Top 3. Frank Herrmann zur Anerkennung der Flüchtlingspolitik als gemeinsame Herausforderung

Mittwoch, 20. Mai 2015

 

Top 3. Die Anerkennung der Flüchtlingspolitik als gemeinsame Herausforderung von Bund, Ländern und Kommunen entlässt die Landesregierung nicht aus ihrer Verantwortung

Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 16/8639

Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmung: Zustimmung zur Überweisung
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Protokoll der Rede von Frank Herrmann

Frank Herrmann (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abruszat, dass Sie für die Qualität der Flüchtlingsunterbringung in den Kommunen stehen, finde ich sehr lobenswert. Ich freue mich jetzt schon auf die weiteren Beratungen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Höre ich da ein wenig Ironie?)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, als wir im März über Ihren Antrag „Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Flüchtlingen unterstützen“ diskutierten, habe ich gesagt, dass wir Piraten es immer richtig und wichtig finden, wenn sich die Politik und der Landtag der finanziellen Probleme der Kommunen und der prekären Situation der Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen annimmt.

Auch heute muss ich wieder ein lautes „Aber“ anfügen. Was haben Sie für einen Plan, wenn Sie im Prinzip Ihren Antrag vom letzten Mal noch einmal einbringen, der wirklich nichts Neues enthält? Sie haben lediglich dramatisierende Zahlen eingepflegt. Das ist das Einzige. Sie reden von Millionen, die auf der Flucht nach Europa sind. Sie reden von Hunderttausenden, die auf dem Weg nach Deutschland sind, als stünden wir kurz vor dem Untergang.

Nein, nicht wir stehen vor dem Untergang, sondern die Menschen, die in bankrotten Staaten unter korrupten Regierungen keine Lebensperspektive haben und die Menschen, die sich und ihre Familien aus Kriegsgebieten in Sicherheit bringen wollen und sogar eine Flucht über das Mittelmeer als ihre letzte Rettung ansehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir stehen nicht vor dem Untergang mit der höchsten Zahl von Beschäftigungsverhältnissen und den höchsten Steuereinnahmen der Geschichte.

In Ihrem Antrag befassen Sie sich überhaupt nicht mit der Situation, die die Geflüchteten in den Kommunen und in den Landesaufnahmeeinrichtungen in NRW heute vorfinden kein Wort über die Notaufnahmen in Turnhallen, Schulen und Baumärkten, kein Wort über die mangelnde Gesundheitsversorgung, über die fehlende psychologische, rechtliche und soziale Betreuung, über die Isolation, kein Wort über Flüchtlingsfeindlichkeit, sei es von bestimmten Gruppen, ganzen Gemeinden oder auch von Behörden.

Das finde ich mehr als bedauerlich, denn immerhin haben Sie, Kollegen von der CDU Herr Kollege Laschet ist leider gerade nicht da , in einem Zehnpunkteplan nach Burbach sehr fortschrittliche Vorschläge zur Integration gemacht. Davon ist aber wohl leider nichts übrig.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist nicht mehr Stand der Forschung!)

Deshalb muss ich wie beim letzten Antrag wieder darauf aufmerksam machen, dass es falsch und gefährlich ist, immer wieder von „guten“ und von „schlechten“ Flüchtlingen zu sprechen.

(Beifall von den PIRATEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Mit „guten“ meinen Sie zum Beispiel Kriegsflüchtlinge aus Syrien und mit „schlechten“ meinen Sie Roma und andere Minderheiten aus den Westbalkanstaaten.

(Ralf Nettelstroth [CDU]: Was soll das denn?)

Aus den diversen Innenausschusssitzungen weiß ich, dass Sie glauben, das angebliche Flüchtlingsproblem in Deutschland ließe sich durch konsequente Abschiebung lösen.

Sie negieren die massive Diskriminierung von Minderheiten und erzählen, dass es ohne Flüchtlinge vom Balkan keine Probleme bei der Unterbringung gäbe.

(Widerspruch von André Kuper [CDU])

Sie nennen diese Menschen pauschal „Wirtschaftsflüchtlinge“. Schauen Sie in die aktuellen Zeitungen. Da ist vom „Pulverfass Mazedonien“ die Rede und davon, dass das Land kurz vorm Zusammenbruch steht und von der Mafia regiert wird. Nach „sicherem Herkunftsstaat“ klingt das für mich nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie bedienen in Ihrem Antrag wieder einmal die Ängste der Biedermänner und Brandstifter dieser Republik. Das Schlimme ist, dass Sie mit der Forderung nach einem Zweiklassenasylsystem das Grundrecht auf Asyl pervertieren. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes dachten nicht an Schnellverfahren und Abschiebezentren, als sie aufgrund der Erfahrungen des Dritten Reiches ein schrankenloses Grundrecht auf Asyl schufen.

Leider sorgt die rot-grüne Landesregierung seit Anfang des Jahres für die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, geforderten Abschiebezentren für Kosovaren. Menschen werden nach ihrer Herkunft kategorisiert und abgesondert. Solche Segregationen lehnen wir Piraten nicht nur aus menschenrechtlicher Perspektive ganz klar ab.

(Beifall von den PIRATEN)

Von solchen Abschiebezentren sollen die Menschen nicht den Kommunen zugewiesen werden, sondern nach Ende ihrer Schnellverfahren direkt in den Kosovo zurückgeschickt werden. Schnellverfahren im Asylprozess führen aber dazu, dass die geflüchteten Menschen de facto keine Rechtsmittel einlegen können und keine Möglichkeiten haben, gegen Fehlentscheidungen vorzugehen.

(André Kuper [CDU]: Stimmt doch nicht! Das ist doch falsch! Ralf Nettelstroth [CDU]: Sie haben ein normales rechtsstaatliches Asylverfahren!)

Ein Asylverfahren in 14 Tagen mit anschließender Abschiebung, wofür die Landesregierung extra Fahrzeuge beschaffen will, raubt den Menschen ihre grundlegenden Rechte. Dass diese Schnellverfahren in der Praxis nicht wirklich funktionieren, hilft wenig, denn allein der Plan ist schon falsch. Abschiebung kann nicht die Lösung für die nordrhein-westfälische Flüchtlingsaufnahme sein.

Ich möchte die verbleibende Redezeit für eine kurze Bestandsaufnahme der Situation der Flüchtlingsaufnahme in Nordrhein-Westfalen nutzen. Die Situation in den Landesaufnahmen wurde vor Burbach immer beschönigt, und die Opposition wurde regelrecht belogen. Dieses Spiel setzt sich aber auch nach Burbach fort.

In der letzten Sitzung des Innenausschusses wurden wir auf Wunsch der Landesregierung über die Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit Asylsuchender im Rahmen des EASY-Verteilverfahrens informiert. Angeblich wird in diesem Verfahren die spezielle Schutzbedürftigkeit von Traumatisierten, Schwangeren, Kindern, Menschen mit Behinderungen, Vergewaltigungs- und Folteropfern schon bei der Erstverteilung der Asylbegehrenden zwischen den Ländern ermittelt und berücksichtigt. „Verteilung“ bedeutet, dass Asylsuchende nach bestimmten Kriterien einer geeigneten Erstaufnahmeeinrichtung zugeordnet werden.

Nur einen Tag nach der Unterrichtung über das Verfahren mussten wir dann aus der Presse erfahren, dass eine schwangere Frau trotz Blutungen von der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Hamburg nach Burbach geschickt worden sei trotz ärztlicher Anweisung, dass die Frau im Bett bleiben solle. Die Frau verlor in Burbach ihr Kind. Was passiert da in den Verwaltungen? Hier muss noch einmal mehr klargemacht werden, dass es um Menschen geht, die hin- und hergeschoben werden.

Schauen Sie bei Twitter mal unter „#Burbach“ nach. Burbach ist gleichbedeutend mit Schande, und das ist Ihre Schande, Herr Jäger. Obwohl wir Piraten für jede Sitzung des Innenausschusses einen Bericht über die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen anfordern, erfuhren wir wieder nur über die Presse, dass gegen 50 Menschen im Zusammenhang mit dem Misshandlungsskandal von Burbach von der Staatsanwaltschaft Siegen ermittelt wird. Darunter sollen sich Mitarbeiter der Bezirksregierung und Polizisten befinden. Das ist so ungeheuerlich, dass ich keine Worte dafür habe.

Im Oktober habe ich dazu Folgendes gesagt:

„Wenn herauskommt, dass die Polizei, Mitarbeiter des Innenministeriums oder der Bezirksregierung Bescheid wussten, müssen die Verantwortlichen gehen.“

Das meine ich auch heute noch so. Wenn Polizisten, Mitarbeiter des Ministeriums und der Bezirksregierung auch nur geahnt haben, dass da gefoltert wurde, reicht es nicht mehr, die betreffenden Personen einfach zu versetzen. Solche Menschen haben nichts im Staatsdienst verloren.

(Lebhafter Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir werden über diesen Antrag und den Umgang mit Flüchtlingen in unserem Land im Landtag und in den Ausschüssen weiter sprechen. Wir Piraten werden alles dafür tun, dass es ein menschenwürdiger Umgang wird, denn es geht um Menschen und nicht um Zahlen.

Wir erwarten auch, dass sich die Betonköpfe in Berlin und in Europa bei ihren Flüchtlingsgipfeln nächste Woche und Anfang Juni endlich bewegen und die Hilfe und die humanitäre Verantwortung in den Mittelpunkt stellen und nicht die Abschiebung sowie die Abschottung. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

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