Plenarrede: Nico Kern zu Aufklärung der polizeilichen Misstände bei Blockupy-Aktion in Frankfurt/Main

Donnerstag, 20. Juni 2013

 

TOP 6. Verantwortlichkeit  für Blockupy-Fiasko in Frankfurt a.M. aufklären und polizeiliche  Missstände beseitigen – NRW braucht eine Kennzeichnungspflicht für  Polizeibeamte

Antrag PIRATEN
Block II
Direkte Abstimmung
Unser Redner: Nico Kern
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

Bei den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main haben Polizisten 900 Demonstranten unrechtmäßig eingekesselt und über insgesamt neun Stunden festgehalten. Das Verhalten einiger Einsatzkräfte war völlig unverhältnismäßig und erfüllte in vielen Fällen vermutlich den Tatbestand der Körperverletzung. Die Polizisten, zu denen auch Beamte aus NRW gehörten, waren vermummt und trugen weder Namens- noch Nummernkennzeichnungen. So war es Betroffenen und Zeugen nicht möglich, sie zu identifizieren. Wir fordern, dass sich der Landtag Nordrhein-Westfalen dafür einsetzt, dass die Verantwortlichen für das Blockupy-Fiasko suspendiert und gegebenenfalls strafrechtlich belangt werden. Zudem muss die Landesregierung Maßnahmen treffen, um die Wiederholung eines solchen Vorfalls zu verhindern.

Nico Kern, Abgeordneter der Piratenfraktion: „Grundrechtsschutz ist kein Füllwort für Sonntagsreden von Ministern, sondern muss vielmehr auch von der Polizei tagtäglich vorgelebt werden. Niemand steht über dem Gesetz. Und schon gar nicht die Polizei!“

Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU und FDP abgelehnt.

Wortprotokoll zur Rede von Nico Kern:

Nicolaus Kern (PIRATEN): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Achtung, Herr Minister Jäger! Anlass unseres Antrags, über den wir hier jetzt diskutieren, sind die Ereignisse vom 1. Juni. Das, was sich vor knapp drei Wochen in Frankfurt am Main während der Blockupy-Demonstration zugetragen hat, wird als schwarzer Tag für Frankfurt bezeichnet. Das sage nicht ich, sondern die „Frankfurter Rundschau“ in ihrer Ausgabe vom 2. Juni.

Die Bilanz dieses Einsatzes, an dem auch ganz wesentlich NRW-Polizeibeamte beteiligt waren, ist erschreckend: 200 Opfer, teils schwer verletzt, Sanitätsplätze von Polizisten überrannt, Sanitäter, die daran gehindert wurden, sich um Verletzte zu kümmern, und Gewalt gegen Journalisten, die daran gehindert wurden, das Geschehen zu dokumentieren.

Die „Frankfurter Rundschau“ schreibt dazu – ich zitiere –:

„Diesmal hat sich Frankfurt nicht nur blamiert. Diesmal endete der Demonstrationszug in einem Desaster, das ein juristisches Nachspiel haben muss. Weil Menschen von hochaggressiv auftretenden Polizisten verletzt wurden. Und weil die Polizei mit ihrer Entscheidung, den Demonstrationszug am Schauspiel zu stoppen, kurzerhand ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs unterlaufen hat.“

Meine Damen und Herren, ich erwarte von der Polizei, dass sie Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtshofs akzeptiert und befolgt. Es kann jedenfalls nicht angehen, dass die Polizei einfach die Anweisungen eines Obergerichts ignoriert und durch rechtswidriges Handeln Fakten schafft, die das Versammlungsrecht de facto aushebeln.

(Beifall von den PIRATEN)

Nach einer blamablen Pressekonferenz des Polizeipräsidenten und nachdem die Kritik am Einsatz nicht verstummen wollte, sondern immer mehr zunahm, da begann dann wieder einmal das übliche Schwarze- Peter-Spiel. Ich zitiere wieder aus der „Frankfurter Rundschau“:

„In der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Frankfurter Polizei herrscht massiver Frust über den Einsatz bei der Blockupy-Demonstration am vergangenen Samstag. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau äußerten mehrere Beamte die Meinung, ihre zur Verstärkung aus anderen Bundesländern“

– gemeint ist auch NRW –

„angereisten Kollegen hätten maßlos überzogen. ‚Und wir dürfen das dann in den nächsten Wochen ausbaden‘, sagte ein Frankfurter Polizist …“

Jetzt sind also die NRW-Polizisten schuld. Der Minister wird uns gleich erklären, dass die Verantwortung für den Einsatz bei seinem hessischen Kollegen liegt. Das mag auch der Rechtslage bei Amtshilfe entsprechen. Aber damit ist den Opfern kein Stück geholfen. Dies ist pure Verantwortungsdiffusion.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Minister Jäger, ich fordere von Ihnen Aufklärung und dass Sie Konsequenzen aus diesem Polizeifiasko ziehen. Entweder hat die hessische Einsatzleitung massive Fehler begangen – dann können keine NRW-Einheiten mehr nach Hessen gesandt werden, so lange die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden –, oder die NRW-Polizei hat eigenmächtig gehandelt – dann müssen innerhalb Ihrer Behörde, Herr Minister, Konsequenzen erfolgen –.

(Beifall von den PIRATEN)

Was jedenfalls nicht angeht, ist, dass Sie sich einfach mit der lapidaren Aussage aus der Affäre ziehen, dass Sie Einsätze in anderen Bundesländern nicht bewerten, wie Sie es in Ihrem Bericht an den Innenausschuss getan haben.

Vor diesem Hintergrund fordert die Fraktion der Piraten die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Jede Bürgerin und jeder Bürger, die sich einem Polizisten gegenübersehen, haben das Recht, anhand einer Kennzeichnungsnummer zumindest nachträglich ermitteln zu können, wer aufseiten des Staates ihr oder ihm gegenüberstand.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine Kennzeichnungspflicht ist nötig, um den Opfern eines polizeilichen Übergriffs – wie im Falle Frankfurts offensichtlich – effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Klagen gegen eine anonymisierte Staatsmacht sind nicht möglich. So bleiben polizeiliche Übergriffe oftmals im Dunkeln.

Herr Minister Jäger, tun Sie etwas gegen falschen Korpsgeist innerhalb der Polizei, der zulasten der Bürger geht! Werden Sie Ihren eigenen Ansprüchen gerecht! Führen Sie eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ein, so wie es auch in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart wurde!

(Beifall von den PIRATEN)

Aber wir dürfen nicht bei der Kennzeichnung stehenbleiben. Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte werden überproportional oft eingestellt, weil die Berufskollegen vielleicht nur nachlässig ermitteln oder vielleicht sogar Verständnis zeigen, da die angezeigten Personen ja sonst grundsätzlich auf der gleichen Seite stehen. Die Verfolgungsquote ist scheinbar so niederschmetternd gering, dass der Minister sie in seiner Kriminalstatistik nicht extra ausweist. Auch Amnesty International kann nur schätzen, wie desaströs die Ermittlungsverfahren ablaufen.

Deswegen verlangen wir Piraten die Einrichtung einer unabhängigen Ermittlungsbehörde durch das Land Nordrhein-Westfalen. Diese soll zukünftig bei Straftaten im Amt ermitteln und dem Landtag Rechenschaft ablegen. Nur so können die Rechte aller Beteiligten angemessen gewahrt werden, die der eingesetzten Polizisten ebenso wie die der Demonstranten.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, wir Piraten bleiben dabei: Grundrechtschutz ist kein Füllwort für Sonntagsreden von Ministern, sondern muss vielmehr auch von der Polizei tagtäglich vorgelebt werden. Denn ich bleibe dabei: Niemand steht über dem Gesetz und schon gar nicht die Polizei. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

 

Veröffentlicht unter Innenausschuss (A09), Nico Kern, Reden

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