Plenarrede: Brand zu Medikamentengabe in der kommerziellen Tieraufzucht

Plenarsitzung 14, 28. November 2012

TOP 8. Studie zur Medikamentengabe in der kommerziellen Tieraufzucht

Antrag der Fraktion der PIRATEN

Drucksache 16/1252

Mitschnitt der Rede von Simone Brand
Nachtrag zur Rede von Simone Brand

Redeprotokoll:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Zuschauer! Am 11. September 2012 veröffentlichte das Ministerium von Frau Aigner die Ergebnisse einer Studie, nach denen alleine 2011 in Deutschland 1.734 t Antibiotika von Tierärzten eingekauft wurden – 1.734 t, von denen das meiste an Milch- und Mastvieh verordnet wurde.

Eine von Ihrem Ministerium durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass 96,4 % aller Hühner in ihrem Leben mindestens einmal mit Antibiotika behandelt wurden. Es scheint in unserer Landwirtschaft inzwischen ein beliebtes Mittel zu sein, nicht mehr die Ursachen eines Problems zu bekämpfen, sondern einfach so lange Medikamente draufzukippen, bis man das Problem nicht mehr sieht.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Folgen sind verheerend. Täglich gibt es neue Infektionen mit MRSA. Zwischen 1990 und 2001 stieg der Anteil der resistenten Erreger von 1,7 auf 20,7 %.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Schulze Föcking zulassen?

Simone Brand (PIRATEN): Ja, in Ordnung.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Frau Kollegin Schulze Föcking.

Christina Schulze Föcking (CDU): Danke schön, Herr Präsident. – Verehrte Kollegin Frau Brand, herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Ist Ihnen bekannt, dass die Studie, auf die Sie sich soeben bezogen haben, die 96,4 %, kurz nach der Veröffentlichung zur Unstatistik des Monats erklärt wurde, weil sie fehlerhaft war?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, bitte schön.

Simone Brand (PIRATEN): Nein, das ist mir nicht bekannt.

Unter diesen Erregern MRSA leiden vor allem alte Menschen, Kranke und Kinder. Auf jedem zweiten Patienten in deutschen Krankenhäusern lassen sich MRSA-Keime nachweisen. Leider ist das nur die Spitze des Eisbergs.

Das alleine sollte eigentlich Grund genug sein, so schnell wie möglich zu handeln und die Bedingungen in der industriellen Tieraufzucht so zu regeln, dass eine medikamentenfreie Aufzucht überhaupt noch möglich ist.

Allerdings leisten die Lobbyverbände von Pharmazie, Fleischproduzenten und Großschlachtern sehr effiziente Arbeit. Erst vor Kurzem verkündete Herr Tönnies, einer der größten Schlachter und Fleischhändler Deutschlands, auf einer Podiumsdiskussion stolz, dass etwas anderes als Massentierhaltung nicht vorstellbar sei. Da widersprachen ihm auch nicht die anwesenden Herren Cem Özdemir und Joschka Fischer.

Durch den unverantwortlichen Umgang mit Medikamenten in der Tieraufzucht zerstören Firmen wie die von Herrn Tönnies systematisch unsere gesunde Ernährungsgrundlage.

Auf der einen Seite steht Ihre Partei, Herr Remmel, für Tierschutz, Umwelt- und Naturschutz. Das finden wir sehr gut. Auf der anderen Seite vermisse ich von Ihnen eine Initiative, die der Industrialisierung der Landwirtschaft wirkungsvoll entgegentritt.

Auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU fordern im Ausschuss, dass man den Ruf deutscher Produkte endlich einmal verbessern müsste. Das tut man aber nicht, indem man gegen Initiativen zur Verbesserung von Tierschutz und Verbraucherschutz stimmt. Auch helfen dabei keine Scheingefechte, um die Sommerpause mit Diskussionen um vermeintliche Lebensmittelskandälchen zu füllen, einmal ganz davon abgesehen, dass Bundesministerin Aigner ja durchaus die Möglichkeit hätte, die nötigen Gesetze voranzutreiben.

Allen Beteiligten ist hierbei eines gemeinsam: Zu ihren Argumenten für oder gegen eine tiergerechte Landwirtschaft fehlen verlässliche Daten. Dass man weiß, wie viel Antibiotika in ganz Deutschland jährlich eingekauft werden, kann nur ein kleiner Anfang sein. Was fehlt, ist also, alle Informationen auf den Tisch zu bringen, Bürger zu informieren und keine Augenwischerei zu betreiben.

Was kann denn überhaupt gegen so eine Studie sprechen? Ich höre dann wahrscheinlich irgendetwas von: Wer soll das bezahlen? – Meine Damen und Herren, die Daten liegen ja alle schon vor in den Stallbüchern eines jeden Betriebes. Es geht also nicht um eine neue Ermittlung von Daten, sondern lediglich um eine sinnvolle Zusammenführung dieser Daten.

Daher fordern wir Sie und Ihr Ministerium auf, Herr Remmel, eine breit angelegte Medikamentenstudie in Auftrag zu geben, die darüber Aufschluss gibt, welche Medikamente in welchen Mengen in NRW verabreicht werden. Machen Sie die Ergebnisse dieser Studie den Bürgern in verständlicher Form zugänglich! Wir müssen handeln, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Denn es ist nicht nur wichtig, was hinten rauskommt, sondern auch, was vorne reinkommt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Nachtrag zur Rede:

Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es total interessant, dass hier weder jemand meinen Antrag gelesen noch mir zugehört hat. Ich weiß, dass Erkenntnisse über Antibiotika vorliegen. In meiner Forderung geht es ganz klar um die restlichen Medikamente.

Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage bezüglich der Medikamente lautete: Zu anderen Medikamenten außer Antibiotika liegen uns keinerlei Erkenntnisse vor. – Deshalb habe ich diesen Antrag gestellt. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von der CDU und den PIRATEN)

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