Zu der VRR-Idee, Zugangskontrollen für Bahnsteige zu errichten, sagt Oliver Bayer, ÖPNV-Experte und Baupolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag NRW:
„Nach Pariser Vorbild Bahnsteig-Sperren bauen zu wollen, ist für NRW-Verhältnisse eine völlig überflüssige und aberwitzige Idee. Die Anlagen sollen die Zahl der Schwarzfahrer verringern, stattdessen erzeugen sie nur eine Vielzahl anderer Probleme: Das Errichten solcher Anlagen kostet erheblich viel Geld, man benötigt die Flächen, Kontrolleure auf den Bahnsteigen, Wartungspersonal und vor allem ein einheitliches System der Fahrkarten. Während man heute mit Semestertickets, Gruppentickets, Fernverkehrtickets und Musical-Karten Bus und Bahn fahren kann, müsste man alle Karten vereinheitlichen und maschinenlesbar gestalten. Die Anlagen müssten unter dem Aspekt der Inklusion von selbstverständlich sämtlichen Menschen bedienbar sein. Vor allem im Berufsverkehr würden Zugangskontrollen den Pendlerfluss erheblich behindern und verzögern. Solche Warteschlangen wären der perfekte Arbeitsplatz für Taschendiebe.
Kurzum: Bahnsteig-Sperren braucht in NRW kein Mensch. Anstatt Barrieren aufzubauen, sollte sich der VRR lieber Gedanken machen, wie er die Menschen zum häufigeren Bus- und Bahnfahren animieren könnte. Die Piraten schlagen da den ticketlosen ÖPNV vor: kein Ticket, keine Kontrolle, keine Barriere.“
Die Piraten im Landtag NRW fordern in den aktuellen Haushaltsberatungen einen Ideenwettbewerb unter dem Motto „Fahrscheinlose Kommune“: Mit diesem Projekt soll Raum für neue, zukunftsweisende Ideen im Bereich Mobilität und Stadtraumplanung geschaffen werden.
Umfangreiche Argumentation gegen Zugangskontrollen für Bahnsteige:
- Ausgangspunkt: Martin Husmann, Vorstand VRR, will Zugangskontrollsysteme für Bahnsteige einführen.
- Zitat Husmann: „Dadurch werden Menschen daran gehindert, ohne gültigen Fahrschein Bus und Bahn zu fahren“
- Er will ebenfalls das „erhöhte Beförderungsentgelt“ von 40 auf 60 € erhöhen
Hintergrund:
- Ab dem 1.9.1965 hatte die Deutsche Bundesbahn die bis dahin üblichen Bahnsteigsperren abgeschafft.
- Bis 1974 wurden sämtliche Anlagen rückgebaut.
- In der Reichsbahn der ehemaligen DDR wurden Bahnsteigkarten- und Sperren abgeschafft.
- Der Verkehrsverbund Nürnberg hatte sie zuletzt 2003 abgeschafft.
- Eigentlich bräuchten die Zugangskontrollen dazu noch eine „Brötchentaste“ wie sie auf Parkautomaten zu finden ist:
- „40 Euro für zwei Croissants“
Unsere Gegenargumentation:
- Die Anlagen kosten Geld in Herstellung, Betrieb und Wartung
- Die Flächen könnten anderweitig genutzt werden
- Behinderung der betrieblichen Abläufe (insbesondere in Rush-Hour)
- Zugangskontrollsystem bündeln die Menschenströme, das verlangsamt das Passieren
- Langsamer Durchgang
- Unplanmäßige Fehlfunktionen verzögern Durchlauf
- Die restlichen Fahrgäste müssten warten
- Wartebereiche füllen sich (Erhöhte Gefahr der Taschendiebe)
- Es können gar nicht alle Bahnhöfe ausgestattet werden
- Nur ausgewählte Bahnhöfe -> Lücken im System
- Schwarzfahrer wird es auch mit einem Zugangskontrollsystem geben – sie nutzen eben andere Einstiegspunkte
- Durch das Zugangskontrollsystem wird die Zahl der Kontrolleure womöglich gesenkt, dadurch wird Schwarzfahrer am Zugangskontrollsystem vorbei attraktiver (Schlupflöcher)
- Es müssten alle Tickets automatisch erkannt werden, einschließlich sämtlicher Semestertickets, Konzertkarten, Messetickets Fernverkehrstickets (auch die Karten der Schweizer Nationalbahn mit City-Anschluss in Deutschland), Tickets der Fluggesellschaften mit Kooperationsabkommen mit der DB…
- Inklusionsaspekt (barrierefreier Zugang)
- Datenschutzrichtlinien müssten beachtet werden
- Logik der Bestrafung begründet selbstverstärkenden Kreislauf: Steigender Fahrpreis-> mehr Schwarzfahrer -> Weniger Gewinn-> steigender Fahrpreis…
- Wenn alle den Fahrpreis zahlen, dann wäre dieser Kreislauf durchbrochen -> dann kann man die Tickets aber auch streichen und die Kosten direkt umlegen.
- Fahrpreise sind nur Teil der Gesamtkalkulation: Subventionen werden ohnehin von allen gezahlt
- Kosten der Zugangskontrollen sind besser investiert in mehr Fahrzeuge, einen höheren Takt und besseren Service!
„Kosten der Zugangskontrollen sind besser investiert in mehr Fahrzeuge, einen höheren Takt und besseren Service!“
Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Nur wäre das Geld in gut geschulte und motivierte Ordnungshüter, die „Stichkontrollen“ durchführen würden, weitaus besser investiert. Stichwort: Das 80/20 Prinzip,.
„Die Piraten schlagen da den ticketlosen ÖPNV vor: kein Ticket, keine Kontrolle, keine Barriere.“
Der Vorschlag würde die Bahnen „entwerten“:
*Die ganzen Penner würden sich da , vor allem im Winter, einnisten und einen erheblichen Schaden hinterlassen.
* Für die Bahn zahlt man, weil die Fahrt bzw. der Transport einen Preis hat. Der von Jedem bewusst gezahlte Preis macht den ÖPNV zu einem wertvollen Gut, das durch ein Entfallen des Preises zu einem bewusst wertlosem Gut werden würde. Dabei beziehe ich mich nicht auf Sie und mich, sondern auf den „Ottonormalverkehrer“.
btw: ich schaffe mir immer wieder Sachen an, von denen ich glaube, dass deren Fehlen die Ursache für das Scheitern vieler Vorhaben von mir sind. Nach der Anschaffung durfte ich bisher immer feststellen: es ist das Fehlen von Visionen und der damit verbundenen Motivationen, die diese Vorhaben bisher zum Scheitern verurteilten.
Wir sind einfach noch nicht bereit für einen kostenlosen ÖPNV, aber vielleicht werden wir es auch nie sein, weil es auch kein wir gibt….
Hallo! Nach einem Venedigaufenthalt
mache ich mir gerade so Gedanken, wer die Bußgelder für den ÖPNV festsetzt und wer die Unternehmen dazu legitimiert. In Venedig ist es meines Erachtens nicht einmal möglich, an allen Anlegestellen eine Fahrkarte (Einzelfahrschein) zu erwerben. Da wird man schnell zum Schwarzfahrer gemacht, weil das mehr Geld einbringt, als ein Drei-Tagesticket.
MFG