Dietmar Schulz zur fairen Besteuerung von Familienunternehmen

Mittwoch, 18. März 2015

 

Top 7. Faire Besteuerung ermöglichen und Existenz von Familienunternehmen in Nordrhein-Westfalen sichern – Für eine zukunftsfeste und verfassungskonforme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer

Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 16/8134
Mdl Dietmar Schulz/Foto A.KnipschildUnser Redner: Dietmar Schulz
Abstimmungsempfehlung: Zustimmung zur Ausschussüberweisung
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Protokoll der Rede von Dietmar Schulz

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Kollege Abel, Sie haben in Ihren Ausführungen schon viel von dem vorweggenommen, was auch ich hier hätte sagen wollen. Ich habe allerdings noch einige Ergänzungen zu machen. Liebe FDP, der Antrag ist natürlich ein bundespolitischer Antrag, er zielt zumindest in diese Richtung. Wir haben es zu tun mit dem im Jahr 2009 durch den Gesetzgeber verfolgten Ziel, Steuervergünstigungen für den Betriebsübergang zu schaffen, um die Unternehmen im Erbfall zu erhalten und Arbeitsplätze zu sichern. Dazu sind verschiedene Aspekte zu sagen, zu denen wir sicherlich auch in der Ausschussberatung noch kommen werden.

Eines muss man mal festhalten: Das Bundesverfassungsgericht hat sich gegen die Ausnahme- und Verschonungsregelungen in der Erbschaftsbesteuerung ausgesprochen. Das ist der Anlass, jetzt über eine Erbschaftsteuerreform in Deutschland nachzudenken. Seit fast anderthalb Jahrzehnten hat es nämlich keine gegeben. Eine Debatte über diesen Antrag bedeutet also: Wir reden von Staatseinnahmen.

Der Vorschlag des Bundesfinanzministers, der daraufhin jetzt in der Welt ist, findet nicht generell, aber doch in einzelnen Punkten Kritik, ich glaube, sogar quer durch alle Parteien. Ganz erstaunt bin ich über einen Reformvorschlag, der mir hier unter die Finger gekommen ist. Er stammt von einer Sozialdemokratin, Anke Rehlinger, Wirtschaftsministerin des Saarlandes, die einfach sagt: Weg mit den Verschonungsregelungen im Erbschaftsteuerrecht, alles streichen, dafür den Spitzensteuersatz von 50 auf 15 % senken.

(Christian Lindner [FDP]: Auf wie viel?)

15 %! 15 % aber alle Ausnahme- und Verschonungsregelungen streichen, und das unabhängig von den Freibeträgen. Die Freibeträge blieben in dem Fall natürlich unangetastet. Man könnte in dem Bereich wahrscheinlich auch mal über Freibetragssituationen im Einzelfall nachdenken. Das ist ein Vorschlag, den ich persönlich durchaus der näheren Betrachtung wert finde.

Womit haben wir es denn zu tun? Mit dem Argument, Unternehmen müssten dichtmachen, weil Unternehmensvermögen im Erbgang übertragen würden. Also: Bevor es die Verschonungs- und Ausnahmeregelungen gab, also vor 2009, hatten wir eine ähnliche Situation, die Sie, lieber Kollege Ralf Witzel, ja jetzt auch ein bisschen befürchten. Nur: Damals ist überhaupt kein Unternehmen Pleite gegangen. Entlassungswellen gab es ebenfalls nicht. Diese sind auch jetzt nicht zu befürchten. Das weiß man, wenn man die Zahlenwerke kennt, über die wir uns im Ausschuss noch näher unterhalten müssen. Danach bleiben aufgrund der Verschonungs- und Ausnahmeregelungen im Prinzip über 90 % aller Unternehmensübergänge vollkommen unbesteuert.

(Ralf Witzel [FDP]: Nur bei der Übertragung! Die haben ihre Gewinne doch vorher jahrelang versteuert!)

Gewinne versteuern das ist auch so eine Mär, sage ich jetzt mal, die Mär vom üblen Nachtreten eines raffgierigen Staates, der sich noch ein letztes Mal an schon mehrfach versteuertem Privatbesitz vergreift. Ganz ehrlich: Unter Berücksichtigung der sozialen Aufgaben, die wir in unserem Staat haben, halte ich das für außerordentlich unpassend in einer Zeit, in der zum Beispiel jemand, der 100.000 € verdient, darauf 30.000 € Steuern zahlen muss, in einer Zeit, in der Milliardenvermögen bekanntlich ohne Leistung an die Nachfolger übertragen werden. Die führen die Unternehmen auch weiter. Die machen sie doch nicht dicht. Ich halte es für ein Gerücht, dass plötzlich alle ihre Unternehmen auf dem Markt verkaufen, nur weil sie mit Erbschaftsteuer belastet werden.

Das würde im Übrigen, Herr Kollege Witzel, auch Ihrem hier zitierten Gutachten widersprechen, in dem es nämlich heißt: Es gibt viel zu wenige Nachfolger für all die Unternehmen, die übertragen werden. Glauben Sie mal: Die sind nicht alle so attraktiv, dass die auf dem internationalen Markt verkauft werden könnten. Die Unternehmen, von denen Sie reden, interessieren auf dem internationalen Markt wahrscheinlich nur wenige Leute.

Wir reden hier also nach wie vor von Spitzen in der Besteuerungssituation. Bei einem Unternehmen, das beispielsweise 10 Millionen € Wert hat, fällt vielleicht 1 Million € an. Diese Summe kann auch noch über, ich sage mal, 20 Jahre gestundet werden; das sind dann 50.000 € Steuerbelastung für den Unternehmensübergang im Erbfall. 50.000 € bei einem Unternehmen, das einen Wert von 10 Millionen hat und entsprechende Umsätze aufweisen sollte!

(Christian Lindner [FDP]: Wenn das Unternehmen 10 Millionen wert ist, wie hoch ist dann der Jahresgewinn?)

Na gut, das muss man dann natürlich gucken!

(Weiterer Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Lindner: Wenn der Jahresgewinn eines Unternehmens mit einem Wert von 10 Millionen nur 50.000 oder 100.000 € betragen sollte, dann stimmt entweder etwas nicht mit dem Wirtschaftsprüfer, mit dem Steuerberater, dem Unternehmer oder dem Unternehmen.

(Erneut Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Es ist doch so! Selbstverständlich wird man bei der Erbschaftsteuerreform nicht Schluss machen können. Auch die Unternehmensbesteuerung wird wie auch andere steuerliche Faktoren innerhalb unseres Staates sicherlich einmal auf den Prüfstand gestellt werden müssen.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Fakt ist jedenfalls: Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Das wird eine muntere, bunte, lustige Geschichte werden. Ich freue mich darauf. Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Veröffentlicht unter Dietmar Schulz, Haushalts- und Finanzausschuss (A07), Reden

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