Dirk Schatz zur Europäisierung der Polizeiarbeit

Donnerstag, 30. April 2015

 

Top 12. Europäisierung der Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen

Große Anfrage 13 der Fraktion der CDU
Drucksache 16/7452

Antwort der Landesregierung
Drucksache 16/8338
Dirk Schatz Foto A. Knipschild 2013-03-22-1Unser Redner: Dirk Schatz
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Protokoll der Rede von Dirk Schatz

Dirk Schatz (PIRATEN): Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal kann man sagen, dass die Antwort auf die Große Anfrage keinen wirklichen Anlass zur Panik im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalitätsentwicklung gibt. Zitat aus der Antwort, Seite 18: „Ein unmittelbarer Zusammenhang der Fallzahlentwicklung der Gesamtkriminalität und der grenzüberschreitenden Kriminalität mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens im Jahr 1995 ist nicht festzustellen.“ Es wurde schon viel gesagt. Ich möchte auf ein paar andere Sachen eingehen, die uns wichtig erscheinen.

Das wichtige Thema „Menschenhandel“ hat Herr Lürbke ebenfalls schon genannt. Die Zahlen sind offenkundig rückläufig. Allerdings dürfen wir uns von diesen Zahlen nicht täuschen lassen; denn ein Rückgang der Fallzahlen bedeutet nicht, dass tatsächlich ein Rückgang der Kriminalität zu verzeichnen ist. Womöglich trauen sich die betroffenen Frauen und Mädchen nur immer weniger, sich der Polizei anzuvertrauen. Wir von der Piratenfraktion hatten dazu einen Antrag gestellt. Wir haben dazu auch eine Anhörung durchgeführt. Uns erscheint ein Bleiberecht für die Opfer von sexueller Ausbeutung wichtig, und zwar unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft, damit sich diese Frauen endlich anvertrauen können, ohne Angst vor Verfolgung im Heimatland haben zu müssen.

(Beifall von den PIRATEN)

Interessant fand ich auch, dass die Landesregierung nicht auf die Problematik von posttraumatischen Belastungsstörungen bei Polizisten, die sich im Ausland befunden haben, eingegangen ist. In Ihrer Antwort auf die Frage 33 sind Sie eher an der kurzen Leine. Familienfeste sind schön und gut. Aber wie sieht es aus, wenn die Beamten aufgrund ihrer Diagnose nicht mehr arbeiten können? Sind die Beamten vorher ausführlich über dieses Risiko informiert worden? Werden die Beamten im Zweifel einfach nur dienstunfähig, oder kann man das zumindest als qualifizierten Dienstunfall bewerten?

Auch die Nachsorge scheint aus meiner Sicht völlig unzureichend zu sein. Zwar gibt es ein Nachbereitungsseminar. Aber wann findet das statt und wie lange dauert es? Das sage ich insbesondere im Hinblick darauf, dass eine PTBS auch erst Jahre später auftreten kann und dass eine PTBS schon per Definition mindestens sechs Monate angehalten haben muss.

Auch die polizeiliche Seelsorge ist nicht verkehrt. Aber eine PTBS ist eine psychische Erkrankung. Da brauche ich keinen Pfarrer, sondern einen qualifizierten Therapeuten. Wird den Betroffenen zum Beispiel bei der Suche nach einem Therapeuten geholfen, oder werden sie mit ihren Problemen alleine im Regen stehen gelassen?

Es gibt keine Antworten auf all diese Fragen. In der Bundeswehr hat dieses Thema in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch bei der Polizei in NRW gibt es dahin gehend noch einigen Regelungs- und Diskussionsbedarf.

Der Prozess der Europäisierung der Polizeiarbeit findet seit zwei Jahrzehnten statt. Dabei wurden und werden durch die Mitgliedsstaaten über die Jahre immer mehr Felder vergemeinschaftet. Europol wurde zunächst als Stelle für die Koordination und den Informationsaustausch aufgebaut. Informationen sollen dort zusammengetragen werden und mithilfe der Europol-Datenbank von den jeweiligen Behörden in den Ländern abgefragt werden können.

Die Behörden zeigen sich bei der Befüllung der Datenbanken mit Informationen allerdings eher zurückhaltend, da das Vertrauen zwischen den Ländern teils gering ist. Man will die Informationen natürlich nur mit Vertrauten teilen. Es gibt beispielsweise viele wissenschaftliche Publikationen, in denen sehr offen über das Problem einiger osteuropäischer Polizeien und sonstiger Dienste geschrieben wird, die zum Teil sehr massiv von russischen Geheimdiensten unterwandert sind. Und wenn wir uns mal unsere aktuelle BND-Affäre anschauen, dann stellen wir fest, dass derartige Probleme offenkundig auch bei uns bestehen und nicht nur bei den anderen.

Um seine Daseinsberechtigung zu erhalten, will Europol aktuell mehr Kompetenzen bekommen. Europol bringt sich zum Beispiel gerade im Bereich der Internetüberwachung auf Position.

Zusammenarbeit ist schön und gut, aber nur, wenn sie sich auch bewährt. Es sollen nicht ständig Kompetenzen auf die EU übertragen werden, die in Deutschland im Übrigen nur schwerlich umzusetzen wären. Bevor die Zusammenarbeit gestärkt wird, müssen aus unserer Sicht zunächst noch einige Punkte erfüllt werden. Wir können gerne über eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der EU-Länder reden. Es spricht aus unserer Sicht dem Grunde nach erst mal nichts dagegen, darüber zu debattieren.

Aber Europol und ausländische Büros dürfen beispielsweise nicht dazu dienen, das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten einfach zu umgehen. Deutschland hat eine strikte Trennung zwischen den Diensten. Die anderen EU-Länder gehen nicht so weit.

In der Vergangenheit wurde immer wieder bemerkt, dass ausländische Kontakte genutzt wurden, um Informationen zu erhalten, die Polizei und Geheimdienste in Deutschland nicht direkt teilen dürfen, um damit eben dieses Trennungsgebot umgehen zu können. Europäisierung der Polizeiarbeit darf nicht heißen, dass deutsche Gesetze ausgehebelt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Weiterhin stelle ich fest: Eine Zusammenarbeit der Polizeien darf nur auf einer starken Datenschutzgrundlage geschehen. Der Entwurf für eine Datenschutzrichtlinie für den Polizei- und Justizbereich muss gestärkt und unterstützt werden. Da spreche ich insbesondere die CDU an, die ja auch gerne eine Zusammenarbeit möchte. Sie aber sind es, die diese Richtlinie ständig blockieren.

Die europäische Zusammenarbeit und damit der Datenaustausch wird zunehmen. Auf EU-Ebene wird gerade das Datenschutzpaket diskutiert, zudem noch eine Richtlinie für den Polizei- und Justizbereich. Die Richtlinie wurde bislang zu stiefmütterlich behandelt. Die Mitgliedsstaaten verwehren sich gegen die hohen Datenschutzregeln. Das müssen wir ändern. Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

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