Folgenden Antrag haben wir für die Plenarphase 16./17. Dezember 2015 eingereicht:
17.12.2015
TOP 5, ca. 13.45 Uhr
Drucksache 16/10420
Kein Zwangseinbau von „Smart Metern“ – Wahlfreiheit und Datenschutz bei der Digitalisierung der Energiewende gewährleisten
Sachverhalt
Der Bundesrat befasst sich am 18. Dezember mit dem Entwurf der Bundesregierung eines „Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende“.
Die Bundesregierung will mit diesem Gesetz schrittweise einen flächendeckenden Austausch aller Stromzähler durch digitale Verbrauchsaufzeichnungsgeräte („Smart Meter“) vorschreiben, die den zeitlichen Verlauf des Stromverbrauchs auf 15 Minuten genau festhalten sollen. Sogar eine Fernübertragung der Verbrauchswerte mithilfe „intelligenter Messsysteme“ soll seitens der Anbieter eingebaut werden dürfen – ohne Widerspruchsrecht und auf Kosten der Verbraucher.
Der Einbau von Smart Metering-Technologie stellt für Verbraucher eine finanzielle Mehrbelastung um bis zu 90 Euro pro Jahr und Haushalt dar, die die ohnehin hohen Aufwendungen für Energiekosten weiter erhöht. Pilotversuche belegen, dass die Sichtbarmachung des aktuellen und historischen Energieverbrauchs im Regelfall zu keiner nachhaltigen Einsparung von Strom oder Kosten führt. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände stellt zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung fest:
„Zwar ist laut § 29 Absatz 1 nur bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch über 6.000 kWh, Besitzern von § 14a-Anlagen und Betreibern von EEG-und KWK-Anlagen mit einer Leistung von über 7 kW ein Einbau verpflichtend. Allerdings kann der grundzuständige Messstellenbetreiber auch Verbraucher mit einem Jahresstromverbrauch von unter 6.000 kWh ‚optional‘ mit intelligenten Messsystemen ausstatten.
Der vzbv weist darauf hin, dass die Wirkung für den Endverbraucher dieselbe ist. Ob der Einbau aufgrund der Einbauverpflichtung oder der optionalen Einbauentscheidung erfolgt, macht für ihn keinen Unterschied. Ein Recht auf Zustimmung oder Ablehnung ist nicht vorgesehen. […]
Darüber hinaus bewirkt eine Installation eines intelligenten Messsystems alleine noch keine Einsparungen von Strom oder Kosten. Dafür ist eine Akzeptanz der Endverbraucher zwingend erforderlich. Diese kann durch eine Zwangsverpflichtung nicht erreicht werden. Ein Recht auf Ablehnung wird auch Verbrauchern in anderen europäischen Mitgliedsstaaten zugestanden und hat sich förderlich für die Verbraucherakzeptanz erwiesen.“
Auch laut Bundesnetzagentur unterliegt es „erheblichen Zweifeln, ob der verpflichtend vorgegebene Einsatz neuer Messeinrichtungen bei Kunden, die sich nicht bewusst hierfür entschieden haben […], überhaupt geeignet ist, eine Änderung des Verbrauchsverhaltens und damit eine höhere Energieeffizienz zu bewirken.“
Das ohne Wahlrecht der betroffenen Verbraucher vorgesehene viertelstündliche Messintervall stellt einen unangemessenen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger dar. Mithilfe der Verbrauchsaufzeichnungen kann unsere Anwesenheit und unser Verhalten in unserer Privatwohnung in bisher ungekanntem Maße nachvollzogen und ausgewertet werden. So lässt sich nachvollziehen, wann Bewohner zuhause, außer Haus oder in Urlaub sind.
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kritisiert: „An 365 Tagen im Jahr 24 Stunden täglich im Viertelstundentakt erhobene Verbrauchswerte gewähren einen tiefen Einblick in die Privatsphäre des Einzelnen. Punktuell und in Echtzeit wird die einzelne Aktivität erkennbar. Über den Tag ergibt sich auf diesem Weg ein Ablaufprotokoll, das wesentliche Informationen für ein Persönlichkeitsprofil enthält. Technisch möglich wäre mit Smart Metern sogar eine Verbrauchserfassung im Sekundentakt. Je höher zeitlich aufgelöst die Verbrauchserfassung, desto präzisere Aussagen über die jeweilige Aktivität können abgeleitet werden. Einschlägige Untersuchungen haben gezeigt, dass sogar auf das jeweils genutzte Fernsehprogramm geschlossen werden kann.“
Die Verwendungs- und Missbrauchsmöglichkeiten von Informationen über das Verhalten im eigenen Zuhause sind hoch: Der Vermieter oder Ehepartner kann die Anwesenheit und das Verhalten zuhause überprüfen. Das Wissen über die in einem Haushalt vorhandenen Geräte und ihren Gebrauch kann zu Werbezwecken genutzt werden. Aber auch Polizei oder Geheimdienste können anhand der Daten das Verhalten in Privatwohnungen noch nach Monaten nachvollziehen. Schließlich können die Daten zu kriminellen Zwecken verwendet werden. So können Informationen darüber, welche Geräte vorhanden sind und wann üblicherweise niemand zu Hause ist, zur Vorbereitung eines Wohnungseinbruchsdiebstahls verwendet werden. Hackern ist es bereits gelungen, unbefugt auf digitale Messeinrichtungen zuzugreifen. Erfahrungsgemäß können die eingebauten Sicherungsmechanismen keine absolute Sicherheit bieten.
Nach einer repräsentativen Meinungsumfrage im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände lehnen 70% der Verbraucher den Zwangseinbau von Smart Metering-Technologie ab. Andere Staaten wie Österreich oder die Niederlande haben deshalb bereits ein Recht auf Wahlfreiheit eingeführt.
Wo „intelligente Zähler“ zum Einsatz kommen und ein zeitunabhängiger Einheitstarif vereinbart ist, darf eine viertelstündliche Aufzeichnung des Stromverbrauchs nur mit Einwilligung der Verbraucher zugelassen werden. Der Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass Smart Meter mit datenschutzfreundlichen Standardeinstellungen ausgeliefert werden. In der Grundeinstellung und ohne Zustimmung der betroffenen Verbraucher dürfen „intelligente Zähler“ nicht mehr Informationen festhalten als herkömmliche Zähler. Der mündige Verbraucher soll selbst darüber entscheiden, ob er die Verbrauchskurve aufzeichnen und darstellen lassen möchte oder nicht. Nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit (§ 3a BDSG) ist schon die Erhebung personenbezogener Daten nach Möglichkeit zu vermeiden, weil nur nicht gespeicherte Daten tatsächlich sicher vor Missbrauch sind.
Der Landtag beschliesst:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass der Einbau von „intelligenten Stromzählern“ und „intelligenten Messsystemen“ auf freiwilliger Basis geschieht und der Datenschutz sowie der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung gewahrt bleibt.
Der Entwurf eines „Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende“ ist dazu wie folgt zu ändern:
- Der Einbau „intelligenter“ Zähler oder Messsysteme ist von der Zustimmung der betroffenen Verbraucher abhängig zu machen (Opt-in).
- Wer beim Bezug einer Wohnung bereits ohne seine Zustimmung installierte Vorrichtungen dieser Art vorfindet, erhält das Recht, diese wieder durch einen herkömmlichen Stromzähler ersetzen zu lassen.
- Solange der Kunde einen Einheitstarif wählt, dürfen „intelligente“ Zähler nicht ohne seine freie Einwilligung den zeitlichen Verlauf des Stromverbrauchs („Zählerstandsgangmessung“) aufzeichnen.
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