Donnerstag, 25. Juni 2015
Top 1. A k t u e l l e S t u n d e
SPD-Parteikonvent billigt Kompromiss zur Vorratsdatenspeicherung: Ein guter Tag für die Innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens, ein schlechter Tag für die rot-grüne Landesregierung!
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache16/9058
in Verbindung damit
Das Land NRW muss Position gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung beziehen
AktuelleStunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache16/9059
in Verbindung damit
Ein absehbares technisches, rechtliches und finanzielles Desaster: Vorhaben zur anlasslosen und massenhaften Vorratsdatenspeicherung unbedingt abbrechen!
Eilantrag auf Antrag der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/9060
Unser 2. Redner: Oliver Bayer
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Videomitschnitt der kompletten Debatte
Protokoll der Rede von Oliver Bayer
Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kommunikationsnutzende auch auf den Besucherterrassen! Was Hartz IV für den Sozialstaat war, ist die Vorratsdatenspeicherung für den Rechtsstaat: eine Perversion und Umkehrung der Beweislast und die Einführung eines Generalverdachts. Herr Kutschaty, nach Ihren eigenen früheren Maßstäben darf ich Sie jetzt wohl in der Steinzeit verorten. Sicherheit und Überwachung ergeben eben keine Freiheit, Herr Römer.
(Beifall von den PIRATEN)
Eingriffe und Grundrechte wollten Sie abgewogen haben, Herr Römer. Die Durchsetzung der Maßnahme Vorratsdatenspeicherung wiegt demnach schwerer als die Freiheit eine Maßnahme, deren Wirkung bezüglich des vermeintlichen Ziels gar nichts bringt, also keine Verbrechen verhindert und selbst laut Minister Kutschaty nur in sehr geringem Umfang aufklärt? Im Gegenteil. Sie verschwenden mit der Vorratsdatenspeicherung Ressourcen, die wir für echte Verbrechensbekämpfung verwenden könnten. Dazu kommt auch noch das Missbrauchsrisiko der gesammelten Daten. Es ist wirklich erschreckend, wie wenig der SPD die Grundrechte nach eigenen Aussagen an der Stelle wert sind.
(Beifall von den PIRATEN)
Falls Ihnen ideologisch der Blick auf die Kuriositäten der Vorratsdatenspeicherung versperrt ist, möchte ich es Ihnen einfach machen. Nehmen wir einmal an, Freiheit und die Errungenschaften des Rechtsstaats würden uns nichts bedeuten und es ginge allein um die Erfolge für die Verbrechensaufklärung; von Bekämpfung sprechen wir gar nicht. Dann muss ich Ihnen leider sagen: Die Vorratsdatenspeicherung ist die Pkw-Maut der Verbrechensaufklärung: Wenig Nutzen, Holzhammermethode, bürokratisch die geringen Effekte werden vom Bürokratieaufwand aufgezehrt und viel zu teuer für das, was dabei herauskommt, gerade für NRW!
Sie betrifft die Polizei, die öffentliche Hand, aber auch die Wirtschaft. Die gescheiterte Vorratsdatenspeicherung von 2007 hat der deutschen Wirtschaft Kosten in Höhe von bis zu 340 Millionen € verursacht, für die sie keine Erstattung bekommen hat. Bei einem neuen Anlauf der Vorratsdatenspeicherung rechnet Eco, der Verband der deutschen Internetwirtschaft, mit Aufwendungen in Höhe von 600 Millionen € für insgesamt 2.500 Betriebe, die hinzukommen. Auf NRW entfällt ein Großteil davon; denn in NRW sitzt ein Großteil der betroffenen Firmen. Die gestiegenen Kosten ergeben sich aus den höheren Anforderungen und den gewachsenen Datenmengen; denn auf die 2007 entworfene Technik kann man nicht mehr zurückgreifen.
Also wo ist der Ruf zum Beispiel nach einem bundespolitischen Ausgleich der Kosten? Die nordrheinwestfälische Bevölkerung und die Wirtschaft zahlen für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung und somit für ihre eigene Totalüberwachung und Datenzwangserfassung. Können wir in NRW etwas dagegen tun? Ja; denn NRW hat Gewicht. Das geht auch mit einer SPD. Da bin ich mir sicher. Wir müssen eben mit dem arbeiten, was wir in NRW so haben.
Schauen wir nach Kiel und Schleswig-Holstein. Da setzt sich der aktuelle Innenminister der SPD sogar gegen die Vorratsdatenspeicherung ein. Wir wissen, er hat sogar seinen Job deswegen. Er war dagegen. Es geht also. Man kann nämlich auch in der SPD frei und aufrichtig entscheiden, zumindest in Kiel. Bis Kiel reicht der Einfluss von Sigmar Gabriel offensichtlich nicht.
Sie, Frau Ministerpräsidentin Kraft und Minister Jäger, haben selbst dafür gekämpft, dass in Zukunft Bewegungsprofile angelegt werden. Sie haben dafür gekämpft, dass wir alle unter Generalverdacht stehen.
Warum stimmt die NRW-SPD überhaupt zu? Das frage ich mich hier. Darauf haben wir noch keine Antworten bekommen. Was hat die Delegierten dazu bewogen? Das Schauspiel von Sigmar Gabriel, der Konvent hätte noch eigene Evaluationen durchgesetzt? Also zuerst Totalüberwachung und dann nachdenken?
Was haben die Menschen in NRW davon? Frau Kraft, warum gibt es Berichte, wonach Delegierte unter Druck gesetzt wurden? Welchen Preis erzielen Sie eigentlich für Ihren persönlichen Einsatz, für den hemmungslosen Ausverkauf unserer persönlichen Freiheit, die überhaupt nicht verkäuflich sein sollte? Was ist der Deal? Geld fließt scheinbar nicht nach NRW. Wir haben heute noch keine plausiblen Argumente gehört. Vielleicht bekommen wir sie noch.
Sie nehmen den Ausverkauf der Bürgerrechte in Kauf. Ich kann nur darüber spekulieren, dass die Gründe irgendwo zwischen unglücklichen Karriereplanungen und dem Verkauf der SPD an eine CDU-Holding liegen. Soviel zur Relevanz, Herr Römer. „Gekippte Gewässer II“!
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort zur CDU sagen.Herr Golland nannte Beispiele von Facebook und Google und meinte, dann könnte man auch alle Menschen überwachen. Das ist so, als wenn man sagt: Viele Menschen rauchen freiwillig. Welches Recht leiten wir für den Staat daraus ab? Vielleicht Chemtrails? Das Gegenteil ist der Fall. Wir versuchen ja, die Bevölkerung vor Feinstaub und Luftverschmutzung zu schützen.
Derzeit scheint der Weg nach Karlsruhe vorgezeichnet. Die Vorratsdatenspeicherung war bereits vor einem Jahr ein glatter Verfassungsbruch und wird auch diesmal scheitern. Besser wäre allerdings, wir bringen das jetzt hier zum Scheitern. Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
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