Stefan Fricke zu Verkehr in der Haushaltsdebatte 2013

Donnerstag, 28. November 2013

Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013

V. Einzelplan 09

Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und  Verkehr

b) Verkehr

Unser Redner: Stefan Fricke
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Stefan Fricke:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wie gut, dass es gerade nur um Verkehr und nicht um das Urheberrecht geht. Denn was die Landesregierung im vorliegenden Haushaltsentwurf an Ideen-Copy-and-Paste betrieben hat, würde mancher einschlägigen Anwaltskanzlei das Wasser und blinkende Euro-Zeichen in die Augen treiben.

Wir sprechen von der Verkehrswende. Die Landesregierung hat die Verkehrswende für sich entdeckt und sich bei den Piraten ausgiebigst bedient.

(Heiterkeit von Dr. Joachim Paul [PIRATEN] – Lachen von Jochen Ott [SPD])

Das wäre uns recht, wenn es sich nicht auf schöne Worte beschränken würde. Dem von Minister Groschek so oft bemühten „Nicht weiter so“ und dem Erhalt vom Neubau würden wir uns nur zu gern anschließen.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Real ist davon nichts festzustellen, denn im Haushalt sehen wir keine politische Bereitschaft, wirklich Neues zu wagen. Der eine oder andere eingesparte Straßenneubau ist schließlich Kosmetik, übertüncht aber immer noch bis auf Ausnahmen weitestgehend die fehlende Einsicht, dass Infrastrukturen gepflegt und erhalten werden müssen und dass dafür Geld vorzusehen ist. Aber wenn das Sparen von Ausgaben nicht mit dem Aufzeigen von Alternativen für eine mobile Gesellschaft einhergeht, hat das nichts mit einer glaubwürdigen Verkehrswende zu tun, sondern folgt allein – noch dazu ohne Überzeugung – dem Zwang, vernünftig zu wirtschaften.

Zu einer Verkehrswende gehört nicht nur die halbherzige Kürzung von Haushaltstiteln für den Straßenverkehr im Allgemeinen und den Autoverkehr im Besonderen, sondern auch das Bereitstellen von Mitteln für die Entwicklung von langfristig tragfähigen Alternativen.

Natürlich warten wir alle sehnsüchtig auf den RRX. Natürlich warten wir alle ungeduldig auf den Eisernen Rhein oder die Betuwe-Line. Aber bis wir hierbei auf Vollzug hoffen können, vergehen noch Jahre oder Jahrzehnte.

Mobilität im urbanen Bereich ist heute und morgen wichtig. Sie definiert sich – daran kann es keinen Zweifel mehr geben – nicht länger am motorisierten Individualverkehr. Abseits der Ballungsgebiete sieht es noch ganz anders aus. Hier steht die Politik und damit die Landesregierung vor einer Herausforderung, die in Dimension und Gewicht alles andere weithin überragt.

Bei den Problemen, die wir mit der CO2-Belastung und Lärm in den Städten haben, dürfen wir nicht vergessen, dass es auch in unserem Bundesland noch viele Gebiete gibt, die ÖPNV-mäßig schlecht erschlossen sind. Wenn diese Erschließung vollzogen und das „platte Land“ genauso in den ÖPNV eingebunden ist wie unsere urbanen Bereiche, dann erst sollte sich die Landesregierung erlauben, von einer Verkehrswende zu sprechen.

Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf verzichtet die Landesregierung darauf, den ÖPNV und den nicht motorisierten Individualverkehr substanziell zu befördern. Nur ein bisschen Radwegeausbau ist möglich, aber auch hierbei ist der große Wurf längst nicht mehr erkennbar. Ich habe bisher nicht gehört, dass nachhaltige Mobilität bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin oder im Selbstverständnis der Landesregierung eine irgendwie bemerkenswerte Bedeutung hat.

Wo ist die Betonung, dass ohne öffentlichen Verkehr keine nachhaltige Mobilität zu erreichen ist? Wo ist der Hinweis auf die wirtschaftlich herausragende Bedeutung eines funktionierenden ÖPNV in Ballungsgebieten? Wer thematisiert die Notwendigkeit, Mobilität auch in den ländlichen Räumen sicherzustellen, ohne die Menschen faktisch dazu zu zwingen, ein Auto anzuschaffen und zu unterhalten? – Das ist ein finanzieller Kraftakt, der keineswegs mehr allen Menschen ohne Weiteres gelingt.

Ich höre auch nichts von der Landesregierung, und ich lese nichts im Haushaltsentwurf zur großen Frage der dauerhaften Sicherstellung des öffentlichen Verkehrswesens in finanzschwachen Kommunen. Dabei erleben wir immer mehr, was es für die Städte zum Beispiel im Ruhrgebiet heißt, eine in die Jahre gekommene Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und zu entwickeln. In Mülheim wollte man vor einem halben Jahr gänzlich aus dem schienengebundenen öffentlichen Verkehr aussteigen. In Essen ist der Kämmerer mit demselben Vorschlag in die Debatte über substanzielle Sparmaßnahmen gegangen. In Oberhausen und Duisburg wird längst, wenn auch eher im Stillen, ein Rückbau des ÖPNV betrieben.

Zum Schluss noch einige Worte an die Kollegen der FDP zur Seeschifffahrtsprognose: Auch Sie betreiben Copy und Paste. Sie haben nämlich die Idee von uns Piraten übernommen, dass aus Steuermitteln finanzierte Daten und Gutachten demjenigen, der sie finanziert, nämlich dem Steuerzahler, zur Verfügung zu stellen und zu veröffentlichen sind. Das begrüßen wir.

Alles Weitere hierfür machen wir dann im Ausschuss. Den Einzelplan 09 lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und Robert Stein [fraktionslos])

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