Plenarrede: Schwerd zur Schließung der Opelwerke in Bochum

Plenarsitzung 18, 13. Dezember 2012

Aktuelle Stunde
Betriebsbedingte Kündigungen bei Opel in Bochum verhindern!

auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/1667

Mitschnitt der Rede von Daniel Schwerd

Redeprotokoll:

Herr Präsident! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht atmen wir alle mal ein bisschen durch und kommen ein wenig runter. Dieses Thema eignet sich nicht für Wahlkampfrhetorik. Mir wäre es lieb, wenn wir damit ein bisschen besonnener umgingen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist doch unfassbar!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Was trennt einen Menschen im bürgerlichen Mittelstand von jemandem, der von Hartz IV lebt? – Ein Jahr Arbeitslosengeld.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das soziale Netz hat riesige Löcher. Schnell fällt man sehr tief, wenn man aus der Arbeitswelt ausgeschlossen ist. Man fällt auf ein Niveau, bei dem eine Partizipation an gesellschaftlichem Leben, eine Teilnahme an Kultur und Bildung, eine würdige Existenz nicht mehr möglich ist. Auch eine Abfindungszahlung ändert an diesem Schicksal nichts.

Das ist der Grund, warum uns das drohende Schicksal der Arbeitsplatzverluste der Opelaner so bedrückt. Wir bangen mit den Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich Sorgen um ihre Existenz und um die Zukunft ihrer Familien machen. Genauso besorgt sind wir um das Schicksal der vielen Beschäftigten von Zulieferbetrieben, die nicht so sehr im Fokus stehen.

Aber wie sehen die Konsequenzen aus diesem Wissen aus? – Es macht unseres Erachtens keinen Sinn, Arbeitsplätze durch direkte Subventionen in ein Unternehmen erhalten zu wollen, das Produkte herstellt, die offensichtlich nicht mehr genug nachgefragt wurden, und welches sich auf einem durch dramatische Überkapazitäten geprägten Markt bewegt. Das würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, und die Arbeitsplätze in anderen Betrieben wären gefährdet. Zudem wären die geretteten Stellen auf Dauer von solchen Subventionen abhängig.

Wenn wir überhaupt über Subventionen nachdenken, sollten diese Subventionen in die Schaffung nachhaltiger und zukunftsfähiger Arbeit sowie selbstverständlich und vor allen Dingen in Bildung und Weiterbildung fließen, um die Menschen bestmöglich zu qualifizieren.

Doch machen wir uns nichts vor: Es wird Menschen geben, die zu den Verlierern gehören werden, die nicht qualifiziert werden können, für die keine adäquaten Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können. Bekanntlich haben wir jetzt schon eine Diskrepanz zwischen der vorhandenen Arbeitslosigkeit einerseits und dem gleichzeitigen Arbeitskräftemangel andererseits.

Damit soll General Motors aber nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, die es für seine Beschäftigten hat. GM ist dafür verantwortlich, sich um seine Arbeiterinnen und Arbeiter zu kümmern, ihnen eine Anschlussbeschäftigung anzubieten, wo immer das möglich ist.

General Motors hat Opel so aufgestellt, dass die Erschließung neuer Märkte – zum Beispiel in China und Südamerika – versagt war. An den wirtschaftlichen Problemen trägt GM die Hauptschuld, nicht die Beschäftigten. Wir erwarten, dass sich ein multinationaler Konzern seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht entzieht. Abfindungen alleine sind dafür keine Lösungen.

Ein Punkt ist mir bei aller Wahlkampfrhetorik, die wir heute gehört haben, in den bisherigen Reden deutlich zu kurz gekommen: Warum ist denn das Schicksal, das viele Opelaner erwartet, so bitter? – Ich darf daran erinnern, dass die Koalition aus SPD und Grünen die als Hartz IV bekannten Regelungen in der Agenda 2010 so beschlossen hat. Die derzeitige Bundesregierung aus CDU und FDP hat die Sanktionen sogar noch verschärft. Die Zahl der ALG-II-Sanktionen ist auf einem Höchststand. Wir haben in Deutschland eine soziale Sicherung, die diesen Namen nicht verdient. Das ist der eigentliche Skandal:

(Widerspruch von Christian Lindner [FDP])

Dass vielen Opelanern das bevorsteht, was viele Millionen Menschen heutzutage in Deutschland schon erleben,

(Christian Lindner [FDP]: Sie machen denen ja Mut!)

dass das System dazu da ist, Menschen notfalls in prekäre Arbeitsverhältnisse zu bringen, statt ihnen gesellschaftliche Teilhabe und eine würdige Existenz zu ermöglichen,

(Beifall von den PIRATEN)

dass nach wie vor nur jemand, der eine Erwerbsarbeit hat, etwas zählt, das ist der eigentliche Skandal!

Es ist Aufgabe der Politik und im Grunde unser aller Aufgabe, das zu ändern. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Schneider.

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