Frank Herrmann zu den Überwachungsmethoden der Ermittlungsbehörden NRW

Mittwoch, 2. Juli 2014

 

Top 5. Überwachung und Datenzugriff im Bereich der Telekommunikation. Wie nutzen nordrhein-westfälische Ermittlungsbehörden Funkzellenabfragen, Stille SMS, IMSI-Catcher und W-LAN-Catcher?

Große Anfrage 10
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/5215

in Verbindung  damit

Einführung  einer Erhebungsmatrix für Funkzellenabfragen, Stille SMS und Einsätze von  IMSI-Catchern – Bessere statistische Erfassung von Daten für echte  parlamentarische Kontrolle
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/6118
Unser Redner: Frank Herrmann
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung

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Protokoll der Rede von Frank Herrmann

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke:

Ich eröffne die Beratung und erteile als erstem Redner für die Piratenfraktion Herrn Kollegen Herrmann das Wort. Bitte, Herr Kollege. Sie haben das Wort.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank.  Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger im Saal und im Stream. Nun zu einem Thema, das viele Menschen oft zu Unrecht zu Betroffenen macht: Funkzellenabfragen und Co.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Ich weiß: Die einen wollen von Überwachung nichts mehr wissen  wie man übrigens auch hier bei den Kolleginnen und Kollegen sieht, die gerade aus dem Saal laufen. Für andere hat die ernsthafte Diskussion zu dem Thema noch nicht einmal richtig angefangen. Ich gehöre zu der letzten Gruppe. Moderne Polizeiarbeit, meine Damen und Herren, ist grundrechtsbewusst, verhältnismäßig und evidenzbasiert. Wir wollten mit unserer Großen Anfrage erfahren, ob elektronische Überwachungsmaßnahmen wie Funkzellenabfragen oder Stille SMS notwendig und effektiv für die Strafverfolgung sind: Werden sie sinnvoll eingesetzt? Oder läuft der Gebrauch aus dem Ruder? Werden sie unrechtmäßig zum Routineinstrument? Sind sie gar schiere Überwachungsmaßnahmen?

Uns fehlen die Belege für eine ordentliche Bewertung sowohl in die eine wie in die andere Richtung. Die Ergebnisse der Großen Anfrage sind, offen gesagt, dürftig. Außer einfachen numerischen Erfassungen über den Gebrauch der Maßnahmen steht nicht viel drin. (Matthi Bolte [GRÜNE]: Ihr habt ja auch nach nichts anderem gefragt!)

Natürlich, die Zahlen alleine haben es schon in sich: 300.000 versendete Ortungsimpulse, also Stille SMS, in 2013, ein klar ansteigender Gebrauch des Instruments Funkzellenabfrage, satte 11 Abfragen pro Tag gibt es in Nordrhein-Westfalen. Die Maßnahmen werden also immer häufiger verwendet. Gleichzeitig wissen wir aber nicht, ob sie überhaupt notwendig sind. Es drängen sich Vergleiche mit der Vorratsdatenspeicherung auf. Die wurde auch jahrelang als unbedingt notwendig verteidigt. Ein konkreter Nachweis über die Notwendigkeit wurde aber nie erbracht.

Dass Funkzellenabfragen nützlich sein können, ist unbestritten. Denn für ein Ermittlungsverfahren kann alles nützlich sein  je mehr Informationen, desto besser. Aber ist es wirklich notwendig, dass man überall damit rechnen muss, in Dateien erfasst zu werden, nur weil man ein Handy dabeihat? Niemand will die Aufklärung schwerster Straftaten verhindern. Aber wir müssen uns die Frage stellen, wann, in welchen besonderen Ausnahmesituationen es notwendig ist, alle Mobilfunkgeräte pro Funkzelle zu speichern, also alle Menschen zu erfassen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sind. Von Schleswig-Holstein wissen wir, dass manche Funkzellenabfragen tage- oder sogar wochenlang durchgeführt wurden. Das sind Zigtausende Daten Zigtausender Menschen. Der Nachweis der Notwendigkeit derartiger Einsätze muss erbracht werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Es reicht nicht, Einzelfälle anzuführen, bei denen, vielleicht durch einen Zufall, Handydaten eine Rolle gespielt haben. Wir brauchen verlässliche Zahlen über den Nutzen und die Erfolge dieser Maßnahmen. Solange wir diese Zahlen nicht haben und der Gebrauch immer weiter zunimmt, drängt sich der Eindruck der Unverhältnismäßigkeit auf. Funkzellenabfragen, Stille SMS und IMSI-Catcher greifen tief in die Grundrechte auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung ein. Das ist der Kernpunkt, um den es hier geht.

Deshalb bringen wir unseren Antrag zur Erarbeitung von Erhebungsmatrizen für Funkzellenabfragen IMSI-Catcher und Stille SMS ein. Wir brauchen eine transparente und nachvollziehbare statistische Erfassung des Einsatzes dieser elektronischen Maßnahmen. Nur mit diesen Informationen können wir unserer Pflicht der parlamentarischen Kontrolle nachkommen. Nur mithilfe verlässlicher Zahlen können wir die Notwendigkeit von Funkzellenabfragen und Co. bewerten.

Die Piratenfraktion im Saarland hat sich erfolgreich mit der dortigen Landesregierung zu dem Thema auseinandergesetzt. In der Vergangenheit konnten nämlich auch dort Anfragen zu Funkzellenabfragen nicht oder nicht vollständig beantwortet werden, weil  wie hier auch  viele Daten statistisch nicht erfasst wurden. Gemeinsam mit dem Innenministerium wurde dann eine Erhebungsmatrix für Funkzellenabfragen erarbeitet, unterstützt von der dortigen Großen Koalition. Liebe Kollegen von SPD und CDU, was im Saarland geht, geht doch auch hier. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sind doch auch für verhältnismäßige Polizeiarbeit, oder nicht?

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Schon, doch meistens!)

Die von uns vorgeschlagenen Einheiten der Erhebungsmatrixen basieren auf den Einheiten, die im Saarland entwickelt und eingeführt wurden. Im Innenausschuss möchten wir gerne interfraktionell über diese Auflistung sprechen. Dabei sind wir natürlich offen für Erweiterungen oder Ihre Wünsche. Moderne, grundrechtsbewusste und verhältnismäßige Polizeiarbeit ist evidenzbasiert. Deshalb sollten wir für zukünftige Einsätze von Funkzellenabfragen oder Stillen SMS über die hier vorgeschlagenen Kriterien die Notwendigkeit dieser Maßnahmen herausfinden.

Vizepräsident Daniel Düngel: Die Redezeit, Herr Kollege.

Frank Herrmann (PIRATEN): Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.  Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann.  Nächster Redner ist der Kollege Körfges für die SPD-Fraktion.

 

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