Plenarrede: Torsten Sommer zu Jobperspektiven in NRW für Jugendliche aus südeuropäischen Ländern

Freitag, 12. Juli 2013

 

TOP 7. Fachkräfte- und Auszubildendenbedarf in Nordrhein-Westfalen sichern – Ausbildungs- und Jobperspektiven für Jugendliche aus südeuropäischen Ländern schaffen

Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/3449
Block I
Unsere Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung

Unser Redner: Torsten Sommer

 

 

 

 

 

Audiomitschnitt der Rede von Torsten Sommer


Wortprotokoll zur Rede von Torsten Sommer:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuhörer im Saal und natürlich auch am Livestream! Ich wünsche natürlich auch dem Kollegen Tenhumberg alles Gute.

Jetzt zu unseren aktuellen Problemen in Europa: Europa – das war angeblich einmal eine große Idee. Heute scheint es eine große Misere. So wird es uns jedenfalls verkauft. Besonders erschreckend ist, dass gerade die Menschen aus Spanien, Griechenland, Italien und Portugal so besonders tief enttäuscht sein müssen, genau die Menschen aus jenen Staaten, die das europäische Projekt einst – so wie wir – so euphorisch gefeiert haben.

Die Europäische Union steht zurzeit nicht mehr für Hoffnung, sondern für Hoffnungslosigkeit. Die Generation, die den Traum von Europa wirklich hätte leben können, wendet sich ab. In den südeuropäischen Ländern ist im Schnitt fast ein Drittel der Menschen unter 25 Jahren arbeitslos. In Spanien und Griechenland ist es sogar über die Hälfte mit steigender Tendenz. Insgesamt 5,6 Millionen junge Menschen stehen ohne jegliche Perspektive dar.

Da in Deutschland bald die Bundestagswahl ansteht, fällt auch der Bundesregierung auf, dass sich hier ein vorzügliches Thema zur Positionierung im Wahlkampf bietet. Also muss eine Mammutkonferenz her. Denn, wie Frau Merkel sagt: Schön wäre es, wenn die Jugendlichen in Europa mal merkten, dass wir etwas tun.

Glauben Sie mir, die jungen Menschen in Europa wissen seit Jahren, was die Bundesregierung tut.

(Beifall von den PIRATEN)

Nach Jahren der aufgezwungenen Sparzwänge, die zum wirtschaftlichen Beinahe-Ruin geführt haben, sollen jetzt strukturelle Reformen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit führen. Im Endeffekt sind es leere Floskeln, hinter denen sich der Erfahrung nach der Abbau von Sozialstandards versteckt. Da soll es Programme zum Aufbau dualer Ausbildungssysteme geben, Qualifizierung der vorhandenen Abschlüsse, Jobperspektiven und Ausbildungsstellen.

Da kommt als kraftvoller Beitrag aus NRW – in diesem Fall von der FDP – der Antrag, einen Beitrag zur Sicherung des inländischen Fachkräfte- und Ausbildungsmarktes zu leisten. Ganze 5.000 junge Menschen aus Spanien sollen bundesweit aktiv auf dem Weg ins Berufsleben begleitet werden.

5.000 von 5,6 Millionen. Was passiert mit dem Rest? Was sagen wir denen? Leider verloren? Das ist nicht der europäische Gedanke. Selbst wenn man sagt, an irgendeinem Punkt müssen wir nun mal anfangen: Dieser Anfang ist viel zu wenig.

Was geschieht mit den Glücklichen, die dann wirklich zu diesen 5.000 gehören? Schicken wir sie nach der Ausbildung einfach zurück in ihr kaputtgespartes Land? – Da ist einfach die Perspektive nicht zu sehen.

Die Volkswirtschaften Südeuropas schrumpfen jährlich um 0,4 %. Die sollen dann die – immerhin gut ausgebildeten – Leute aufnehmen und ihnen eine Perspektive geben. Sie sind dann natürlich über 25 und tauchen in dieser entsprechenden Statistik nicht mehr auf.

Im Endeffekt geht es eventuell – vorsichtig formuliert – dann doch darum, günstige Arbeitskräfte für den deutschen Fachkräftemarkt heranzuziehen.

So geht es nicht. Warum nimmt man nicht endlich die Verursacher der Krise mit ins Boot, warum werden Banken mit milliardenschweren Rettungspaketen versorgt, während die Bevölkerung in den Krisenländern durch Spardiktate an den Rand ihrer Existenz gezwungen wird?

(Beifall von den PIRATEN)

Hier sind wir gefordert, einen gesamteuropäischen Marshallplan zu entwickeln, und nicht diesen Tropfen auf den heißen Stein zu gießen. Das wäre ein echtes Zeichen an die Jugend Europas.

Wer die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen will, muss vor allem die gespaltenen Arbeitsmärkte reformieren. Doch dabei kommen die Krisenländer kaum voran – wie übrigens eine interne Übersicht der Bundesregierung belegt. Aber das schaffen ja leider wir in NRW noch nicht einmal in Teilen.

Ohnehin bleiben Zweifel an der Wirksamkeit allgemeiner Geldspritzen, Zweifel daran, was diese ausrichten können. Die ersten Maßnahmen aus Brüssel versickerten bis jetzt absolut wirkungslos.

Die EU-Kommission hatte den Krisenstaaten im letzten Jahr ein Versprechen gegeben, nicht abgerufene Mittel aus dem Strukturfonds dürften in Projekte zur Beschäftigung junger Arbeitsloser einfließen. 16 Milliarden € wurden bis Jahresbeginn beantragt. In diesem Jahr werden es dann noch einmal 6 Milliarden € sein, die draufgesattelt werden sollen. Von diesem Geld sollen 780.000 Jugendliche profitieren. Die ersten Erfahrungen sind absolut ernüchternd: Ergebnisse, Programme, Initiativen, Konkretes? – Fehlanzeige.

Der Antrag der FDP-Fraktion spiegelt hier – wie auch das Handeln der Bundesregierung – die absolute Hilflosigkeit diesem Problem gegenüber wider. Sie spielen hier mit dem Schicksal von Millionen Menschen, um für Ihren Wahlkampf Tätigkeit zu simulieren.

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Hier sind jedoch deutlich größere Schritte gefordert. Die Idee, jungen Europäern die Chance einer Ausbildung in Deutschland zu ermöglichen, ist grundsätzlich gut. Nur werden wir damit weder die Wirtschaftskrise noch die Jugendarbeitslosigkeit in den betroffenen Staaten und ganz bestimmt nicht den Fachkräftemangel hier in Deutschland beheben.

(Walter Kern [CDU]: Aber subjektiv helfen!)

– Subjektiv helfen. Vielleicht ist es sinnvoller, objektiv für 5,6 Millionen Menschen eine vernünftige Wirtschaftsperspektive zu schaffen, als subjektiv 5.000 Menschen einfach nur für eine Tätigkeitssimulation herhalten zu lassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber ich sehe, dass Sie einen positiven Ansatz einbringen wollen. Deshalb freue ich mich auf die Überweisung und die Gespräche im Ausschuss über den Antrag. Ich hoffe, dass wir daraus wirklich noch etwas machen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Veröffentlicht unter Arbeit, Gesundheit, Soziales (A01), Reden, Torsten Sommer

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