Plenarrede: Dietmar Schulz zu Haushaltsgesetz

Mittwoch, 27. Februar 2013

TOP 1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013   (Haushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1400

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksachen 16/2100 bis 16/2107, 16/2109 bis 16/2115 und 16/2120

2. Lesung

und 

Finanzplanung 2012 bis 2016 mit   Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/1401

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/2121

in Verbindung damit

Gesetz zur Regelung der   Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und   Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 –   GFG 2013)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 16/1402

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses

Drucksache 16/2117

2. Lesung

in Verbindung damit

Sieben Länder schreiben schwarze Zahlen – nur Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen will nicht sparen

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 16/2127

Unser Redner: Dietmar Schulz

Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

Audiomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz

Videomitschnitt der Rede von Dietmar Schulz

Das Wortprotokoll zur Rede von Dietmar Schulz:

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr verehrter Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Herr Finanzminister, Sie haben natürlich völlig recht: Es geht an dieser Stelle darum, dass alle zu allem etwas sagen können.

Tatsächlich haben jedoch noch nicht alle zu allem etwas gesagt. Die Redezeit reicht überhaupt nicht aus, um diesen Haushalt im Detail auch nur ansatzweise hier im Plenum zu erörtern. Dafür haben wir ja die Ausschüsse; aber auch dort reicht die Zeit nicht aus. Wir als Legislative haben ein enormes Problem damit, die gewaltigen Aufgaben der Finanzgesetzgebung des Landes Nordrhein-Westfa­len zu beherrschen. Das muss man sich einmal ganz bewusst vor Augen führen.

Natürlich könnte man – der Kollege Hahnen hat es bereits gesagt – dem Finanzministerium und den vielen Mitarbeitern einmal ein Lob aussprechen. Sie legen uns die Zahlen vor, und wir müssen hier über diese Zahlen beraten.

Die Opposition übernimmt in der Regel den Part, diese Zahlen zu kritisieren. Das ist auch richtig und gut so. Ich kritisiere an dieser Stelle noch einmal, was heute bereits mehrfach angeführt worden ist: Das ist der von der Regierungskoalition vorgetragene Dreiklang.

Ich sehe hier, genau wie bei der Haushaltsberatung zum Haushalt 2012, immer noch einen Missklang. Ich will natürlich nicht verkennen, dass man vielleicht auf einem guten Weg ist.

Aber: Wovon reden wir hier? – Wir reden vom Sparen. Das ist ein wesentliches Kriterium; Sie haben es angeführt. Der Herr Finanzminister sprach gerade vom „sparsamen Ausgeben“. Jetzt könnte man ja sagen: Sparen und sparsames Ausgeben ist ungefähr das Gleiche.

Sie haben einen Sparhaushalt vorgelegt, in dem Sie Einsparungen in Höhe von 152 Millionen € vorschlagen. Hierfür gab es von allen Seiten Kritik. Es hieß, das Ganze sei nicht ambitioniert genug, es sei zu wenig.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: 142 Millionen strukturell!)

– Strukturell. Aber was sind denn 142 Millionen € strukturell, wenn Sie in den neuen Eckdaten für den Haushalt 2014 bereits verkünden, Herr Finanzminister, dass bis 2017 strukturell 1 Milliarde € eingespart werden soll? Wir befinden uns im Jahr 2013, und wenn wir die Zahlen für jedes Jahr ungefähr gleich hochrechnen, kommen wir nicht auf die 1 Milliarde €.

Fakt ist aber: 1 Milliarde € wird definitiv nicht reichen, um bis 2020 die Schuldenbremse einzuhalten. Das muss man ganz klar feststellen. Wir können uns natürlich auf die mittelfristige Finanzplanung zurückziehen. Dazu muss ich Ihnen allerdings sagen: Das ist doch eine Rechnung mit diversen Unbekannten. Sie rechnen mit jährlichen Steuermehreinnahmen von 2,1 Milliarden €. Das ist so etwas wie der Blick in die Glaskugel.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir werfen einen Blick in die Glaskugel – nichts anderes machen wir hier. Alles ist – auch im Bereich des Sparens – vom Zufall abhängig. Vom eisernen Besen ist jedenfalls nicht die Rede.

Zukunftsinvestitionen sind die zweite Säule dieses Dreiklangs. Von Zukunftsinvestitionen kann man hier aber doch nicht ernstlich sprechen. Im Bereich „Open Government“ passiert nichts.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Bildung!)

– Dazu komme ich noch, Frau Ministerpräsidentin. – Von der Bürgerbeteiligung sehe ich nicht viel. Auch im Bereich „Bildung – kostenfreier Wissenszugang“ sehe ich nicht, dass sich etwas tut.

Im Haushalts- und Finanzausschuss wird seitens der Kollegin Gebhard gesagt, seit 2004 verfüge man über Digital Peer Partnership. Das ist eine Plattform, in der frei nach Gusto irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse eingestellt werden können.

Herr Kollege Stein und auch unser Fraktionsvorsitzender Paul haben es ebenfalls schon erwähnt: Darum geht es nicht, sondern darum, steuerfinanzierte wissenschaftliche Erkenntnisse mit einer gewissen Verpflichtung und der Möglichkeit des freien Zugangs unter freien Lizenzen zu veröffentlichen. Das wäre eine Zukunftsinvestition.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine weitere Zukunftsinvestition fehlt: Wir werden im Haushalts- und Finanzausschuss für unseren Vorschlag regelrecht abgestraft, einen Wettbewerb auszuloben, der gesellschaftliche Teilhabe bewirkt, und zwar im öffentlichen Personennahverkehr. Das findet nicht statt, es wird glatt abgelehnt.

Alle von uns vorgeschlagenen Zukunftsinvestitionen, die wirklich zukunftsträchtig sind – sie mögen teilweise visionär sein – werden schlicht und ergreifend abgelehnt, möglicherweise mangels Verständnis. – So viel zu den Zukunftsinvestitionen.

Gehen wir weiter, nämlich zu dem von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, gerade aufgegriffenen Bereich Bildung. – Bildung, kostenfreier Wissenszugang ist das eine.

Zur Bildung gehört aber auch die Einrichtung von ausreichenden U3-Plätzen. Da fliegen uns im Land Nordrhein-Westfalen, da fliegen den Kommunen ab August die Prozentzahlen, die vom Bund nicht ordnungsgemäß runtergebrochen worden sind, um die Ohren. Man geht davon aus, dass der Bedarf 32 % aller Kinder unter drei Jahren beträgt.

Mittlerweile gibt es die Erkenntnis, dass eine Bedarfsdeckung im Umfang von 32 % gerade in den Ballungsgebieten – davon haben wir in Nordrhein-Westfalen eine ganze Menge – nicht reicht, sondern dass der Bedarf dort deutlich über 60 % liegt. Sie wollen den Kommunen aber gar nicht helfen, dieses Risiko aufzufangen. Sie haben im Haushalts- und Finanzausschuss einen entsprechenden Antrag abgelehnt.

(Beifall von den PIRATEN)

Einnahmeverbesserung wäre die dritte Säule. Auch da kann ich nur sagen: Prinzip Zufall.

Die Bettensteuer entfällt, und zwar komplett, sowohl für die Gewerbetreibenden bzw. Unternehmer, die in Hotels übernachten, wie demnächst auch für die Privaten, weil es unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten, unter den Gesichtspunkten der Privatsphäre nicht mehr zumutbar ist, dass Gäste in Hotels angeben müssen, ob sie nun privat, mit ihrer Freundin, mit ihrer Frau oder für ein Unternehmen unterwegs sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Das wird wegfallen.

Dadurch werden die Kommunen ebenfalls belastet. Sie werden belastet, weil sie aufgrund der schon existierenden Gerichtsentscheidungen und der, die noch kommen werden, Gelder an Unternehmen und Privatleute zurückzahlen müssen. Zudem findet dadurch eine Belastung der Finanzverwaltung in den jeweiligen Städten und Gemeinden statt. – So viel zur Einnahmeverbesserung.

Einnahmeverbesserungen möglicherweise aus Zuweisungen vom Bund sind wiederum vom Prinzip Zufall abhängig.

Portigon, WestLB möchte ich an dieser Stelle gar nicht ansprechen. Ich spreche an dieser Stelle nur Folgendes an: Wenn wir die Pressemitteilung richtig lesen, wonach 800 Millionen € pro Jahr für das Personal, für 2.600 Menschen, ausgegeben werden, aber Portigon nur 250 Millionen € an Einnahmen erzielt, dann liegt ein auffälliges Missverhältnis vor. Insofern hat das Parlament, hat auf jeden Fall die Landesregierung eine Aufsichtspflicht.

Es mag zwar sein, dass das Eigenkapital der Portigon ausreicht, um die 550 Millionen € Defizit, die pro Jahr anfallen, zu decken.

Die 800 Millionen € sind übrigens das höchste Arbeitslosengeld, das in Deutschland gezahlt wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Das höchste Arbeitslosengeld, das in Deutschland gezahlt wird, ist das für 2.600 Mitarbeiter bei der Portigon, bezüglich derer ja der Vorschlag in der Welt ist, die Menschen in der Finanzverwaltung einzusetzen. Das wäre eine feine Sache. Wenn sie über entsprechende Qualifikationen verfügen, dann lasst uns die bei der Finanzverwaltung, bei den Betriebsprüfungen einsetzen. Da reden wir tatsächlich von effektiven …

(Zuruf von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)

– Doch, Herr Finanzminister. Verwendungen, das könnte man tatsächlich überlegen. Da reden wir dann von einer prospektiven Einnahmeverbesserung. Und dann kommen wir möglicherweise zu einem Dreiklang.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, ich möchte auf die Redezeit hinweisen. Dass die Landesregierung ihre Redezeit überzogen hat, ist schon eingerechnet. Sie haben jetzt die Redezeit überzogen. Kommen Sie bitte zum Ende. Ich bitte um Verständnis.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Danke, Herr Präsident. Ich komme zum Ende.

Wenn Sie diesen Dreiklang tatsächlich realisieren wollen, dann führen Sie bitte auch die Politik der ausgestreckten oder der einladenden Hand tatsächlich durch! Wir sind da, mit Ihnen darüber zu diskutieren, insbesondere über die Zukunftsinvestitionen des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bürger unseres Landes. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz.

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