Plenarrede: Bayer zu Situation um die A1-Rheinbrücke

Plenarsitzung 19, 14. Dezember 2012
Unterrichtung durch die Landesregierung

Sperrung der Rheinbrücke im Zuge BAB 1 für LKW ab 3,5 Tonnen sowie zum Erhaltungszustand der Bundesfernstraßen in NRW

Mitschnitt der Rede von Oliver Bayer

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer aller Welten! Danke, Herr Minister Groschek, für Ihre Unterrichtung. Hoffen wir, dass bei der Reparatur nicht Schneelast und Eis dazwischenkommen, die behindern. Die Horrorvorstellung ist: Lkws bleiben auf einer mit Schnee belasteten Brücke stecken, andere Lkws wollen überholen, und dann hat man gleich auch noch zwei Lkw-Spuren auf der Brücke. Das tut unseren Brücken nicht gut.

Auch wenn es hier um die am deutlichsten und am stärksten beschädigte Brücke geht: Entwarnung kann man nicht geben – nicht für die Brücken in NRW.

Vorweg noch: Herr Minister Groschek, Sie haben die Verlagerung „Schiene statt Straße“ erwähnt – das ewige Lippenbekenntnis. Es wurde auch ein paar Mal aufgegriffen. Ich hoffe, dass sich die Zeiten ab sofort ändern. Bisher heißt es aber immer: Okay, Schiene statt Straße wollen wir. Wir wollen diesen Schienenausbau, aber der benötigte Schienenausbau kommt erst in Jahrzehnten. Lasst uns zwischendurch ein paar Straßen für das Notwendigste bauen, damit die Container zum Beispiel an der niederländischen Grenze von der Schiene auf die Lkws geladen werden können und dann an der Grenze zur Schweiz wieder von den Lkws auf die Schiene gebracht werden. – Ich befürchte, dass es so passieren wird. Herr Ott hat ein paar Sachen aufgezählt, die wir dringend brauchen. Ich hoffe, wir kriegen das hin.

Loks zu beschaffen, was Herr Rasche ansprach, ist vielleicht schneller möglich als in ein paar Jahrzehnten.

Ich gebe Ihnen recht: Sie haben alle Fehler gemacht – leider immer genau dann, als Sie an der Regierung waren. Ich finde es sehr schade, dass es nicht andersherum war.

(Jochen Ott [SPD]: Das wird Ihnen ja nicht passieren!)

– Noch ist das nicht passiert. Dass man in den 60er-Jahren den Verkehrszuwachs vielleicht falsch eingeschätzt hat – okay. Aber die Pflege und das Handeln danach entsprachen nicht der gebotenen Verantwortung.

Wenn Herr Schemmer sagt, von 2005 bis 2010 – das haben Sie auch an einer anderen Stelle gesagt, das sagt die CDU immer wieder – wurde so viel wie nie zuvor in NRW gebaut –, dann frage ich mich, woher Sie das Geld für die Instandhaltung genommen haben. Ein Budget war im Haushalt nicht zu erkennen.

(Zurufe von der SPD)

Ich wüsste gerne, welche Kassen das waren.

Herzlichen Dank auch einmal an SPD und Grüne für die schöne Zusammenfassung in Form eines Entschließungsantrags. Die meisten Forderungen des Antrages kann man kaum ablehnen. Das betrifft übrigens auch den CDU-Antrag, in dem noch weniger steht. Genauso könnte man fordern, dass Lehrer ab sofort eine akademische Ausbildung erhalten sollen. Das klingt gut. Da fragt man sich, warum das nicht schon längst jemand gefordert hat; das sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielleicht hoffen Sie, durch eine breite Zustimmung des Landtags der Landesregierung bei der Durchsetzung der Punkte beim Bund zu helfen.

Nach all den Selbstverständlichkeiten und Forderungen, die auf eine breite Zustimmung des Antrages hoffen lassen, hat sich noch die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen in den Entschließungsantrag gemogelt. Herr Minister Groschek hat es auch angesprochen. Diese Forderung führt im Gegensatz zu den anderen in eine Debatte, die uns wahrscheinlich noch lange begleiten wird. Sie greift das Metaproblem der Verkehrsfinanzierung auf und liefert einen konzentrierten Lösungsvorschlag.

Vordergründig ist das erst einmal eine gute Sache. Der Straßengüterverkehr, der vor allem an den teuersten Infrastrukturbauwerken die größten Schäden verursacht, soll also die finanziellen Mittel dafür bereitstellen. Die rollende Lagerhaltung soll mehr Miete zahlen.

Dies könnte generell in erheblich größerem Umfang geschehen, als dies derzeit durch die Lkw-Maut geschieht, und zwar nicht durch weitere Mautmaßnahmen, sondern zum Beispiel über den Dieselpreis. Doch der Mautausweitung stehe ich nach den Erfahrungen mit Toll Collect skeptisch gegenüber.

Das betrifft zum einen die Finanzierung der notwendigen Infrastruktur. Denn wenn es beim Aufbau der Infrastruktur Probleme gibt, heißt es bald: Mehr Einnahmen, die nicht eingezogen werden, bringen eigentlich niemandem etwas. Zum anderen betrifft das den Datenschutz. Eine über Bundes-, Landes- oder gar Kreisstraßen verteilte Überwachungsinfrastruktur wäre Sache eines Innen-Geheimdienstes und nicht eines Verkehrsministeriums.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Tata! Sie haben den geheimen Plan entdeckt!)

Selbst mit der Zusicherung, Pkw würden nicht erfasst, es würden keine Bewegungsprofile erstellt, und gespeichert würden Daten sowieso nicht, bliebe eine solche Überwachungsinfrastruktur eine Überwachungsinfrastruktur, die alle Menschen des Landes betrifft. Dem kann man nicht zustimmen.

Das System Toll Collect hat ja sowieso einige Krankheiten. Statt der bisher geforderten 7 Milliarden € Vertragsstrafe will das Bundesverkehrsministerium die Deutsche Telekom und Daimler als wichtige deutsche Unternehmen schonen und mit einer Vergleichszahlung von 2,5 Milliarden € davonkommen lassen. 7 Milliarden € sind es eigentlich. Im Oktober hatte Jörg Vogelsänger, Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, noch berichtet, der Verkehrsinfrastruktur fehlten bundesweit 7 Milliarden €. Die Summe ist zufälligerweise gleich hoch – allerdings pro Jahr.

Dass der Bund mal eben auf diese hohe Summe verzichtet, ist nicht hinnehmbar. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass er die restlichen 2,5 Milliarden € durch Geklüngel eigentlich wieder zurückgeben möchte. So wird es jedenfalls in der Presse beschrieben.

(Unruhe)

Die gleichen Argumente wie bei der Ausweitung der Lkw-Maut treffen übrigens auch auf Ideen der Einführung einer Pkw-Maut zu. Vignetten dagegen bieten kaum Steuerungsmöglichkeiten. Einheitliche Vignetten würden Vielfahrer, große und spritfressende Autos sowie Autobahnfahrer bevorzugen, Berufspendler und Kleinwagenfahrer aber benachteiligen.

Herr Breuer erwähnte Franz Beckenbauer. Herr Rasche fuhr mit Fußballmetaphern fort. Mein Motto ist: Es gibt nur einen Rudi Völler.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Was kriegst du denn für diesen Spruch? Einen Kasten Bier?)

Mit Abgaben auf Kraftstoffe, jetzt Energiesteuer genannt, bestehen bereits Instrumente, die genutzt werden können, um effizient zusätzliche Mittel für die Finanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur gezielt zu erheben. Die sollten eigentlich zweckgebunden sein und somit zukünftig Verkehrsbeiträge heißen, die mit dem Erwerb des Kraftstoffs zu zahlen sind.

(Jochen Ott [SPD]: Was hat das denn mit Rudi Völler zu tun?)

Kein anders Instrument ist so effizient und elegant wie die Kraftstoffabgabe. Gefahrene Kilometer, Fahrzeugtyp, Gewicht, Umweltfreundlichkeit, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit: All dies wird automatisch ohne großen bürokratischen Aufwand und datenschutzfreundlich berücksichtigt.

(Jochen Ott [SPD]: Was hat das mit Rudi Völler zu tun?)

– Es ging um das „ein“. Ich habe übrigens mit dem Fußball nicht angefangen.

(Jochen Ott [SPD]: Ich dachte, weil der aus Leverkusen kommt!)

So lange sich ressourceneffizientere und schadstoffärmere Antriebssysteme nicht durchgesetzt haben, sollte eine erhöhte und zweckgebundene Kraftstoffabgabe wesentlich zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beitragen. Die jetzige Steuer auf Kraftstoffe ist nicht zweckgebunden. Sie ist auch als Gemeinkostenabschlag für Flächenverbrauch, Gesundheits- und Umweltschäden zu verstehen. Große Teile jedoch müssten für Gegenmaßnahmen bereitgestellt werden: für einen Ausbau des ÖPNV, des Güterverkehrs auf der Schiene und auf Wasserstraßen sowie für Radverkehrsinfrastruktur.

(Unruhe)

Herr Minister Groschek forderte zu Beginn eine Fondsstruktur zur Finanzierung. Die Schweiz hat mit einem solchen Fonds eigentlich schon sehr gute …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, ich bitte um eine kurze Pause. – Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Gespräche im Plenarsaal nicht so laut zu führen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich freue mich, dass der Plenarsaal nun gut gefüllt ist, aber ich weise darauf hin, dass der Redner ein Anrecht darauf hat, dass seine Rede und seine Botschaften, die damit verbunden sind, gehört werden. Vielen Dank.

Oliver Bayer (PIRATEN): Die Schweiz hat einen Fonds für Eisenbahngroßprojekte eingerichtet, gespeist aus einem Mehrwertsteuer-Promille, einer Schwerverkehrsabgabe, 25 % Mineralölsteuereinnahmen und zusätzlich bezuschusst mit rund 8 Milliarden Franken aus dem Bundeshaushalt. Sie sind mit dieser Konstruktion sehr zufrieden.

Zurück zur Forderung, die Verursacher Lkw mehr in die Pflicht zu nehmen. Hinzu kommt, dass Transportkosten generell viel zu niedrig sind. Dass mit erhöhten Kosten die Wirtschaft geschädigt würde, ist ein Märchen. Der Transport selbst wird sich nicht verlagern und ist so unverschämt billig, dass alte Berechnungsmodelle, die zumindest früher in der BWL und in der Wirtschaftsgeografie eingesetzt wurden, in Beziehung auf die Transportkosten schon lange nicht mehr gelten. Transport ist überall auf der Welt zu billig. Gerade in Deutschland ist der Transport via Lkw zu billig.

Dem Warenwirtschaftssystem würde es global guttun, wenn intrakontinentale Transporte zum Vorteil dezentral organisierter Märkte nicht nahe des Nulltarifs zu haben wären. Wenn der Transport insgesamt teurer wird und wieder deutlicher in die Berechnung der Produktion einfließt, werden auch die Löhne der Fahrer wieder besser. Es würde weniger transportiert und transporteffizienter produziert, was dem Fahrermangel und natürlich der Verkehrsinfrastruktur, dem Klima, der Umwelt, der Gesundheit, dem Haushalt und letztlich der Gesellschaft insgesamt zugutekommt.

Wir haben auch schon die Probleme mit dem Bundesverkehrswegeplan angesprochen. Es stehen sehr viele Dinge darin. Das sind viel zu viele Projekte, die erstens natürlich nie umgesetzt werden,

(Zuruf: Boah, ey!)

selbst wenn man nicht an die Instandhaltung denkt, sondern das Geld in Neubauten investiert. Zweitens werden auch viel zu viele Projekte gleichzeitig angefangen. Weil das Geld nicht da ist, müssen sie gestreckt werden. Dadurch wird alles immer teurer. Daran müssen wir auf jeden Fall etwas tun. Wir müssen an anderer Stelle auch einmal ganz deutlich darüber sprechen, was in einen Bundesverkehrswegeplan gehört und was nicht. Sehr vieles gehört eben nicht hinein.

Die Verkehrsinfrastruktur aller Verkehrsmittel ist sanierungsbedürftig. Herr Klocke sagte es bereits: Das betrifft insbesondere auch Stadtbahntunnel, bei denen notwendige Rücklagen fehlen. Allein die Instandhaltung von Brücken, Trassen und Straßen kostet NRW in den nächsten Jahren mehr, als insgesamt für den Verkehr zur Verfügung steht.

Darüber hinaus werden sich die Anforderungen an die Verkehrssysteme ändern. Reurbanisierung, demografischer Wandel, Klimawandel, steigender Transit- und Güterverkehr, neue technische Möglichkeiten, zusätzliche Mittel müssen diesen Verkehrswandel unterstützen und dürfen nicht in jahrzehntealte Verkehrskonzepte fließen, die nach ihrer Realisierung Jahrzehnte zum Sinnbild von Fehlinvestitionen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Groschek das Wort.

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