Plenarrede: Schmalenbach zum Nichtraucherschutzgesetz

Plenarsitzung 15 vom 29. November 2012

Kai Schmalenbach zu TOP 4: Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/125

Änderungsanträge der Fraktion der PIRATEN, Drucksachen 16/1549, 16/1551 und 16/1552

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Drucksache 16/1493

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1558

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/1559

zweite Lesung

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und auf der Sonnenseite, der technischen! Liebe SPD-Basis, in einer wissenschaftlichen Sendung über das Weltall sagte ein Physiker in etwa Folgendes: Wenn da draußen nicht etwas total Unmathematisches ist, sind wir in unseren Forschungen allein durch unsere eigenen Fähigkeiten limitiert.

Dieser Gedanke schoss mir beim Lesen des Entwurfs für das Nichtraucherschutzgesetz spontan durch den Kopf. Warum? Weil der Entwurf eindrucksvoll die Grenzen der Fähigkeiten derer markiert, die ihn entwickelt und vorgelegt haben.

Wenngleich ich nachvollziehen kann – da stimme ich Herrn Adelmann in Bezug auf die Brauchtumsveranstaltungen absolut zu –, dass es beim Nichtraucherschutzgesetz Handlungsbedarf gibt und kleinere Lücken geschlossen werden müssen, verstehe ich überhaupt nicht, warum der Gesetzgeber hier mit dem Holzhammer kommt. Der Entwurf behebt die genannten Probleme nicht. Er wägt nicht ab. Er verbietet einfach nur. Und er dokumentiert in jeder Zeile: Unsere Fähigkeiten sind begrenzt.

(Beifall von den PIRATEN und Lutz Lienenkämper [CDU])

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. In der Begründung des Entwurfs steht Folgendes – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Ein kleiner, nicht genau bezifferbarer Anteil der getränkeorientierten Kleingastronomie mit einem hohen Anteil an rauchender Stammkundschaft sowie Shisha-Bars werden Nachteile hinnehmen müssen.“

Alleine aus dieser Aussage spricht die pure Arroganz. Nein, die Betreiber werden nicht Nachteile hinnehmen müssen; sie werden gezwungen, ihr Geschäftsmodell komplett zu ändern, oder müssen aufgeben.

Wir hatten ja schon Gelegenheit, über das der Öffentlichkeit vorenthaltene Gutachten zu reden. Es ist schon schlimm genug, ein steuerfinanziertes Gutachten zu verstecken, wenn einem das Ergebnis nicht in den Kram passt. Frau Ministerin Steffens, Ihr Antwortschreiben schlug dem Fass aber den Boden aus. Ich zitiere erneut mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Antwortschreiben an Frau Präsidentin Gödecke:

„Dieses Gutachten wurde im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Dahm und Herrn Rechtsanwalt Dr. Fischer erstellt. Die Gutachter tendieren zusammengefasst zu der Einschätzung, den Konsum einer E‑Zigarette nicht als ,Rauchen‘ i. S. des NiSchG NRW einzustufen. In Auseinandersetzung mit den Erwägungen der Gutachter ist das Ministerium indes zu einer gegenteiligen Auffassung gelangt.“

(Ministerin Barbara Steffens: Und?)

Das wohl zutreffendste Zitat dazu werde ich, um Sie zu schonen, nicht singen:

„Zwei mal drei macht vier,
widewidewitt und drei macht neune,
ich mach mir die Welt,
widewide wie sie mir gefällt.“

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dieses Gutachten bezog sich übrigens auf einen bemerkenswerten Feldzug der Ministerin, der in diesem Antrag enthalten ist: den Feldzug gegen die E‑Zigarette. Erst deklariert die Ministerin sie als Medikament; dann packt sie sie mir nichts, dir nichts in den Antrag zum Nichtraucherschutzgesetz.

Auf welchen Fakten und Tatsachen basiert das, bitte schön? Wir haben nichts gefunden, was diesen Schritt begründen würde; außer vielleicht die Aussage eines Pneumologen, der auf die Frage zu den Auswirkungen des Wasserpfeife-Rauchens Folgendes sagte – ich zitiere erneut –:

„Der Begriff hört sich relativ ungefährlich an, aber bei der Wasserpfeife wird auch Tabak verbrannt. Insofern ist das gesundheitliche Risiko ähnlich zu bewerten. Dasselbe gilt für die E‑Zigarette.“

Nun wird in der E‑Zigarette aber gar kein Tabak verbrannt. Das könnte man dem Mann ja noch durchgehen lassen. Er ist schließlich Arzt und kein Techniker. Aber wenn Sie in Wikipedia nach dem Stichwort „Pneumologie“ suchen, finden Sie dort als erstes Krankheitsbild: Asthma bronchiale. Und raten Sie einmal, wo da der Bezug ist! Na? Weiß es jemand? Propylenglykol, der Stoff, der in der E‑Zigarette verdampft – nicht verbrannt wird –, ist ein handelsüblicher Trägerstoff für Asthmasprays.

Spannend ist auch die Haltung der SPD zum Entwurf des Nichtraucherschutzgesetzes. Da gibt es diverse Statements. Keines vermittelt aber den Eindruck, dass die SPD hinter diesem Antrag steht. Ja, Sie werden dafür stimmen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Sie wissen, warum. Okay, aus Koalitionsgründen, fiele mir als Begründung ein. And guess what? Für uns ist genau das keine Begründung.

Ich kenne keinen SPD-Abgeordneten, der diesen Antrag argumentativ verteidigen könnte. Selbst Minister Duin, den ich in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses wegen seiner Authentizität und Souveränität sehr schätzen gelernt habe, kam bei diesem Thema gewaltig ins Schwimmen.

An dieser Stelle habe gemerkt, wie richtig es war, dass ich mich so vehement gegen Koalitionsaussagen der Piraten gewehrt habe. Klassische Koalitionen tragen zum Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit bei.

In unseren Anträgen können die SPD-Abgeordneten, die sich mit dem Thema wirklich beschäftigt haben – ich vermute aber, dass es nicht so viele sind –,

(Marc Herter [SPD]: Sie haben nicht zu beurteilen, wer sich womit beschäftigt hat!)

gut erkennen, dass wir sowohl Antragsinhalte als auch Argumentationen der SPD-Basis kopiert haben.

Ich möchte der SPD-Basis ausdrücklich gratulieren und sie dazu aufrufen, sich von ihrer Parteispitze bei diesem Thema nicht zur Räson rufen zu lassen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vertrauen Sie mir: Den Parteibasen gehört die Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Minister Duin wies im Wirtschaftsausschuss ausdrücklich darauf hin, dass man beim Gesetzentwurf zum Ladenschluss mit höchster Priorität daran gearbeitet hat, zwischen den einzelnen Interessengruppen abzuwägen. Warum ist das beim Nichtraucherschutz nicht möglich? Warum setzen wir uns nicht alle zusammen und reden darüber, wie wir ein vernünftiges und alle Seiten berücksichtigendes Nichtraucherschutzgesetz gemeinsam hinbekommen? Ich verspreche Ihnen: Sie bekommen aus dem Kreise der Piraten dafür Anerkennung, Respekt und jede Hilfe, die Sie wollen.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal zu dem Gutachten zurückkommen. Dieses Gutachten wurde – darüber werden wir uns hier noch unterhalten; das ist ein Versprechen – lange zurückgehalten. Das ist eigentlich schon bemerkenswert genug. Sie vermögen dem aber noch die Krone aufzusetzen. In Ihrem Anschreiben vom 20. November 2012 offenbaren Sie uns nämlich Folgendes – ich zitiere erneut –:

„Auch würde der Vollzug durch die kommunalen Ordnungsbehörden massiv behindert, wenn diese zwischen herkömmlichen Zigaretten und neuartigen Erscheinungsformen wie der E‑Zigarette unterscheiden müssten.“

Frau Ministerin, das ist eine klassische Zigarette, und das ist eine handelsübliche E‑Zigarette.

(Der Redner hält zwei deutlich unterschiedliche Zigaretten hoch.)

Als Angestellter einer Ordnungsbehörde würde ich mich nach Ihrem Schreiben freundlichst für die Beleidigung meines Intellekts bedanken. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was rauchen denn die Piraten vor ihren Reden? – Gegenruf von den PIRATEN: Das wollen Sie gar nicht wissen! – Weiterer Gegenruf von Hendrik Wüst [CDU]: Dasselbe Zeug, was ihr früher geraucht habt!)

 


Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Eigentlich wollte Herr Marsching sprechen, aber ich bin ihm zuvorgekommen. Frau Ministerin, ich bestelle Ihnen schöne Grüße von der Mutter von Herrn Marsching, die sagt: Es geht ihr nicht um Lobbyarbeit. Seit sie die E-Zigarette benutzt, geht es ihr eindeutig besser.

Frau Ministerin, Sie haben mein Wort aufgegriffen, aber nicht komplett aufgenommen, was ich gesagt habe. Ich habe nicht gesagt: Verwerfen Sie den ganzen Quatsch. – Ich habe nicht gesagt: Ihre Ziele sind falsch. – Ich habe nur gesagt: Verwerfen Sie diesen Entwurf. Setzen Sie sich mit uns zusammen! Schaffen Sie eine Abwägung! Ich stimme Ihnen Ihren Ziele in großen Teilen zu. Ich stimme Ihnen aber nicht Ihrem Weg zu. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Veröffentlicht unter Arbeit, Gesundheit, Soziales (A01), Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (A17), Reden, Reden

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