Mittwoch, 27. November 2013
TOP 6. Vorratsdatenspeicherung stoppen!
Die Landesregierung muss sich gegen die Vorratsdatenspeicherung einsetzen. Insbesondere mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin fordern wir die Landesregierung auf, sich auf allen politischen Ebenen, auf EU-Ebene, im Bundesrat und auf der Innenministerkonferenz gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.
Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher:
„Mit der Vorratsdatenspeicherung würden wir die Totalüberwachung, die wir bei der NSA anprangern, auf eigenem Boden selbst einführen. Das wäre der der Einstieg in den Überwachungsstaat. Wir lehnen die flächendeckende Speicherung sämtlicher Telekommunikations- und Verbindungsdaten komplett ab. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein massiver Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Vorbild für uns ist die Entscheidung gegen die Vorratsdatenspeicherung im Schleswig-Holsteinischen Landtag, der sich bis auf die CDU alle Fraktionen angeschlossen haben. Es geht also. NRW muss diesem Beispiel folgen.“
Protokoll der Rede von Daniel Schwerd:
(Zurufe von der CDU: Oh!)
– Ich fand den gut.
(Beifall von den PIRATEN)
Derzeit sehen deutsche Sicherheitspolitiker mal wieder ihre schönsten feuchten Träume in Griffweite: die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.
Machen wir dazu ein Gedankenexperiment. Wir bekommen doch alle diese schönen neuen maschinenlesbaren Personalausweise. Die können aus einer gewissen Entfernung kontaktlos ausgelesen werden. Was wäre denn, wenn wir an jedem Hauseingang einen solchen Scanner installieren, der automatisch erfasst, wer wann das Haus betritt oder verlässt, und diese Information für drei Monate aufbewahren? Die Vorteile liegen doch auf der Hand. Passiert in diesem Haus ein Verbrechen, könnte man ganz einfach nachvollziehen, wer sich zu der Zeit dort aufgehalten hat.
Kommt Ihnen diese Idee auch ziemlich dämlich vor? Natürlich würde jeder Kriminelle mit einem IQ oberhalb eines durchschnittlichen Sicherheitspolitikers seinen Ausweis zu Hause lassen oder gleich durchs Fenster einsteigen. Die Vorstellung, man könne so Verbrecher aufhalten, ist absurd.
Stattdessen hätte das ganz andere Effekte: Wer sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhält, gerät unter Verdacht. Man wird begründen müssen, warum man ausgerechnet in diesem Haus war. Man könnte komplette Bewegungsprofile von einzelnen Personen anfertigen. Mir wird mulmig bei so einem Gedanken. Ihnen auch?
(Beifall von den PIRATEN)
Aber genau das und noch Schlimmeres planen paranoide Innenpolitiker dieser Republik, wenn sie die Vorratsdatenspeicherung einführen wollen. Für einen zweifelhaften Nutzen sollen Privatsphäre und Unschuldsvermutung weitgehend abgeschafft werden.
Die Vorratsdatenspeicherung betrifft zum einen den digitalen Raum, zum anderen aber auch das echte Leben. Bewege ich mich im Internet, wird lückenlos erfasst und gespeichert werden, wann und wo ich gewesen bin. In der Realwelt wird durch das Speichern der Verbindungsdaten von Mobiltelefonen eine lückenlose Überwachung erreicht. So kann der Staat erfahren, wer wann wo war, und das ohne jeden Anlass und ohne jeden Verdacht. Denn man kann ja nie wissen, ob Sie nicht vielleicht doch finstere Pläne schmieden.
Was für den Haustürscanner gilt, das gilt auch für die Vorratsdatenspeicherung: Zur falschen Zeit am falschen Ort bin ich verdächtig und muss meine Unschuld beweisen. Wird man sich stets trauen, im Internet seine Meinung zu äußern? Können Journalisten ungestört recherchieren? Wie ist es mit der ärztlichen Schweigepflicht, dem Beichtgeheimnis? Kann man mit dem Mobiltelefon in der Tasche noch an einer Demonstration vorbeigehen, oder lässt man das besser?
Was ist, wenn diese Daten in falsche Hände geraten? Was ist mit dem Risiko von Erpressungen, zum Beispiel auch bei Politikern? Was ist mit Wirtschaftsspionage? Das Missbrauchspotenzial ist enorm. Nirgendwo sind Daten vollkommen sicher, auch nicht bei staatlichen Stellen.
(Beifall von den PIRATEN)
Der Witz ist: Während sich jeder harmlose Normalo stets fragen muss, ob er sich gerade verdächtig macht, werden echte Kriminelle entsprechende Technik einsetzen, um ihre Identität zu verschleiern. Fangen kann man mit der Vorratsdatenspeicherung höchstens ein paar Dumme. Der Preis: Totalüberwachung der digitalen und realen Bewegungen der Bevölkerung.
Alle Untersuchungen zeigen, dass mit Vorratsdatenspeicherung nicht mehr Kriminalfälle aufgeklärt werden als ohne. Gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und dokumentierten Kindesmissbrauch war sie nachweislich wirkungslos.
(Minister Ralf Jäger: Wer sagt das denn?)
Auch ohne Vorratsdatenspeicherung wurden in Deutschland über 70 % aller bekannt gewordenen Delikte im Internet erfolgreich aufgeklärt. Außerhalb des Internets lag die Quote nur bei 55 %. Als 2009 schon mal eine Vorratsdatenspeicherung in Kraft war, hat sich die Aufklärungsquote überhaupt nicht erhöht.
(Beifall von den PIRATEN)
Das Argument, wir müssten aufgrund einer EU-Richtlinie handeln, ist nicht stichhaltig. Erstens kann Deutschland in Europa seinen politischen Einfluss geltend machen. Zweitens erlaubt Art. 114 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, begründet von einer Verordnung abzuweichen. Zudem ist die Sache gerade vor dem Europäischen Gerichtshof. Vielleicht – ich hoffe es sehr – fliegt Ihnen das alles sowieso um die Ohren.
Nicht zuletzt die Totalüberwachung, die wir bei der NSA so anprangern, würden wir mit der Vorratsdatenspeicherung auf eigenem Boden selbst einführen.
(Beifall von den PIRATEN)
Wir sind dabei unseren Kindern einen schlüsselfertigen Überwachungsstaat zu hinterlassen. Im Gegensatz zu diesen Plänen wäre selbst ein Haustürscanner harmlos.
Freiheitsrechte sind nicht verhandelbar. Sprechen Sie sich bitte mit uns gegen jeden Plan zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung aus. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Schreibe einen Kommentar