt für den Übergang vom Bachelor zum Master zwischen den Hochschultypen für die Studierenden. Wenn man Bildungshürden abbauen will wie SPD und Grüne ja auch , dann muss man einfach mal konkret werden. Wir freuen uns auf die Debatten mit Ihnen im Ausschuss und in der Anhörung.

Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Schultheis das Wort.

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