Donnerstag, 25. April 2013
TOP 1. A k t u e l l e S t u n d e
Opel muss zu seiner sozialen Verantwortung für die Beschäftigten und die Wirtschaftsregion stehen
Torsten Sommer (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und im Livestream!
(Zurufe: Lauter!)
– Ich kann gerne etwas lauter sprechen. Entschuldigung; meine Stimme ist etwas angeschlagen. Wir hatten gestern Halbfinal-Chorprobe.
(Beifall von den PIRATEN und der CDU)
– Danke schön. Es war auch erfolgreich.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ja!)
Ich kann allerdings die Frustration der Kollegen bei Opel sehr gut verstehen. Die unternehmerischen Fehler, die dort – fast schon die letzten Jahrzehnte – gemacht worden sind, sind kaum zählbar.
Bei einer durchschnittlichen Verweildauer der von General Motors eingesetzten Vorstände von vielleicht zwei Jahren – es gab acht Vorstandsvorsitzende in 16 Jahren – stellt sich die Frage, wie man eine solche Dauerwechselveranstaltung nennen sollte. Mir drängt sich der Begriff der Ausbildungsmanagementzentrale von General Motors auf –
(Beifall von den PIRATEN)
ein Hort für angehende und ausgewechselte Manager aus den Vereinigten Staaten, die in ihrem Heimatland entweder noch hoch hinaus wollen oder eigentlich schon auf dem Weg zur Rente sind.
Das wirtschaftliche Gebaren dieser Herrschaften von General Motors hat dazu geführt, dass der Standort Bochum trotz hervorragender Belegschaft im weltweiten Wettbewerb nicht bestehen durfte. Hier ist betriebswirtschaftlich mit Tausenden Schicksalen herumexperimentiert worden. Deshalb kann ich verstehen, dass die Belegschaft diesem jahrelangen Sterben auf Raten nicht mehr zuschauen wollte und letztlich zwangsweise die Reißleine ziehen musste. Dadurch lassen sich auch das Ergebnis dieser Abstimmung und die Ablehnung dieses Tarifvertrags erklären.
Da hilft es auch nichts, wenn Frau Bundeskanzlerin Merkel sich in Rüsselsheim fotografieren lässt und den Standort Bochum einfach fleißig links liegen lässt.
General Motors ist ein internationaler Konzern und hätte Opel erlauben müssen, international zu verkaufen. Darauf hätte auch eine Bundesregierung hinweisen müssen. Das hat sie aber leider nicht getan.
Das Heiligtum der freien unternehmerischen Entscheidung, so dämlich sie auch sein mag, hilft uns manchmal eben nicht weiter. Echte Mitbestimmung stellen wir uns anders vor als die zurzeit gelebte Pseudo-Mitbestimmung.
Insofern fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Initiative zu ergreifen, an deren Ende eine Änderung im Betriebsverfassungsgesetz stehen muss, die echte Mitbestimmung beinhaltet. Genauso, wie Sie auf Bundesebene den Mindestlohn forcieren, müssen Sie nun auch auf diesem Feld aktiv werden. Es darf nicht bei einem Feigenblatt der simulierten Mitbestimmung, wie es zurzeit der Fall ist, bleiben. Gerade bei Großbetrieben kann ein selbstherrlicher Führungsstil sonst zu fatalen Folgen führen. Das sehen wir bei Opel in Bochum gerade.
Damit wir uns hier allerdings nicht missverstehen: Wir wollen nicht direkt unternehmerische Entscheidungen aus der Politik heraus beeinflussen, sondern die Rahmenbedingungen setzen, an die sich alle gleichermaßen zu halten haben.
Im Gegensatz zu den Lindner’schen Windkanalreden
(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])
möchte ich jetzt zur Zukunft am Standort Bochum kommen, die durchaus positiv aussehen kann. Man muss sich die vielen Vorteile dort einmal bildlich vor Augen führen. Bochum ist und bleibt ein idealer Standort für die Wirtschaft im Ruhrgebiet und selbstverständlich darüber hinaus in NRW und ganz Europa.
Neben den knapp 400.000 Einwohnern von Bochum leben, wohnen und arbeiten über 6 Millionen Menschen im Umkreis von 50 bis 60 km.
Die Infrastruktur mit Bahnverbindungen ist hervorragend – das gilt für den öffentlichen Nahverkehr genauso wie für die ICE-Verbindungen –, selbst wenn ein fahrscheinloser ÖPNV wahrscheinlich noch etwas besser wäre.
Auch das Autobahnnetz ist ideal ausgebaut – wobei hier anzumerken ist, dass der Autobahnring extra geschlossen werden wird und somit der Standort noch besser erreichbar sein wird.
Daneben ist der gesamte Markt, den ich eben schon räumlich beschrieben habe, logistisch perfekt erschlossen.
Die kulturellen und wirtschaftlichen Vorteile von Bochum darf man ebenfalls nicht vergessen. Das fängt beim europaweit bekannten Schauspielhaus an und endet noch lange nicht bei der Ruhr-Universität.
Am Ende darf vor allem eines nicht unerwähnt bleiben: die hervorragende Belegschaft, die all die Jahre zu viel zu erdulden hatte. Mit einer solchen motivierten und gut ausgebildeten Belegschaft kann sich ein zukünftiger Investor hier ins gemachte Netz setzen und ein enormes Potenzial nutzen.
Dafür müssen wir als Politik aber auch unterstützend tätig werden und etwa die Umwandlung in einen Technologiepark vorantreiben sowie die Suche nach Investoren unterstützen.
Andere Industrieparks wie den newPark hier in Konkurrenz zu setzen, macht überhaupt keinen Sinn, Herr Lindner.
(Christian Lindner [FDP]: Doch!)
Das bedeutet im Übrigen nicht, dass sich General Motors aus der Verantwortung stehlen darf. Nur Werbung beim Revierfußballnachbarn zu schalten, reicht da sicher nicht aus. Eine kraftvolle Initiative in „Bochum Perspektive 2022“ zu begleiten und sich dort einzubringen, muss für General Motors Pflicht sein. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.
Schreibe einen Kommentar