Dietmar Schulz zu Finanzverwaltung in der Haushaltsdebatte 2013

Mittwoch, 27. November 2013

Rede im Rahmen der Haushaltsdebatte 2013

II Einzelplan 12 und Einzelplan 20

a) allg. Finanzverwaltung
b) Haushaltsgesetz

 

Unser Redner: Dietmar Schulz
Unsere Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Hohen Hause und am Stream! Haushalt 2014, Einzelpläne 12 und 20: Wenn man die Liste der Mängel durchforstet, die dieser Haushalt aufweist, könnte man – darauf komme ich gleich – auch sagen – es wurden schon Horrorszenarien beschrieben und Filme zitiert –, dass dieser Haushalt möglicherweise ein Pendant zu dem Film „Zurück in die Zukunft“ bildet. Das wird sich nämlich dann zeigen, wenn wir zu der Frage kommen, ob und inwieweit die Landesregierung – getragen von den hier vertretenen Fraktionen der SPDund der Grünen – bereit ist, dem im Koalitionsvertrag Festgeschriebenen tatsächlich Taten folgen zu lassen.

In Bezug auf den Einzelplan 20 möchte ich – wie auch schon im Haushalts- und Finanzausschuss – noch einmal Herrn Dr. Optendrenk für seine Beharrlichkeit danken, sodass er dann die Möglichkeit hatte, die Antworten des Finanzministeriums an die Fraktionen weiterzuleiten, welche eben nicht die Regierung tragen. Das gilt für die Zahlen, die dort vorliegen und für den Haushalts- und Finanzausschuss, obwohl dort nachgefragt, nicht in die Antwort gegossen worden sind.

So stellen wir uns jedenfalls keine Politik der Einladung und auch keine Politik der Kooperation auf dem Weg zu einer Konsolidierung der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen vor. Entweder man macht etwas gemeinsam und hat ein gemeinsames Ziel, oder man hat dieses nicht. Die Wege dorthin können selbstverständlich unterschiedlich sein.

Man muss einfach sagen: Die Struktur des Haushaltes 2014, wie er uns hier im Entwurf vorliegt, weist ganz klar in die Richtung, dass offensichtlich vor allem strukturelle Veränderungen weder im laufenden Haushaltsjahr noch in der Zukunft beabsichtigt werden.

Das Effizienzteam, das schon zu Beginn der Legislaturperiode als Speerspitze für den Landeshaushalt bzw. als Beratungsteam apostrophiert war, sollte einzig und allein dem Zweck dienen, die Landesregierung dabei zu unterstützen, Möglichkeiten struktureller Veränderungen im Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen aufzudecken und Maßnahmen zu empfehlen. Bis heute aber ist nichts passiert, außer dass für teures Geld – nämlich für mittlerweile über 1 Million € – Demografiegewinne identifiziert worden sind, die nunmehr ganz maßgeblich mit dazu beitragen sollen, dass eine Verschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen heute wie in der Zukunft kleingerechnet werden soll.

Man nimmt also Dinge an, die letztendlich noch von zukünftigen Ereignissen abhängen, von deren Entwicklungen wir heute nur ahnen können, dass sie eintreten oder nicht. Auch da gilt schon heute: zurück in die Zukunft. Denn was im Jahre 2017, am Ende der Legislaturperiode, oder gar 2020, also dann, wenn die Schuldenbremse greift, vorliegen wird, das müssen wir schauen. In dem Kontext kommt dann auch wieder das zum Tragen, was Kollege Witzel in Bezug auf die WestLB gesagt hat.

Ich habe noch gut im Ohr, dass es heißt, dass die erteilten Garantien des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von bis zu 5 Milliarden € voll in Anspruch genommen werden. Davon ist bisher 1 Milliarde € bezahlt.

Wenn wir hören, dass 2,4 Milliarden € zwar in der Planung angesetzt waren, diese aber plötzlich verschwinden, weil man noch nicht weiß, wann sie zu zahlen sind, dann stellt sich für uns heute hier die Frage: Wann werden sie denn wohl fällig?

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] und Dirk Wedel [FDP])

Möglicherweise am 1. Januar 2018 bzw. am ersten Tag nach Ende der laufenden Legislaturperiode? Herr Finanzminister, diese Frage müssen Sie beantworten, denn Sie sind bezüglich dieser Garantien einer der Vertragsgestalter.

Dann kommen wir zur Streichung von Förderungen des Atomkraftwerksbetreibers HKG. Da erkennen wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von über 30 Millionen €. Da erkennen wir im Einzelplan 20 Zahlungen, Baransätze von 1,5 Millionen €.

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen wurde Folgendes vereinbart – ich zitiere –:

„Insbesondere im Hinblick auf die ungeklärte Finanzierung des Rückbaus des THTR werden wir die früheren Betreiber bzw. Rechtsnachfolger und Eigentümer in die finanzielle Verantwortung nehmen.“

Das steht so im Koalitionsvertrag. Ich stelle fest: Im Haushalt 2014 ist weiterhin die Förderung des Atomkraftwerksbetreibers in Hamm-Uentrop vorgesehen. Lange wurde behauptet, das Land sei rechtlich zu dieser Zahlung verpflichtet. Wir wissen in der Zwischenzeit, dass seit 2009 jede vertragliche Grundlage für eine derartige Verpflichtung fehlt. Tatsächlich leistet das Land so lange keine Zahlungen, bis die 3. Ergänzungsvereinbarung, über die derzeit noch Prüfungen stattfinden, mit dem Atomkraftwerksbetreiber unterschrieben ist.

Daher frage ich Sie, Herr Finanzminister – Sie hatten letzte Woche im Ausschuss noch gesagt, das sei noch nicht so weit, es werde noch geprüft –: Haben Sie inzwischen die 3. Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag mit dem Atomkraftwerksbetreiber unterschrieben? Ist sie bereits unterschrieben? Liegt sie vor? –Ich sehe Schweigen von Herrn Finanzminister. Das lässt im Prinzip darauf schließen, dass sich gegenüber letzter Woche Donnerstag nicht viel verändert hat.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wenn sich aber nicht viel verändert hat, dann – das muss ich sagen – ist der Haushalt allein wegen eines Fehlers im Einzelplan 20 wahrheitswidrig. Dort steht nämlich – ich zitiere –:

„Die zuletzt im Jahre 2013 vereinbarten Finanzierungsregelungen haben eine Laufzeit bis zum Jahr 2022.“

Das Entscheidende an dieser Erläuterung im Einzelplan 20 ist, dass die Regelungen als bereits vereinbart dargestellt werden. Tatsächlich sind für 2013 und 2014 keine konkreten Zahlungen rechtsverbindlich vereinbart. Jeder, der dem Haushalt hier zustimmt, stimmt damit genau an diesem Punkt einem wahrheitswidrigen Haushalt zu. Und ist er in einem Teil falsch, dann ist er auch insgesamt abzulehnen.

Ich stelle zudem fest: Die Landesregierung setzt den Koalitionsvertrag nicht um. An welchen Stellen das noch der Fall ist, müsste man im Detail prüfen. Ich belasse es bei diesem einen Punkt.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt innerhalb des Haushalts 2014. Wir haben bereits in Bezug auf den Nachtragshaushalt bezüglich der Personalverstärkungsmittel angemerkt, dass auch hier jede Umsetzung Ihrer Inaussichtstellung der Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamte fehlt.

Im Gegenteil: Sie haben auch nicht die aus der Anhörung zum Haushalt in diesem Jahr resultierenden Folgen eingearbeitet, bei der die Sachverständigen, zumindest einige davon, übereinstimmend sagten, dass im Haushalt 2014 Rückstellungen für diesen Bereich fehlen. Das sind Rückstellungen, zu denen gesagt wird: Das können wir nicht machen. Wir wissen ja nicht, ob wir zahlen müssen. – Gleichwohl wissen wir, dass an anderer Stelle, nämlich im Bereich Justiz, wo auch noch Prozesse laufen, sehr wohl Rückstellungen im Einzelplan 4 stehen. Warum geschieht das hier nicht? Die dicke Keule wird nämlich 2014 oder 2015 kommen, wenn wir uns hier im Landtag wieder damit befassen müssen, nachdem möglicherweise der Verfassungsgerichtshof das entsprechende Gesetz kassiert hat.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, nämlich den Einnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen. Signifikante Verbesserungen sind nicht zu erwarten, jedenfalls nicht nach dem, was wir im Koalitionsvertrag sehen. Eines muss ich dem Herrn Finanzminister – ich hoffe, dass ich ihm dieses Lob richtigerweise ausspreche – wirklich sagen: gute Vorgaben, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und Steuervermeidung einzudämmen. Das steht so im Koalitionsvertrag. Im Koalitionsvertrag steht auch, dass Gewinnverlagerungen international operierender Unternehmen entschlossen entgegengetreten werden soll.

Natürlich steht auch drin, dass das Arbeiten zur OECD-BEPS-Initiative -Base Erosion and Profit Shifting – im Jahre 2015 endet und dass bis dahin noch einiges passieren muss.

Wir haben letzte Woche im Haushalts- und Finanzausschuss über Anträge abgestimmt. Einmal war es der Antrag auf Schließung von Steuerschlupflöchern, der von Ihnen bzw. den regierungstragenden Fraktionen auswies, dass alleine dadurch pro Jahr im Bund 160 Milliarden € Mehreinnahmen generiert werden könnten. Brechen wir das auf das Land Nordrhein-Westfalen herunter, dann können Sie sich ungefähr ausrechnen, was dabei herauskommt.

Was wir allerdings nicht nachvollziehen können, ist, dass Sie in einem Atemzug unseren Antrag, den Piraten-Antrag, zur knallharten Bekämpfung der Lizenz-Box-Geschäfte abgelehnt haben. Da wundere ich mich, dass im Koalitionsvertrag gleichwohl steht:

„Auch wollen wir sicherstellen, dass der steuerliche Abzug von Lizenzaufwendungen mit einer angemessenen Besteuerung der Lizenzerträge im Empfängerland korrespondiert. Im Vorgriff auf diese internationale Regelung werden wir in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten.“

Jetzt frage ich mich: Ist das das Resultat der SPD-Einflussnahme auf den Koalitionsvertrag oder handelt es sich hierbei um das Ergebnis eines Vorstoßes des Finanzministers Schäuble aus dem Juli dieses Jahres? Das spielt unter dem Strich keine Rolle. Fakt jedenfalls ist: Konkrete Maßnahmen werden im Land Nordrhein-Westfalen nicht in Aussicht gestellt und auch nicht vorgenommen. Von daher müssen wir sagen: Wer sich hier hinstellt und fordert, auch die Einnahmeseite des Landes Nordrhein-Westfalen zu verbessern, muss auch entsprechend Taten folgen lassen. Hier im Land passiert das nicht. Ob das im Bund passiert, müssen wir schauen.

An dieser Stelle möchte ich schließen und in Aussicht stellen, dass wir, die Piratenfraktion, Einzelplan 20 und Einzelplan 12 ablehnen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

 

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