Donnerstag 19.12.2013
Antrag der Fraktion der PIRATEN
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Protokoll der Rede von Frank Hermann:
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen! In der Vorweihnachtszeit sprechen wir immer viel von Nächstenliebe. In der Geschäftsordnungsdebatte eben waren ein paar nicht so schöne Zwischentöne, aber in der Andacht heute früh war die Rede davon. Das ist gut.
Nun muss man beileibe kein Christ sein, um sich für Flüchtlinge einzusetzen. Flüchtlinge aufzunehmen und nicht zurückzuweisen, ist ein Gebot der Menschlichkeit, völlig unabhängig von Glauben und Konfession. Für parteitaktische Spielchen eignet sich dieses Thema schon einmal gar nicht.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Das bringt mich direkt zu Ihnen und Ihrem Entschließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Darf ich davon ausgehen, dass Sie mit Ihrer Entschließung Ihr Engagement in Flüchtlingsfragen unterstreichen wollen, um unseren Antrag dann anschließend abzulehnen? Ich habe mir Ihren Antrag angeschaut und finde darin ein krudes Sammelsurium von verschiedensten Punkten.
Dass Sie in der Überschrift auf den Winter 2014/15 abzielen, ist zwar vorausschauend, aber vermutlich einfach ein Fehler; schließlich geht es um die aktuelle Situation und nicht um nächstes Jahr.
Dann sprechen Sie von schneller und unbürokratischer Bearbeitung von Asylanträgen, gerade auch beim Familiennachzug. – Ist das noch auf unseren Syrien-Antrag von vor drei Wochen bezogen? Wir sprechen nämlich heute von einem Abschiebestopp in die Balkanländer.
Weiter führen Sie einen Sensibilisierungserlass Kosovo an und meinen damit, dass Abschiebungen von Angehörigen von Minderheiten in den Kosovo nur stattfinden sollen, wenn geprüft wurde, dass keine besonderen Härten entstehen. Das wäre gut für Menschen, denen eine Abschiebung in den Kosovo bevorsteht.
Wir haben bei Flüchtlingsorganisationen nachgefragt. Dort sind keine Fälle bekannt, in denen dieser Erlass eine Abschiebung verhindert hätte. Dass es einen solchen Erlass für kein anderes Land des westlichen Balkans gibt, spielt dann auch keine Rolle mehr.
Dabei ist die Situation der Minderheiten in Südosteuropa nach wie vor geradezu katastrophal. Claudia Roth, jetzt Bundestagsvizepräsidentin, war Mitte dieses Jahres dort und bescheinigte Serbien und Mazedonien eine systematische Diskriminierung der Roma. Rassistische Übergriffe gegen Roma wären an der Tagesordnung. Sie forderte daraufhin, diese Diskriminierung als verfolgungsrelevant anzuerkennen. Dem können wir Piraten uns nur anschließen.
In der zwei Wochen alten Vorlage des Innenministeriums – 16/1445 – ist in Bezug auf Serbien auffällig oft zu lesen, dass Serbien „versucht“ und „sich bemüht“, die Lage der Roma zu verbessern. Man kennt das ja aus Arbeitszeugnissen. Die Formulierung, dass eine Person sich „stets bemüht“, heißt nichts anderes, als dass sie total versagt hat – eine glatte Sechs.
Weiter heißt es in der Vorlage, dass eine Registrierung Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildung und Wachstum ist. Eben diese Registrierung ist insbesondere für Roma sehr schwer bis unmöglich zu erlangen. Nur ein Bruchteil der Roma ist registriert. Für die Registrierung ist es nämlich notwendig, dass der Betroffene einen festen Wohnsitz und ausreichend Einkommen nachweist. Kann er das nicht, gibt es keine Registrierung und damit keinen Zugang zu Wohnraum – ein klassischer Teufelskreis also.
Hier sind die Bundesregierung und alle europäischen Länder aufgefordert, Druck aufzubauen und Lösungen vor Ort zu finden. Wir müssen uns dafür um die Menschen kümmern, die zu uns gekommen sind, um Schutz und Hilfe zu suchen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Abschiebung bedeutet, die Angehörigen der Minderheiten wieder Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen und Armut auszusetzen. Abschiebung im Winter bedeutet darüber hinaus, die Menschen in schlecht oder gar nicht beheizte Baracken zurückzuschicken und damit wissentlich Kältetote in Kauf zu nehmen.
Herr Minister Jäger, Ihr schleswig-holsteinischer Kollege Breitner hat ein Wintermoratorium erlassen. Bis zum 31. März 2014 sollen keine Minderheitsangehörige mehr nach Serbien, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien abgeschoben werden. Auch die Bundesländer Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz wollen die Abschiebung aussetzen.
Wir können nicht einsehen, wieso es Nordrhein-Westfalen nicht möglich sein soll, sich diesem Verfahren anzuschließen. Es liegt nur an Ihrem politischen Willen – das sage ich ausdrücklich in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Grünen. Uns ist es egal, wie Sie das machen, Hauptsache ist, dass Abschiebungen nicht stattfinden.
Wir haben hier im Landtag eine Mehrheit, die Minderheiten schützen möchte. Daher bitte ich Sie eindringlich, unserem Antrag zuzustimmen.
Ein letztes Wort noch zu Ihrem Entschließungsantrag: Ein Lichtblick ist dort die Ankündigung einer Vorgriffsregelung, um langjährig geduldete Ausländer nicht abzuschieben. Das ist ein gutes Signal. Auch wenn wir Ihren Antrag ansonsten für heiße Luft halten, werden wir ihm wegen dieses einen Punktes zustimmen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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