Plenarrede: Sommer zur Wiedereinführung der Kurzarbeiterregelung

Plenarsitzung 18, 13. Dezember 2012

Wiedereinführung der bewährten Kurzarbeiterregelung schafft Planungssicherheit für Unternehmen und sichert Arbeitsplätze

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/1629

Mitschnitt der Rede von Torsten Sommer

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürger auf den Tribünen und am Livestream! Die globale Wirtschaftskrise brachte für viele deutsche Unternehmen einen Nachfragerückgang, der zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit hätte führen können. Die Ausweitung bestehender bzw. die Einführung neuer Formen der Arbeitszeitverkürzung, teilweise durch öffentliche Maßnahmen flankiert, führte aber dazu, dass viele Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz behalten konnten und Unternehmen keinen Verlust an Know‑how hinnehmen mussten. Somit kann Kurzarbeit als ein wichtiges Instrument zum Erhalt von Arbeitsplätzen angesehen werden.

Natürlich ist kaum abzuschätzen, ob der in der Krise erfolgreiche Bestandsschutz der Arbeitsplätze durch Kurzarbeit auch nachhaltig, also von längerer Dauer war. Der kurzfristige Effekt ist jedoch unstrittig. Die Beschäftigten profitieren unmittelbar davon, dass ihr in der Krise bedrohter Arbeitsplatz erhalten bleibt. Dies bedeutet Arbeitsplatz- und Einkommenssicherheit.

Die Vermeidung von Arbeitslosigkeit hat aber auch positive Auswirkungen auf ihre langfristige Beschäftigungsfähigkeit, zum Beispiel den Erhalt der Erwerbsbiografie. Die Arbeitgeber wiederum profitieren von internen Flexibilitäten, können qualifizierte Arbeitskräfte im Unternehmen halten und damit auch negative Auswirkungen von Kündigungen, zum Beispiel Abfindungszahlungen, Rechtsstreitigkeiten, Imageverlust oder Know‑how‑Verlust, vermeiden.

Für die öffentliche Hand ist Kurzarbeit kostengünstiger als Arbeitslosigkeit, da die Arbeitszeitreduktion in den meisten Fällen nicht 100 % beträgt, sondern sich meist um die 30 % bewegt. Somit entfallen Zusatzleistungen wie Vermittlung und Beratung.

Gleichzeitig jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Kurzarbeit um ein temporäres Mittel zur Überbrückung wirtschaftlich schwieriger Situationen handeln soll. Kurzarbeit darf nicht dazu führen, notwendigen strukturellen Wandel zu behindern. Wesentlich ist dabei jedoch, dass öffentliche Unterstützungsinstrumente so ausgestattet sind, dass Mitnahmeeffekte vermieden werden und lediglich grundsätzlich nachhaltigen Unternehmen aus vorübergehenden Schwierigkeiten geholfen wird.

Um dies zu gewährleisten, sind die folgenden Elemente denkbar:

Eines ist die zeitliche Befristung der öffentlichen Unterstützung – in unseren Augen auf maximal zwölf Monate.

Ein anderes Element ist das Erfordernis, dass der Arbeitgeber einen Teil der Kosten trägt – Beispiel: einen Teil der Arbeitskompensation oder noch etwas mehr an Versicherungsbeiträgen, als es heute schon geplant ist –, sodass das Instrument für den Arbeitgeber nicht allzu attraktiv ist und nur dann eingesetzt wird, wenn das Unternehmen davon ausgeht, langfristig keine Arbeitsplätze abzubauen.

Ein weiteres Element ist das Erfordernis, dass der Arbeitgeber eine Neuorientierung der Unternehmensstrategie und damit verbundene Veränderungen in der Arbeits- und der Unternehmensorganisation erarbeitet, damit in Zukunft keine Notwendigkeit für Kurzarbeit mehr besteht. Kleineren Unternehmen sollten die öffentliche Hand und die Sozialpartner hierbei unterstützend unter die Arme greifen.

Einer in meinen Augen unmoralischen und missbräuchlichen Nutzung zum Übergang in die Arbeitslosigkeit, wie offenbar bei Opel in Bochum ab Januar 2013 geplant, muss eine deutliche Absage erteilt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Kurzarbeit ist kein endgültiges Abstellgleis für nicht mehr benötigte Beschäftigte und keine Überbrückungstechnologie hin zur Arbeitslosigkeit.

Die Betrachtung von Kurzarbeit nach der Dauer der Inanspruchnahme ist nicht unproblematisch. Die geltende Rechtslage lässt zurzeit eine Bezugsdauer von maximal sechs Monaten zu. Eine Verordnung auf zwölf Monate für das Jahr 2013 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf den Weg gebracht – wenn auch leider erst auf Intervention des Schattenvorsitzenden der Bundes-FDP, Herrn Christian Lindner, der leider nicht mehr im Raum ist, zusammen mit den restlichen Fernsehkameras.

Im November 2012 gingen nach vorläufigen Daten bundesweit 2.300 Anzeigen für 46.400 Personen ein. Das sind knapp 430 Anzeigen für 15.400 Personen mehr als im Vorjahr. Trotz dieses Anstiegs liegen die Anzeigen für Kurzarbeit im langjährigen Vergleich auf einem normalen Niveau und sind von den Zahlen aus 2009 mit ca. 1,4 Millionen Fällen weit entfernt. Insgesamt deutet die Entwicklung der letzten Monate auf keinen explosiven Anstieg der Kurzarbeiterzahlen hin. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Wir würden einer Initiative zur Ausweitung auf 12 Monate per Verordnung zustimmen. Der Wiedereinführung der Regelansprüche für Leiharbeiter sowie den Hilfen für Betriebe des Gerüstbaugewerbes können wir ebenfalls zustimmen. Eine Ausweitung auf 24 Monate ist jedoch erheblich zu lang für uns.

Daher kann ich meiner Fraktion nur empfehlen, sowohl dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD als auch dem Entschließungsantrag der FDP nicht zu folgen und sich bei beiden Anträgen zu enthalten. Der eine Antrag geht nicht weit genug und der andere geht viel zu weit. Das benötigte Augenmaß ist zurzeit weder hier noch im Bundestag gegeben. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Sommer. – Nun spricht für die Landesregierung der Arbeitsminister, Herr Schneider.

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