Joachim Paul zum Haushalt 2015

Mittwoch, 17. Dezember 2014

 

Top 1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)

Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 16/6500
Joachim Paul MdL/Foto A.KnipschildUnser 1. Redner: Joachim Paul
Abstimmungsempfehlung: Ablehnung
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Videomitschnitt der Rede von Joachim Paul mit der Rede von Hannelore Kraft als Bonus

Die Rede von Joachim Paul zum Haushalt 2015 in XXL Version
Protokoll der Rede von Joachim Paul:

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal und zu Hause!

Zunächst, Herr Priggen, vielen Dank für Ihre Sachlichkeit. Ich fand es recht angenehm. Denn das Parlament ist ein Ort der politischen Debatte, und das ist auch gut so. Aber wie hier mit Mehr- und Minderheiten umgegangen wird, ist haarsträubend. Am Beispiel der Haushaltsdebatte wird das immer wieder deutlich.

Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Für uns sind fünf Minuten ehrliche und offene Debatte wichtiger als vierzig Minuten Schaumschlägerei.

(Beifall von den PIRATEN)

Deshalb werde ich mich kurzfassen. Wie immer werden in diesen erstarrten Parlamentsritualen Änderungsanträge abgelehnt, weil sie von der falschen Fraktion kommen. Das ist nicht in Ordnung. Auf den Inhalt nehmen die Regierungsfraktionen keine Rücksicht. Dabei reden wir hier über Schulsozialarbeit, über Studierende, über Flüchtlinge. Kurzum: Wir reden hier über Menschen. Und da sollte das parlamentarische Farbenspiel hintanstehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Ergebnis befeuert das nur die um sich greifende Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger. Daher haben wir Piraten uns entschlossen, uns diesem Ritual zu entziehen. Wir wollen einen Parlamentarismus, der Inhalte in den Vordergrund stellt.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier die wichtigsten Punkte: Der vorliegende Haushalt ist nicht in der Balance – im Gegenteil. Er ist weit davon entfernt. Hier betreibt die Regierung nur schlichte und hilflose Zahlenmechanik. Die Frage ist: Was sind die Ziele der Landesregierung? Wo bleibt die klare Kante in der Haushaltspolitik? Innovative Zukunft kommt nicht vor. Wir können nur erkennen, dass Sie den Notstand verwalten. Sie bewahren Besitzstände, und Sie schreiben Altlasten fort. Es fehlen wichtige öffentliche Investitionen. Und das Gemeinwohl ist aus dem Blick geraten.

Wir sind es den Menschen in unserem Land schuldig, NRW fit zu machen, und dabei müssen wir die Sorgen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ernst nehmen – und das muss sich in einem Haushalt von über 60 Milliarden € wiederfinden. Wir haben vergeblich danach gesucht.

Wir brauchen den Ausbau der digitalen Infrastruktur, und zwar jetzt und hier. Denn die Kohle der Zukunft liegt im Netz und nicht in der Erde.

(Beifall von den PIRATEN)

Und bei dieser neuen digitalen Infrastruktur wollen wir Spitze sein. Und wir wollen die Netzneutralität gewahrt wissen, an der Frau Merkel in Berlin gerade herumknabbert: keine Territorialisierung, keine Filetierung des Netzes, keine Netznutzer zweiter Klasse! Das läuft so nicht. Das Netz ist für alle da.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Breitbandausbau, der mit dazu beiträgt, ist nicht unmöglich, sondern eine Frage der Prioritätensetzung. Die Landesregierung hat die Fördermittel eingefroren. Vielleicht hat sie das Glück des Untüchtigen, und ein Teil der Funkfrequenzversteigerungen des Bundes fließt nach Nordrhein-Westfalen. Fest steht dann aber auch, dass dies keine Eigenleistung der Landesregierung ist. Sie verschlafen die Zukunft, anstatt sie zu gestalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Die digitale Revolution ist gleichermaßen mit Gefahren und Herausforderungen verbunden. Hier sind mangelnder Datenschutz und fehlender Schutz für die Privatsphäre zu nennen. Und das ist in NRW katastrophal und strukturell unterfinanziert.

Dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit fehlt es an Personal, um die an ihn gestellten, immer schneller wachsenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen. Nach dem Mooreschen Gesetz haben wir eine Verdopplung seit 2011. Das sieht man beim Landesdatenschutzbeauftragten leider nicht, obwohl er sich redlich müht und dafür zu loben ist, ihm „danke“ zu sagen ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Und aufgrund dieser Gefahren und Herausforderungen müssen auch die Medienbildung und Medienkompetenzvermittlung in der Bildungspolitik Priorität haben. Bislang haben sie das in Nordrhein-Westfalen nicht. Hier steht Rot-Grün mit durchgedrücktem Knie auf der Bremse. Dringend erforderlich sind die Stärkung von Fortbildung und die Beratung für Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit den Medien. Wir haben vorgeschlagen, dafür die Kompetenzteams deutlich zu stärken. Es ist jetzt geboten, ein umfassendes Medienbildungskonzept für das Land NRW zu entwickeln – eine effektive und effiziente Maßnahme, um die Schul- und Unterrichtsentwicklung voranzubringen.

Mit Blick auf die zukünftigen Generationen müssen wir uns nachhaltig für Bildung in allen Bereichen einsetzen. Nicht nur – es wurde gerade erwähnt – angesichts der höchsten Studierendenzahlen in Nordrhein-Westfalen brauchen unsere Hochschulen eine solide Grundfinanzierung. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und auf andere Maßnahmen wie den Hochschulpakt verweisen. Das Potenzial der Zukunft liegt in den Köpfen der Menschen und nicht unter ihren Füßen!

(Beifall von den PIRATEN)

Was für die Hochschulen gilt, gilt auch für weitere Bereiche. Wir dürfen uns nicht erst dann um die Finanzierung der Schulsozialarbeit kümmern, wenn den Schulsozialarbeitern längst gekündigt wurde oder sie sich auf dem Arbeitsmarkt anderweitig umgesehen haben; denn dann bleiben die Kinder auf der Strecke.

Ich sage es noch einmal: Sie verschlafen die Zukunft, anstatt sie zu gestalten!

(Beifall von den PIRATEN)

Aber was das Fass zum Überlaufen bringt, ist doch der Umgang mit der Grunderwerbsteuer. Wir machen uns mitschuldig, wenn wir einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer zustimmen, gleichzeitig der Finanzminister als Mitglied des Aufsichtsrats der Portigon AGoffensichtlich dabei wegschaut, wenn ein Objekt mithilfe eines sogenannten Sharedeals an einen Großinvestor verkauft wird und so die Zahlung von Grunderwerbsteuer vermieden wird.

Sollte sich jemand von den Kollegen hier im Saal fragen, wieso wir in Nordrhein-Westfalen so viele politikverdrossene Menschen haben, dann lautet die Antwort: Das liegt genau an solchen Sachverhalten!

(Beifall von den PIRATEN)

Ich möchte nicht behaupten, dass Ihnen die Anliegen der Menschen in diesem Zusammenhang egal sind. Aber: Sie verschlafen die Zukunft, anstatt sie zu gestalten.

Wenn es um das nackte Überleben geht, wie bei den Flüchtlingen, dürfen wir uns nicht auf Rituale und Symbolpolitik beschränken. Hier in Nordrhein-Westfalen ist es passiert, hier in Nordrhein-West-falen wurden Flüchtlinge, schwer traumatisierte Menschen, misshandelt. „Ein Hauch von Abu Ghraib“ titelte die „Frankfurter Rundschau“.

Selbst nach diesen schockierenden Vorfällen ist hier niemand bereit, die vom Flüchtlingsrat geforderten Standards für diese Menschen in größter Not einzuführen. Und es zeigt sich, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen in Nordrhein-Westfalen weitaus größer ist als die Entschlussfähigkeit der Entscheidungsträger in Düsseldorf. Das sage ich Ihnen ehrlich: Dafür schäme ich mich.

Und Sie verschlafen die Zukunft, anstatt sie zu gestalten!

Den Rest gebe ich zu Protokoll. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Nun spricht für die Landesregierung die Ministerpräsidentin, Frau Kraft.

(Zurufe von den PIRATEN)

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