Mittwoch, 29. Januar 2014
Top 9. Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter – Aufruf der Schriftsteller anerkennen
Antrag der Fraktion der PIRATEN
Änderungsantrag von SPD, Grünen und Piraten
Direkte Abstimmung
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zum Änderungsantrag, Zustimmung zum Antrag.
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Protokoll der Rede von Daniel Schwerd
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Piraten Herrn Kollegen Schwerd das Wort.
Daniel Schwerd (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 9. Dezember des vergangenen Jahres protestierten über 1.000 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus der ganzen Welt in einer gemeinsamen Erklärung gegen die systematische Überwachung unserer Kommunikation durch Geheimdienste wie die amerikanische NSA. Die Schriftsteller rufen Menschen und Regierungen aller Länder auf, die Demokratie auch im digitalen Zeitalter zu verteidigen. Sie fordern hierfür unter anderem eine verbindliche internationale Konvention digitaler Rechte.
Eine entscheidende Passage des Aufrufs lautet ich zitiere das gerne:
„Eine der tragenden Säulen der Demokratie ist die Unverletzlichkeit des Individuums. Doch die Würde des Menschen geht über seine Körpergrenze hinaus. Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben. Dieses existenzielle Menschenrecht ist inzwischen null und nichtig, weil Staaten und Konzerne die technologischen Entwicklungen zum Zwecke der Überwachung massiv missbrauchen.“
(Beifall von den PIRATEN)
Im Gegensatz zu der alten ebenso wie zu der neuen Bundesregierung haben die Unterzeichner dieses Aufrufes drei entscheidende Dinge verstanden.Erstens. Die liberale Demokratie, in der wir leben und die uns so selbstverständlich erscheint, ist keinesfalls so stabil, wie wir uns das gerne glauben machen wollen. Demokratie kann nur so lange existieren, wie es Menschen gibt, die bereit sind, sich für Demokratie einzusetzen und sie aktiv mitzugestalten.
Das Prinzip des demokratischen Diskurses ist nach Jürgen Habermas der zwangslose Zwang des besseren Argumentes. Dieses Prinzip kann aber nur dann gelebt werden, wenn sich Menschen auch trauen, das zu sagen, was sie denken. In vollkommener Überwachung ist diese Freiheit des Denkens nicht mehr möglich.Die massenhafte und anlasslose Überwachung unserer Kommunikation führt zu angepasstem Verhalten und zu Selbstzensur. Die Totalüberwachung der Gesellschaft beschneidet damit nicht nur unsere Freiheit, sondern unterhöhlt auch die Fundamente unserer Demokratie.Die zweite Erkenntnis besteht darin, dass die totale Überwachung bereits Realität ist, und zwar mit verheerenden Folgen für demokratische Gesellschaften. Bereits im Juni letzten Jahres zog „SPIEGEL ONLINE“ in einem Artikel zur NSA-Affäre ein niederschmetterndes Fazit. Ich zitiere erneut:
„Nach dem derzeitigen Stand der Dinge sollte man sich bei allem, was man online auch in vermeintlich privaten Bereichen tut, fragen, ob es nicht eines Tages gegen einen verwendet werden könnte.“Das ist kein Horrorszenario der Zukunft. Wir sind schon heute an diesem Punkt, an dem es nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, zu sagen, was man denkt.Umso wichtiger wäre es, würden unsere Regierungen endlich etwas unternehmen. Wir müssen die Kommunikation aller Menschen schützen. Wir müssen unsere eigene Sicherheitspolitik neu bewerten. Wer die NSA für Vorgänge kritisiert, aber Vorratsdatenspeicherung fordert, hat nicht verstanden, worum es im Kern geht.
(Beifall von den PIRATEN)
Die dritte Erkenntnis des Schriftstelleraufrufes ist die: Wir brauchen ein gemeinsames, ein internationales Vorgehen gegen die Überwachungsaffäre. Ich meine damit nicht ein bilaterales No-Spy-Abkommen. Im Ernst: Ein solches Abkommen unter den Geheimdiensten verhandeln zu lassen, ist doch die hirnrissigste politische Idee zum Schutz unserer Privatsphäre, die man sich nur ausdenken kann.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir wünschen uns, dass alle verantwortlichen Politiker diesen Aufruf der Schriftsteller lesen und verstehen. Er ist als Anleitung für eine politische Reaktion auf den größten Überwachungsskandal unserer Zeit wesentlich besser geeignet als vieles, was wir von Parteien auf Landes- und Bundesebene bisher gehört haben.Der Entschließungsantrag der CDU ist so ein Beispiel. „Wir sind besorgt“ das ist natürlich kein angemessener Ausdruck dafür, was wir derzeit empfinden. Und: Es wird die Verantwortung wieder vollständig auf EU-Ebene abgeschoben. Dabei geht uns das alle an: das Land und sogar jede einzelne Fraktion hier im Landtag.Immerhin erkennen wir an, dass sich die CDU mit dem Aufruf auseinandergesetzt hat und sich grundsätzlich dem Aufruf anschließen kann. Es freut mich sehr, dass wir uns hier im Parlament mehrheitlich auf die Unterstützung dieses Aufrufes einigen konnten. Wenn jetzt SPD und CDU auch dafür sind, dann kann es ja wohl auch auf Bundesebene losgehen. Nicht wahr? Vielen herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schneider.
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