Anhörung Abschiebungshaftvollzug – Warum?

Hier gibt es Antworten auf die Frage, wieso wir eine Anhörung zum Übergangsgesetz für den Abschiebungshaftvollzug beantragen

 

Was ist euer Problem mit dem Gesetzentwurf zum Abschiebungshaftvollzug? 

Es ist wichtig, gerade nach dem großen Flüchtlingsskandal rund um Burbach und der Situation in Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen sowie wichtiger gerichtlicher Entscheidungen zum Abschiebungshaftvollzug, einen humanen Abschiebungshaftvollzug in einem eindeutigen Gesetz zu formulieren. Dieser Verpflichtung ist die Landesregierung auch ein halbes Jahr nach der Schließung des ehemaligen Abschiebungshaftgefängnisses, der JVA Büren, nicht nachgekommen, sondern hat einen richtigen Gesetzentwurf verschleppt.

Obwohl längst absehbar war, dass auf eine Rückführung oder die Überstellung in ein anderes EU-Land wartende Abschiebehäftlinge nicht in normalen Gefängnissen festgehalten werden dürfen, befand sich in Büren bis zum 26. Juli 2014 Europas größtes Abschiebegefängnis; eine Einrichtung, in der seit 2010 nicht weniger als 5.000 Abschiebehäftlinge gemeinsam mit Strafgefangenen untergebracht wurden. Im Juli 2014 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Abschiebehäftlinge nicht in normalen Gefängnissen festgehalten werden dürfen, solange sie auf eine Rückführung oder die Überstellung in ein anderes EU-Land warten. Die  Landesregierung in NRW sah diese Vorgaben an eine spezielle Hafteinrichtung in der JVA Büren auch nach dem Urteil als erfüllt an und hielt zunächst am Standort Büren fest. Erst das BGH-Urteil vom 25. Juli.2014, dass die JVA Büren die Voraussetzungen einer speziellen Hafteinrichtung nicht erfüllt, veranlasste die Landesregierung, Flüchtlinge nach Berlin zu verlegen. Im Dezember 2014 legten die regierungstragenden Fraktionen dann einen Gesetzentwurf für ein Fünf-Paragrafengesetz vor, das die Wiederinbetriebnahme der ehemaligen JVA als spezielles Abschiebungshaftgefängnis vorschreiben soll, aber Fragen über die Ausgestaltung außen vor lässt. Die Landesregierung will zwar in einer Rechtsverordnung weitere Regelungen treffen, die aber außerhalb des Gesetzes stünden und es offen ließen, ob damit der Rechtsprechung der Gerichtshöfe Sorge getragen werden würde. Das Trennungsgebot zwischen Strafvollzug und Abschiebungshaftvollzug ist kein Selbstzweck, sondern muss in der Ausgestaltung des Vollzuges berücksichtigt werden. Dabei gilt wie so oft: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Deshalb wollen wir eine Anhörung beantragen.

Was sagt ihr zu den Vorwürfen, dass ihr jetzt zulasst, das Geflüchtete erst einmal weiterhin nach Berlin transportiert werden müssen statt in Büren untergebracht werden zu können?

Dass weiterhin Menschen in aufwendigen Transporten zwischen NRW und Berlin hin- und hergefahren werden müssen, finden wir schrecklich. Die Geflüchteten, die oft schon sehr viel durchgemacht haben, werden damit weiterem Stress ausgesetzt, den wir eigentlich verhindern wollen. Wir haben unsere Entscheidung gründlich überlegt und vorab viel darüber diskutiert.

Die Pläne der Landesregierung, schnell wieder in einer nicht fertiggestellten JVA Büren ohne entsprechende Standards und Regelungen an eine humane Abschiebungshaft, halten wir allerdings für grundlegend falsch. In dem Gesetzentwurf gibt es keine Ausführungen, wie den Standards entsprochen werden sollen. SPD und Grüne geben sich, der Landesregierung, einen Freifahrtschein. Die vergangen Monate haben gezeigt, dass wir in NRW noch weit weg von einem humanen und verantwortungsbewussten Umgang mit Geflüchteten sind.

Dazu passt auch, dass die Landesregierung von notwendigen (d.h. rechtlich notwendigen) Umbaumaßnahmen der ehemaligen JVA Büren in einer Höhe von 20 Millionen Euro ausgeht. Die Umbaumaßnahmen können damit bis zur geplanten Inbetriebnahme im April dieses Jahres nicht ansatzweise umgesetzt worden sein.

Nichtsdestotrotz hätten wir uns auf einen Kompromiss eingelassen, der unsere Sorgen zwar nicht auflöst, aber das Potenzial hätte, sie zu mindern. Wir fordern einen starken Beirat, der die Einhaltung der Standards und rechtlichen Anforderungen kontrolliert, den Schutz besonderer Schutzbedürftiger überprüft und die Umbaumaßnahmen begleitet. Der Beirat würde als Sprachrohr der Flüchtlinge für Öffentlichkeit sorgen, wäre sie benötigt.

Habt ihr einen Kompromissvorschlag?

Wenn es um Menschen und schwere Schicksale geht, sind Kompromisse kaum machbar.

Wir finden es schlechten Stil, dass die Landesregierung trotz vieler Anzeichen und Gutachten vor dem BGH-Urteil und weiteren sechs Monaten nach dem Urteil des BGH nicht in der Lage war, einen vollumfänglichen, den Anforderungen gerecht werdenden Gesetzentwurf vorzulegen, um dann festzustellen, dass es angeblich kurzfristig eines unausgegorenen Übergangsgesetzes bedarf.

Nichtsdestotrotz hätten wir uns vor dem Hintergrund der Transporte nach Berlin auf ein Übergangsgesetz eingelassen, wären Regelungen zur Sicherstellung hoher Standards eingebracht worden, die unsere Zweifel an der sachgerechten Ausgestaltung wenn nicht verschwinden lassen, zumindest mildern können.

Gibt es keine bessere Einrichtung als eine ehemalige Justizvollzugsanstalt?

Die Landesregierung gibt an, dass sie die möglichen Liegenschaften geprüft hätte und dabei Büren die beste Wahl gewesen ist. Es sind allerdings auch nur ehemalige JVAs geprüft worden. Das halten wir für falsch. Eine andere Möglichkeit wäre, eine Anlage komplett nach hohen Standards und gerichtlichen Erkenntnissen neu zu bauen. So etwas ist aber gar nicht in Erwägung gezogen worden. Mit einem kurzfristigen Übergangsgesetz werden wir den Standort Büren ohne große Debatte als Abschiebungshaftanstalt zementieren.

Seid ihr nicht gegen Abschiebungshaft? Warum lehnt ihr das Gesetz dann nicht einfach ab?

Wir Piraten sind gegen Abschiebungen und gegen Abschiebungshaft – das ist klar. Wenn wir das Übergangsgesetz ablehnten, würde es ohne juristische Prüfung von den regierungstragenden Fraktionen angenommen. Ohne eine intensive Debatte darf dies nicht passieren.

Würde es nicht ausreichen, die Exekutive zur Verordnung über die Abschiebungshaft zu ermächtigen?

Nein! Die Landesregierung (= Exekutive) hat ihren Vertrauensvorschuss in Hinblick auf Flüchtlingspolitik zunächst einmal aufgebraucht. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, die Exekutive zur Rechtssetzung zu ermächtigen. Damit wird jedoch die Legislative (= Parlament) auf eine nachträgliche Kontrolle beschränkt und hat keine Möglichkeit, auf das Rechtssetzungsverfahren Einfluss zu nehmen. Das halten wir angesichts der bisherigen Erfahrungen bezüglich der Landesregierung in Hinblick auf Flüchtlings- und Integrationspolitik für keinen gangbaren Weg. Das Mindeste, was wir hätten erwarten dürfen, wäre nach immerhin bald einem halben Jahr die Vorlage zumindest eines Referentenentwurfs bzgl. einer entsprechenden Verordnung gewesen. Diese Zeit hat die Landesregierung nicht genutzt, sondern trotz der erkannten Notwendigkeiten glatt verschlafen. Ein ordentliches parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren erscheint unter diesen Bedingungen unausweichlich, zumal die Regierungskoalition aktuell die als Kompromiss vorgeschlagene Einrichtung eines Beirats für die Abschiebeeinrichtung der ehemaligen JVA Büren rundheraus abgelehnt hat.

 

Änderungsantrag zum Gesetzentwurf
„Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen (Ab-schiebungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – AHaftVollzG NRW)”
Drs. 16/7545

 

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Ein Kommentar auf “Anhörung Abschiebungshaftvollzug – Warum?
  1. Klaus sagt:

    Hallo. Ich stelle mir die Frage, warum NRW abgelehnte Asylbewerber und kriminelle Ausländer nicht abschiebt?!
    Menschenrechte sind wichtig, keine Frage, auch der humane Umgang mit Flüchtlingen.
    So wie ich mit meiner Firewall meinen PC schütze, muss unsere Gesellschaft jedoch auch vor kriminellen Menschen geschützt werden. Sonst folgt eine Spaltung, wie wir sie im Ansatz schon im Aufkeimen der Rechts-Links-Konflikte, der Attacken von radikalen Muslimen gegen jüdische Einrichtungen sowie dem Erstarken der rechten Szene in Aachen und Dortmund sehen.
    Deshalb dürfen nicht wenige Menschen dafür Sorgen, dass ganze Gruppen diffamiert werden. Dazu gehört in letzter Konsequenz auch die Abschiebung und Ausweisung.
    Ich bin für ein Zuwanderungsgesetz, mit dem wir vernünftig und mit durchdachten Konzepten wirkliche Facharbeiter, aber auch traumatisierte und gerne auch Armutsflüchtlinge aufnehmen.
    Eine ungezügelte Zuwanderung von leider auch kriminellen und religiös fanatischen Menschen spaltet die Gesellschaft, also müssen Abschiebungen möglich sein.

    Dies ist meine Meinung, bitte aktzeptiert sie, so wie ich auch Eure (gegenteiligen) Meinungen respektiere. Die Gedanken sind frei! Gegen Gewalt, Extremismus und Fanatismus!

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